Manfred Schnabel beginnt mit den guten Nachrichten. „Die Zahlen auf dem Ausbildungsmarkt gehen wieder nach oben“, sagt der Präsident der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar, als er am Montagmorgen über die Lehrstellensituation in der Region spricht. 1530 neue Ausbildungsverträge waren Ende Mai im Bezirk der Kammer eingetragen - das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von immerhin 9,5 Prozent.
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Damit sei man zwar noch nicht auf dem Niveau von vor der Pandemie angekommen, die, wie Schnabel es nennt, „ein harter Nackenschlag für die duale Ausbildung“ war. „Aber es zeigt sich ein deutlicher Erholungseffekt.“ Den kann auch Jörg Hofmann, Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein Neckar Odenwald, für seinen Bereich bestätigen. Im regionalen Handwerk waren bis Ende Mai ebenfalls deutlich mehr neue Ausbildungsverträge abgeschlossen als noch im Jahr zuvor.
Imagekampagnen auf Tiktok
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz machen beide Kammern aber auch deutlich: Es reicht noch nicht. IHK-Präsident Schnabel verweist unter anderem auf eine Umfrage der Kammer, wonach zuletzt 46,5 Prozent der Ausbildungsbetriebe im Bezirk nicht alle Lehrstellen besetzen konnten. Und auf rund 2800 offene Plätze, die bei den Arbeitsagenturen in der Region gemeldet seien. In der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer waren am Montag laut Hofmann noch 247 unbesetzte Ausbildungsplätze eingetragen. Um bei Jugendlichen für die duale Ausbildung zu werben, gibt es sowohl von der Handwerkskammer als auch von der IHK Imagekampagnen, unter anderem auf Tiktok. In Mini-Videos erzählen dort Auszubildende von ihren Berufen - möglichst jugendnah, möglichst authentisch.
Doch die Kammern wissen auch, dass es nicht reicht, nur die Schulabgänger zu erreichen. Eine ganz entscheidende Rolle spielten auch die Eltern, betont Handwerkskammerpräsident Hofmann. Problematisch sei aber, dass diese häufig gar nicht wüssten, wie viele unterschiedliche Ausbildungsberufe es gebe und welche Zukunftschancen sie böten. Gerade für Abiturienten werde zudem eine Berufsausbildung oft gar nicht in Betracht gezogen sondern zu einseitig in Richtung Studium geschaut, bedauern Hofmann und Schnabel.
Dabei gebe es gerade für junge Menschen mit Hochschulreife tolle Möglichkeiten im Ausbildungsbereich. IHK-Präsident Schnabel verweist auf den Fachinformatiker, sein Amtskollege Hofmann auf die relativ neue Ausbildung zum Elektroniker für Gebäudesystemintegration. Beides seien Beispiele für sehr anspruchsvolle Lehrberufe. „Die Zielgruppe sind hier auch Studienabbrecher, die sich möglicherweise doch noch für eine Berufsausbildung entscheiden“, sagt der Handwerkskammerpräsident.
Mehr Unterstützung wünschen sich die Kammern auch von den Schulen - insbesondere den Gymnasien. Dort würden die Schülerinnen und Schüler immer noch zu einseitig auf eine akademische Laufbahn vorbereitet und die Option duale Ausbildung wenig bis gar nicht thematisiert. „Auch wir als Kammern haben teilweise sehr schlechten Zugang zu den Gymnasien, wenn wir dort über duale Ausbildungsmöglichkeiten informieren wollen“, so IHK-Präsident Schnabel. Die Kammern drängen deshalb darauf, dass eine breit gefächerte Berufsorientierung an allen Schulen stattfindet und auch Lehrerinnen und Lehrer mehr Bezug zur Berufswelt mitbringen.
Hartnäckige Präferenzen
Als weiteres Hemmnis sieht Schnabel, dass bei der Berufswahl vieler junger Menschen nach wie vor starke geschlechtsspezifische Stereotype vorherrschen. So seien zuletzt bei den Auszubildenden in gewerblich-technischen Berufen nur rund 11 Prozent der Lehrlinge weiblich gewesen. „Das ist ein deprimierendes Ergebnis im Jahr 2023“, so der Kammerpräsident. „Dadurch geht man an Chancen vorbei. Wir brauchen hier mehr Offenheit“, sagt er.
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