Mannheim. Die Pressestelle der Deutschen Bahn ist am Dienstag schnell. Bereits gegen 10 Uhr am Morgen geht eine Mitteilung raus, Überschrift: „Ersatzverkehr an der Riedbahn ist reibungslos angelaufen“. Wie berichtet und zumindest allen Pendlerinnen und Pendlern in der Rhein-Neckar-Region bekannt: Am Montagabend gingen die Bauarbeiten auf der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt los. Bedeutet für die direkte Verbindung beider Städte: Die fällt aus. Fünf lange Monate bis Mitte Dezember.
Stattdessen heißt es umsteigen - in andere Züge, die die Riedbahnstrecke umfahren, oder auf den Schienenersatzverkehr, also Busse. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Auftakt“, lässt sich Felix Thielmann, Projektleiter Neuer Ersatzverkehr bei der DB Regio, in der Pressemitteilung zitieren. Die intensive Vorbereitung habe sich ausgezahlt.
Umständliche Anreise nach Lampertheim
Vor Ort sah das dann doch etwas anders aus. Michael zum Beispiel war um 7 Uhr morgens in Heidelberg losgefahren, sein Ziel: das BASF-Werk in Lampertheim. Voraussichtliche Ankunftszeit: 9.30 Uhr. Die Route: von Heidelberg mit dem Zug nach Mannheim, Umstieg in die Straßenbahn. Ziel: der Luzenberg. Von dort startet der Schienenersatzverkehr, kurz SEV.
Sanierungsfall Riedbahn
- Die Riedbahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim ist laut Deutscher Bahn einer der am stärksten genutzten Eisenbahn-Korridore in Deutschland. Pro Tag verkehren mehr als 300 Züge im Regional-, Fern- und Güterverkehr.
- Von Mitte Juli bis Mitte Dezember wird die 70 Kilometer lange Strecke nun generalsaniert.
- Dazu werden 380 000 Tonnen Schotter, 265 000 Schwellen und 120 Kilometer Gleise ausgetauscht. Außerdem werden 20 Bahnhöhe modernisiert und 15 Kilometer Schallschutzwände neu gebaut. sba
Die purpurfarbenen Busse hat die Bahn eigens neu angeschafft, sie werden die S-Bahnen und Regionalbahnen in den nächsten Wochen ersetzen (und anschließend im sonstigen Schienenersatzverkehr zum Einsatz kommen). Mit bis zu 1000 Fahrten pro Tag rechnet die Bahn, der Takt liegt zwischen fünf und 15 Minuten. Viel ist am Dienstagmorgen allerdings nicht los auf dem Luzenberg, Michael teilt sich den Bus mit einer weiteren Reisenden.
Züge zwischen Mannheim und Frankfurt verkehren weiter
Wer von Mannheim nach Frankfurt will, nutzt weiter die Bahn. Denn die fährt trotz Riedbahnsperrung ja weiterhin, sowohl ICEs als auch Regionalbahnen sind im Einsatz, die über Darmstadt beziehungsweise diverse Zwischenstopps an der Bergstraße Frankfurt erreichen.
Achim beispielsweise muss ein bis zwei Mal in der Woche von Mannheim in sein Büro bei der KfW, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, pendeln. Er macht eine einfache Rechnung auf: Wegen der maroden Riedbahnstrecke hätten die Züge ständig Verspätung gehabt. Nun dauere die Fahrt über die Alternativroute zwar länger, das falle aber nicht weiter ins Gewicht, sofern der Zug pünktlich sei und nicht immer wieder auf der Strecke stoppen müsse. Bei allem Verständnis für die Sanierungsmaßnahme ärgert er sich dennoch: „Die Schiene wurde viel zu lange vernachlässigt.“ Er arbeite in Projekten viel mit Schwellenländern weltweit zusammen, dort sei die Infrastruktur zum Teil besser in Schuss als in Deutschland.
Auch Dennis ist nicht allzu gut auf die Bahn zu sprechen. Seine Fahrtzeit von Heidelberg nach Frankenthal habe sich durch die Sperrung verdoppelt, und dass in den kommenden Monaten alles reibungslos läuft, bezweifelt er. „Ich befürchte, dass es nicht bei einer Stunde Fahrtzeit bleibt“, sagt er und besteigt den - allerdings pünktlich - eingefahrenen Regionalzug.
Optimismus beim Berufspendler
Sven ist klassischer Berufspendler, er fährt kreuz und quer durch die Bundesrepublik. Für Dienstagmorgen hat er sich extra einen Sitzplatz in der ersten Klasse des ICE nach Frankfurt reserviert. „Ich dachte, es wird knallevoll am ersten Tag der Riedbahnsperrung.“ Das Gegenteil ist der Fall. „Die Leute sind offenbar misstrauisch und nehmen in der ersten Zeit vielleicht lieber ihr Auto.“ So sitzt der Mannheimer fast allein im Abteil, erzählt er am Nachmittag, während er am Frankfurter Bahnhof auf einen Zug nach Köln, sein nächstes Ziel, wartet. Der Zug am Morgen nach Frankfurt sei fast pünktlich gewesen.
„Nur fünf Minuten Verspätung.“ Das ist für Sven nichts. In der Regel kommt er nach einer Arbeitswoche mit zwei bis vier Fahrgastrechteformularen in der Tasche nach Hause zurück - weil seine Züge nach Hamburg, Berlin, Basel eine, zwei und mehr Stunden Verspätung hatten. Trotzdem - der Vielfahrer begrüßt ausdrücklich, dass die Bahn nach Jahrzehnten Misswirtschaft, die die Vorgängerregierungen in Berlin zu verantworten hätten, den Investitionsstau behebt. „Zum ersten Mal wird wieder Geld ins System gegeben, und nur so können neue Kapazitäten geschaffen werden.“
Leander muss zum Frankfurter Flughafen. Dort arbeitet der 21-Jährige. „Nur noch bis August“, freut er sich, dann ziehe er nach Berlin. Die Strecke, die er an diesem Dienstagmorgen nutzt: zuerst mit dem Regionalexpress nach Mainz, dann mit der S-Bahn zum Flughafen.
Direkte Busverbindung von Mannheim zum Flughafen
Alternativ hätte er auch einen der Ersatzbusse besteigen können, die den Flughafen auf direktem Wege vom Mannheimer Hauptbahnhof aus bedienen. Rund eine Stunde dauert die Fahrt. Die Stimmung an der Bushaltestelle in der Heinrich-von Stephan-Straße ist etwas aufgeheizt, „Reisendenlenker“, wie die Koordinatoren laut Schriftzug auf ihren Westen heißen, sind damit beschäftigt, den Taxifahrern klar zu machen, dass sie hier in den nächsten Monaten nicht parken können. Weil die Busse der Bahn den Platz brauchen, ein Parkverbotsschild weist auf den „SEV“ hin. Duff ist mit seiner Frau auf Europareise. Was er zum öffentlichen Nahverkehr in Deutschland sage? „Great“, großartig, meint der Amerikaner. Etwas langsamer vielleicht als in anderen Ländern, fügt er dann noch an, schiebt die Koffer in die Ladeluke und besteigt den Bus.
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