Arbeitsmarkt

So macht der Fachkräftemangel dem regionalen Handwerk zu schaffen

Ob im Dentallabor, beim Metzger oder in der Schreinerei: Fehlendes Personal zieht sich in den Handwerksbetrieben der Region wie ein roter Faden durch die Gewerke. Die Unternehmen suchen Lösungen - und gehen neue Wege

Von 
Tatjana Junker
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Horst Trautmann muss nicht lange überlegen. „Wenn ich genügend Personal hätte, würde ich es sofort machen“, sagt der Mannheimer Metzger auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, eine weitere Filiale zu eröffnen. Zum Beispiel in der Innenstadt, wo es inzwischen überhaupt keinen Fleischer mehr gibt. Oder in einem der anderen Stadtteile, in denen zuletzt Metzgereien aufgegeben haben. Doch das mit dem Personal ist eben nicht so einfach.

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Selbst in seiner Feudenheimer Metzgerei hat Trautmann seit einiger Zeit mittwochs Ruhetag – Zwangspause sozusagen. Nicht, weil es nicht genügend Nachfrage seitens der Kundschaft gäbe – sondern weil ihm die Leute fehlen, um sie zu bedienen. „Zwei weitere Personen könnte ich noch gut gebrauchen“, sagt er. Im Moment arbeiten in dem Familienbetrieb sieben Beschäftigte. „Mein Verkaufspersonal braucht einen Tag in der Woche, an dem es private Termine machen kann. Und weil wir mit der aktuellen Mannschaft nicht die ganze Woche abdecken können, ist mittwochs zu.“

Die Klimawende kann nur gelingen, wenn es genügend Handwerker gibt
Klaus Hofmann Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein Neckar Odenwald

Egal ob beim Metzger, Schreiner oder beim Zahntechniker – im Handwerk zieht sich das Thema Fachkräftemangel durch die Gewerke wie ein roter Faden. Einer aktuellen Studie zufolge hat er zuletzt Rekordniveau erreicht. 236 818 offene Stellen habe es 2022 durchschnittlich in überwiegend handwerklichen Berufen gegeben – so viele wie noch nie seit Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2010, berichtete das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) am Wochenende. Dem standen nur 121 993 Arbeitslose in diesen Bereichen gegenüber.

„Das bedeutet, selbst wenn alle arbeitslosen Handwerkerinnen und Handwerker auf eine passende Stelle vermittelt worden wären, hätte über die Hälfte der offenen Stellen in überwiegend handwerklichen Berufen nicht besetzt werden können“, heißt es in der Studie.

Ein Lehrling bei der Ladenburger Bau- und Möbelschreinerei Heiko Schmidt. © Marina Litterscheidt

Klaus Hofmann, Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein Neckar Odenwald, warnt vor den Folgen des Personalmangels auch mit Blick auf die dringend nötige Klimawende. „Sie kann nur gelingen, wenn es genügend Handwerker gibt“, sagt er – zum Beispiel für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Die aktuelle Kofa-Studie zumindest stimmt da nicht gerade hoffnungsvoll: Demnach fehlen die meisten Fachkräfte derzeit im Bauhandwerk – vor allem im Bereich Bauelektrik und bei der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Die Unternehmen reagierten inzwischen auf den Mangel, indem sie mehr Ausbildungsplätze anböten, heißt es in der Studie. Doch reiche die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber nicht aus, um alle Lehrstellen zu besetzen.

Stephan Bauer führt die Familienbäckerei in Neulußheim. © Marina Litterscheidt

Ähnlich sieht es in der Region aus: Im vergangenen Jahr wurden im Bezirk der Handwerkskammer Mannheim Rhein Neckar Odenwald nach der Corona-Delle zumindest 1,1 Prozent mehr neue Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Vorjahr. „Das ist minimal, aber immerhin die richtige Tendenz“, so Kammerpräsident Hofmann. Und im aktuellen Jahr seien bis Ende Mai 17 Prozent mehr neue Verträge eingetragen als 2022. Hofmann: „Das reicht aber noch längst nicht aus.“

Bei uns muss niemand um ein oder zwei Uhr nachts schon in der Backstube stehen
Stephan Bauer Bäckermeister aus Neulußheim

Wie wichtig Ausbildung für die Fachkräftesicherung ist, kann auch Andreas Laufer bestätigen. In allen Bereichen seines Unternehmens würde er einstellen, wenn es passende Kandidaten gäbe, sagt der Zahntechnikermeister, der in Mannheim ein Dentallabor mit rund 50 Beschäftigten betreibt. Auch ausbilden würde er gerne mehr. „Eigentlich hätte ich gerne jedes Jahr drei Azubis, dieses Jahr habe ich aber nur zwei“, sagt Laufer. „Der Fachkräftemangel ist aktuell unsere größte Herausforderung. Meine einzige Chance ist, die Leute selbst auszubilden.“ Doch seit der Pandemie sei die Zahl der Bewerbungen für Lehrstellen rückläufig. „Der Schlüssel liegt in den Schulen“, glaubt Laufer. Dort müsse für die duale Ausbildung mehr geworben werden – „und auch dafür, dass Leistung ein Wert ist.“

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Dass in den Schulen mehr Aufklärung über Berufschancen im Handwerk stattfinden sollte, glaubt auch Stephan Bauer. Der Bäckermeister aus Neulußheim hat im vergangenen Jahr den Betrieb von seinen Eltern übernommen, seit fünf Generationen ist die Bäckerei nun in Familienhand. Gerade für den Bäcker- und Konditoreibereich habe man in den letzten Jahren glücklicherweise immer genügend Lehrlinge gefunden, so Bauer. Ein Grund könnte sein, dass die Beschäftigten bei ihm morgens etwas länger schlafen können als bei anderen Bäckern. „Wir arbeiten im Schichtbetrieb: Die ersten Bäcker fangen um vier Uhr an, der Rest kommt dann nach und nach. Bei uns muss niemand um ein oder zwei Uhr nachts schon in der Backstube stehen“, sagt Bauer.

Auch andernorts in der Region überlegen Handwerksbetriebe fieberhaft, was sie tun können, um offene Stellen zu besetzen. Schreinermeister Heiko Schmidt aus Ladenburg denkt inzwischen sogar über eine eigene Akademie nach. Seit einiger Zeit ist das Unternehmen, bei dem insgesamt 36 Beschäftigte arbeiten, in einem weiteren Geschäftsfeld aktiv, baut und wartet Aufzüge. „Ein sehr lukratives Geschäft“, sagt Schmidt – „aber wir haben hier einen Fachkräftemangel hoch zehn.“ Größere Aufträge in dem Bereich könne der Betrieb aktuell kaum noch annehmen. Da „Aufzugsbau“ gleichzeitig kein Ausbildungsberuf sei, überlege man, die nötigen Fachkräfte künftig in einer betriebseigenen Akademie zu schulen. (mit dpa)

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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