Kommentar Fachkräftemangel in der Region: Wir brauchen nicht nur Akademiker

Ohne Auszubildende keine Fachkräfte: Da sind sich eigentlich alle einig. Die eigenen Kinder sollen dann aber doch lieber studieren, denken viele - eine schwierige Ausgangslage

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Tatjana Junker
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Der Lieblingsbäcker um die Ecke macht die Filiale dicht, weil er niemanden findet, der die Brötchen verkauft. In der Arztpraxis geht gefühlt seit Monaten niemand mehr ans Telefon, bei dem man einen Termin vereinbaren könnte. Und der kaputte Rollladen im Schlafzimmer bleibt noch mindestens sechs Wochen geschlossen – der Handwerksbetrieb hat nicht genügend Leute, um die Aufträge schneller abzuarbeiten.

Was der vielzitierte Fachkräftemangel im Alltag bedeutet, erleben wir alle immer öfter am eigenen Leib. Auch dass die gigantischen gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen – Stichwort Klimawende – nicht bewältigt werden können, wenn keiner da ist, der die Wärmepumpe einbaut oder die Photovoltaikanlage montiert, ist kein Geheimnis.

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In krassem Gegensatz zur Allgegenwärtigkeit des Fachkräftemangels steht unterdessen das bescheidene Image, das die duale Berufsausbildung in weiten Teilen unserer Gesellschaft genießt. Zumindest in den Köpfen vieler Eltern herrscht die Idee vor, dass sie ihrem Kind sämtliche Chancen verbauen, wenn sie es nicht bis zum Abitur und anschließend an die Uni pushen können. Über eine Berufsausbildung wird höchstens als Plan B oder C nachgedacht – falls das mit dem Studium doch nicht klappt.

Wenn wir den Fachkräftemangel bewältigen wollen, brauchen wir aber beides: Menschen mit akademischem Abschluss und solche mit Berufsausbildung – wobei der Bedarf an letzteren künftig deutlich größer sein wird. Deshalb ist es essenziell, dass die berufliche Ausbildung mehr Wertschätzung erfährt.

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Das muss sich unter anderem an den Schulen widerspiegeln – auch an den Gymnasien. Dort liegt für viele Lehrerinnen und Lehrer der Fokus noch ganz klar darauf, die Jugendlichen auf eine akademische Laufbahn vorzubereiten. Das ist zwar einerseits verständlich, weil die Lehrkräfte selbst kaum Berührungspunkte mit dualen Ausbildungsberufen haben. Mit Blick darauf, dass inzwischen fast jedes zweite Kind nach der Grundschule auf ein Gymnasium wechselt, ist diese Ausrichtung aber zu eindimensional.

Gleichzeitig bleibt es auch Aufgabe der Betriebe, Überzeugungsarbeit zu leisten – indem sie gute Arbeitsbedingungen bieten. Die Bezahlung ist da nur ein Baustein. Genauso wichtig ist es, Entwicklungs-und Karrierechancen aufzuzeigen. Die gibt es in vielen Ausbildungsberufen reichlich – das muss in den Köpfen von Jugendlichen und Eltern aber noch präsenter werden.

Redaktion Wirtschaftsreporterin