Metropolregion. Irgendwann bekommt Kassandra immer recht. Schon bei der Vorlage des Schuldneratlas 2022 hatte Oliver Dangmann von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform eine steigende Verschuldung in der Metropolregion Rhein-Neckar prognostiziert. Doch die vom Geschäftsführer der Creditreform Mannheim und Heidelberg erwartete „Trendwende“ ist im vergangenen Jahr nicht eingetreten.
Versteht Dangmann zu wenig von seinem Geschäft? Gemach, es liegt nicht an ihm, dass sich seine Prognose nicht erfüllt hat. Schuld ist diesmal der Datenschutz, der dafür verantwortlich ist, dass die Zahlen des Schuldneratlas 2023 die „Rückkehr der Überschuldung“ nicht widerspiegeln. Weshalb Dangmann von einer „verdeckten Trendumkehr“ spricht.
Wie hoch ist die Überschuldungsquote in der Metropolregion?
Doch der Reihe nach: Die Überschuldungsquote war 2023 mit 8,39 Prozent so niedrig wie noch nie seit 2004 - dem Beginn der Erhebungen der Creditreform. 160 000 Menschen galten 2023 als überschuldet, das sind 10 000 Fälle weniger als im Vorjahr. Der Rückgang der Überschuldungsquote - die Zahl der Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen - lässt sich in allen 15 Kreisen und kreisfreien Städten der Metropolregion ablesen.
„Die vermeintlich guten Werte trügen leider“, sagt Dangmann, und liefert die Begründung dafür gleich nach: „Ohne statistische Sondereffekte messen wir bundesweit erstmals seit 2019 einen Überschuldungszuwachs.“ Hintergrund ist nach seiner Darstellung eine Verkürzung der Speicherfristen für Restschuldbefreiungen von bisher drei Jahren auf nun sechs Monate. Deshalb mussten rund 250 000 Überschuldungsfälle aus den Datenbanken gelöscht werden.
Nach alter Lesart gibt es in der Bundesrepublik Deutschland 2023 rund 17 000 Fälle mehr als im Vorjahr. Die Überschuldungsquote läge demnach bundesweit eigentlich bei 8,51 Prozent und damit leicht über dem Vorjahr. Dieser Sondereffekt wurde für die Metropolregion nicht extra ermittelt, dürfte sich aber im ähnlichen Verhältnis widerspiegeln. Und klar ist natürlich auch, dass der Sondereffekt beim Schuldneratlas 2024 keine Rolle mehr spielen wird. Die Verschuldungsquote wird dann wohl wieder steigen.
Experte rechnet mit höherer Verschuldungsquote
Mit Beginn der Corona-Krise hatten sich die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo verringert. Staatliche Hilfen und eine ausgeprägte Sparneigung schützten damals viele Verbraucher. Doch inzwischen hat sich die Lage verändert. „Die multiplen Krisen der letzten Monate, insbesondere die anhaltende Inflation und die hohen Zinsen, verteuern das Leben der Verbraucher stetig“, warnt Dangmann.
Der Experte erklärt auch, warum er einen Anstieg der Verschuldungsquote erwartet: „Die Konsumlust der Bürger wächst wieder, obwohl fast alles deutlich teurer ist. Das wird viele finanziell überfordern.“ Da die Folgen einer Überschuldung - Stichwort Privatinsolvenz - erst zeitverzögert auftreten, rechnen die Analysten mit steigenden Fallzahlen in den kommenden Monaten.
Die Überschuldungsquote in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg im Vergleich
Aber wie sehen die konkreten Zahlen aus?
- Mit Ludwigshafen, Worms, Mannheim und Frankenthal weisen vier kreisfreie Städte eine Überschuldungsquote im zweistelligen Bereich auf. Das bedeutet: Mehr als jeder Zehnte hat hier finanzielle Schwierigkeiten.
- Den höchsten Schuldneranteil findet man mit 14,28 Prozent erneut in Ludwigshafen.
- Worms folgt mit 11,99 Prozent, der Abstand zu Ludwigshafen hat sich aber noch einmal vergrößert - auf 2,29 Prozentpunkte.
- Im bundesdeutschen Gesamtranking von 400 Kreisen und kreisfreien Städten nehmen diese Städte ebenfalls hintere Plätze ein: Ludwigshafen landet auf Rang 390, Worms (369) und Mannheim (365) belegen ebenfalls die hinteren Plätze.
- Die geringste Überschuldung in der Metropolregion ist erneut in Heidelberg zu finden. Hier sank die Quote auf nur noch 5,12 Prozent. Bundesweit verliert Heidelberg allerdings ein paar Ränge und fällt von Platz 34 auf 43.
- Als einzige Stadt in Baden-Württemberg ist nur Tübingen weniger verschuldet. Die Spreizung innerhalb der Metropolregion beträgt inzwischen immerhin 9,16 Prozentpunkte.
Trotz des statistischen Sondereffekts, der den Anstieg der Überschuldungsquote verhindert hat, lässt sich die „Trendumkehr“ auch im Schuldneratlas 2023 an einer Stelle ablesen: Erstmals seit 2020 sind die Fälle der weichen Überschuldung wieder gestiegen. Es geht also nicht um Privatinsolvenzen, sondern um „nachhaltige Zahlungsstörungen“.
Die drastisch gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten haben den Verbrauchern enorm zugesetzt. Obwohl ihre finanziellen Mittel eingeschränkt sind, geben viele Menschen nach den Corona-Jahren ihre Kaufzurückhaltung auf. Das führt zu einer steigenden Nachfrage nach Ratenkrediten und „Kaufe jetzt, bezahle später“-Angeboten.
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