Mannheim. Im Streit um die jüngste Aufsichtsratswahl beim Softwarekonzern SAP steht eine Entscheidung bevor. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den jüngsten Anhörungstermin am Mannheimer Arbeitsgericht.
Um was geht es überhaupt?
Ist bei der direkten Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat im März 2024 alles mit rechten Dingen zugegangen? Genau das bezweifeln einige - und fechten die Wahl an. In den Anträgen vor dem Arbeitsgericht werden Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren behauptet (Az. 8 BV 7/24). Eingereicht wurden die Anträge von SAP-Beschäftigten, die teilweise Mitglieder des Betriebsrats sind. Manche der Antragsteller standen selbst auf der Wahlliste - erhielten nach Informationen dieser Redaktion allerdings nur Stimmen im einstelligen Prozentbereich.
Hat es schon einen Termin vor Gericht gegeben?
Ja, im Mai 2024. Dieser Gütetermin hatte allerdings keine Einigung gebracht. Ein geplanter Kammertermin im Herbst wurde wegen Krankheit abgesagt.
Und wie geht es jetzt weiter?
Das Mannheimer Arbeitsgericht will am 10. Februar eine Entscheidung verkünden. Das hat Ralf Büschler, Vizepräsident des Arbeitsgerichts, bei einem Anhörungstermin am vergangenen Donnerstag erklärt. Bis dahin will sich das Gericht Anträge und Stellungnahmen noch einmal genau anschauen. Bemerkenswert: Die Akte ist 1000 Seiten dick.
Welche konkreten Vorwürfe stehen im Raum?
Tatsächlich sind es viele verschiedene Vorwürfe, Büschler hat sie bei dem Anhörungstermin nochmals erläutert. Erstes Beispiel: Ein Kandidat soll angeboten haben, man könne die Wahlumschläge bei ihm abgeben, und er überbringe sie dem Wahlbüro. Darf jemand, der zur Wahl steht, selbst Wahlumschläge entgegennehmen? Büschler bemerkt, dass laut Rechtsprechung die Übermittlung von Wahlunterlagen durch einen Boten durchaus zulässig ist. Zweites Beispiel: SAP soll gegen das Neutralitätsgebot verstoßen haben, weil es einer Kandidatin ermöglicht worden sei, für Wahlwerbung auf einen größeren E-Mail-Verteiler zuzugreifen als andere Kandidatinnen und Kandidaten. Bei dem Anhörungstermin ist das der größte Diskussionspunkt.
Mehr zum Thema
Mehrere Minuten lang geht es zwischen zwei Anwältinnen hin und her, auch Antragsteller melden sich zu Wort. Wer hatte Zugriff zu welchen Verteilern? War es ein SAP-Verteiler oder nicht? Wie viele E-Mails wurden wann verschickt? Oft kommt ein Verteiler „Rot“ zur Sprache (in Anlehnung an den SAP-Standort St. Leon-Rot) und ein Verteiler „Hamburg“. So recht schlau wird man aus den Wortgefechten aber nicht.
Was sagt SAP dazu?
Das Unternehmen selbst äußert sich nicht zu dem laufenden Verfahren. Die SAP-Anwältin hat vor dem Arbeitsgericht mehrfach hervorgehoben, es habe bei der Wahl keine Verstöße mit Kausalzusammenhang gegeben. Mit anderen Worten: Die Ergebnisse seien nicht durch gravierende Fehler verfälscht worden.
Wer wurde im März direkt in den Aufsichtsrat gewählt?
Die Belegschaft hatte Eberhard Schick, Betriebsratsvorsitzender der SAP SE, sowie Nina Strassner, Personalerin und Arbeitsrechtlerin, in den Aufsichtsrat gewählt – mit jeweils rund zwölf Prozent der Stimmen. Wiedergewählt wurden Lars Lamadé (13,7 Prozent), der das weltweite Sponsoring bei SAP betreut und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist – und zudem Margret Klein-Magar als Vertreterin der Leitenden Angestellten. Für alle Personen wurde zudem ein Ersatzmitglied gewählt. Insgesamt wurden bei der Wahl 28 000 Stimmen abgegeben.
Was macht das Gremium so besonders?
Plätze in dem 18-köpfigen Aufsichtsrat sind begehrt, denn Mitglieder können über die Strategie des Unternehmens mitentscheiden und darüber, wie der Vorstand besetzt wird. Auch die Bezahlung ist attraktiv: Laut SAP-Geschäftsbericht haben einfache Aufsichtsratsmitglieder im Jahr 2023 größtenteils zwischen 200 000 und 300 000 Euro erhalten. Neuer Vorsitzender des Aufsichtsrats ist der finnische Ex-Nokia-Präsident Pekka Ala-Pietilä. Er hat SAP-Urgestein Hasso Plattner abgelöst.
Hat das alles Folgen für den amtierenden Aufsichtsrat?
Zumindest momentan nicht. Erst wenn die Anträge Erfolg hätten, müsste die Abstimmung für ungültig erklärt und wiederholt werden.
Vor dem Arbeitsgericht wird derzeit auch eine andere SAP-Angelegenheit geklärt. Um was geht es?
Schauplatz ist genauer gesagt das Landesarbeitsgericht in Mannheim, also die zweite Instanz. Es geht um Zahlungsklagen von Vorruheständlern. Am vergangenen Mittwoch und Donnerstag fanden dort Berufungsverhandlungen statt. Es gibt einen Vergleichsvorschlag: So ist SAP bereit, gegebenenfalls nicht nur den klagenden etwa 60 Personen, sondern allen sich im Vorruhestand befindlichen 1500 Beschäftigten eine Zahlung anzubieten. Bis Mitte März ist klar, ob der Deal zustande kommt. Wenn nicht, fällt das Gericht eine Entscheidung.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-sap-bleibt-die-aufsichtsratswahl-gueltig-_arid,2279143.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/firmen_firma,-_firmaid,13.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html