Mannheim. Nach dem Rücktritt der Geschäftsführung bei der insolventen Privatbrauerei Eichbaum sieht der Betriebsrat den Weg frei für eine Rettung des Unternehmens. „Aus unserer Sicht kann man hier von einem Etappensieg sprechen“, sagt Betriebsratssprecher Georg Dohr am Montag auf Anfrage dieser Redaktion. Unter neuer Führung bestehe nun die Chance, die angeschlagene Brauerei im Zuge der Planinsolvenz wieder zukunftsfähig aufzustellen. „Zwischen der neuen Geschäftsführung und dem Betriebsrat gibt es einen gemeinsamen Willen: Oberstes Ziel bei allen weiteren Schritten ist der Erhalt des Standorts und möglichst vieler Arbeitsplätze“, glaubt Dohr.
Die Mannheimer Eichbaum-Brauerei hatte am vergangenen Dienstag beim Amtsgericht Mannheim einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Am Freitag gab das Unternehmen dann bekannt, dass Geschäftsführer Andreas Hiby-Durst, der gleichzeitig Inhaber von Eichbaum ist, seinen Posten abgibt, ebenso wie sein Mit-Geschäftsführer Markus Lopsien.
An ihrer Stelle hat nun eine Sanierungsgeschäftsführung übernommen: Sie besteht neben dem Restrukturierungsspezialisten Frank Reifel (Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung FALK Mannheim) aus dem langjährigen Eichbaum-Vertriebschef Uwe Aichele. Unterstützt werden die beiden durch Christoph Glatt (Kanzlei Schiebe und Collegen), der als Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht zum Generalbevollmächtigten bestellt worden ist.
„Gänsehautfeeling“ bei der jüngsten Betriebsversammlung der Eichbaum Brauerei
In der Belegschaft habe die Nachricht vom Wechsel an der Unternehmensspitze für „extreme Beruhigung“ gesorgt, Betriebsratssprecher Dohr berichtet gar von „Gänsehautfeeling“ bei einer Betriebsversammlung am vergangenen Freitag. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Die Entspannung war direkt spürbar“, sagt er. Für den morgigen Dienstag habe die neue Geschäftsführung nun zu einer Belegschaftsversammlung geladen. Dort sollen die Mitarbeitenden weitere Informationen bekommen - zum Beispiel rund um das Insolvenzgeld.
Eichbaum hatte am Freitag in einer Mitteilung verkündet, der Antrag auf Eigenverwaltung solle „einen Neuanfang markieren“. Ziel sei es, die traditionsreiche Brauerei in Mannheim zu erhalten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Ihm sei bewusst, dass damit „eine große Aufgabe vor uns liegt“, wurde Sanierungsgeschäftsführer Reifel in dem Schreiben zitiert.
Insolvenz in Eigenverwaltung
- Eichbaum strebt eine Planinsolvenz in Eigenverwaltung an. Die Planinsolvenz ist ein verkürztes Insolvenzverfahren .
- Unter Eigenverwaltung bedeutet, dass das Unternehmen während des Verfahrens die Verfügungsgewalt behält und damit entscheidungs- und handlungsfähig bleibt.
- Zügig muss ein Sanierungsplan erstellt werden.
- In diesem Falle gibt es zwar keinen Insolvenzverwalter, dafür aber einen Sachwalter . Dieser übt Aufsichts- und Kontrollfunktionen aus, um sicherzustellen, dass Gläubiger geschützt werden.
Welche Pläne Eichbaum für die Zukunft hat
Das dem Gericht vorgelegte Sanierungskonzept sehe vor, die Vertriebsaktivitäten zu verstärken und neue Märkte, insbesondere im Bereich ,,Ready-To-Drink“ (trinkfertige gemixte Cocktails oder Longdrinks), zu erschließen. „Ziel ist es, sich vom reinen Bierbrauer zum Getränkehersteller zu entwickeln.“ Erste vielversprechende Kontakte bei der Investorensuche gebe es bereits.
Der vom Amtsgericht bestellte Sachwalter, der Mannheimer Rechtsanwalt Thomas Oberle, begleitet das Insolvenzverfahren. Wie die Insolvenzordnung vorschreibt, muss der Schuldner – also die Brauerei – eine Eigenverwaltungsplanung vorlegen. Diese sei vorhanden und erscheine plausibel, hatte der Rechtsanwalt Ende vergangener Woche gesagt. Nach dem „allerersten Überblick“ sei so viel Masse vorhanden, dass das Unternehmen in der Insolvenz gerettet werden könne. „Ich sehe gute Chancen für eine Weiterführung“, so Oberle, gibt aber zu bedenken: „Wir sind erst ganz am Anfang.“
Als wesentlichen Grund der finanziellen Schwierigkeiten der Brauerei macht der Sachwalter nach der ersten Ansicht der Unterlagen „erhebliche Umsatzeinbrüche aus dem Russland-Geschäft“ aus. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 haben sich viele deutsche Unternehmen aus Russland zurückgezogen. Eichbaum exportierte jedoch zunächst weiter. Früheren Angaben zufolge betrug der Ausstoß nach Russland rund ein Sechstel des Gesamtausstoßes von Eichbaum.
Eichbaum selbst teilt dazu mit, die Situation habe sich im Laufe der letzten Monate zunehmend verschärft. „Wie viele andere exportstarke Unternehmen steht Eichbaum einer schwierigen allgemeinen Gemengelage gegenüber, die durch Deglobalisierungs-Tendenzen in Folge der Corona-Pandemie, unruhige geopolitische Verhältnisse sowie eine zunehmend unberechenbare Zollpolitik in wichtigen Absatzmärkten geprägt ist.“ Hinzu komme der hohe Preis- und Wettbewerbsdruck auf dem Biermarkt, der sich durch den in diesem Jahr ungewöhnlich stark gesunkenen Pro-Kopf-Verbrauch an Bier weiter intensiviert habe, sowie die bekannten Probleme in der Gastronomie.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-rettung-fuer-insolvente-eichbaum-brauerei-_arid,2337819.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-wie-es-bei-eichbaum-in-mannheim-jetzt-weitergeht-_arid,2337716.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Eichbaum-Insolvenz: Verhalten des Managements ist unverantwortlich