Mannheim. „Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?“ Diese Frage warf Richard David Precht in einem seiner frühen Bücher auf. Den Philosophen und Publizisten haben die Wirtschaftsjunioren Mannheim-Ludwigshafen und der Landtechnikhersteller John Deere als Redner wie Diskutanten zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Bei dem spannenden Abend über Chancen und Herausforderungen der digitalen Revolution kristallisiert sich als eine der Botschaften heraus: Künstliche Intelligenz wird viele bislang von Menschen ausgeführte Aufgaben übernehmen - aber nie ein „Ich“ entwickeln.
Die Veranstalter haben bei ihrer Begrüßung Grund zur Freude: Das John-Deere-Forum ist knallvoll, als bei der diesjährigen Flaggschiffdebatte „Neudenken“ das Potenzial, aber auch Grenzen von KI ausgeleuchtet werden. „Sie haben in den nächsten 40 Minuten das Recht auf Protest verwirkt - und müssen dafür auf die Diskussion warten!“ Mit Witz und Ironie verknüpft der Stargast seine Betrachtungen über selbst lernende Maschinen und nie auslernende Menschen.
KI unterscheidet nicht zwischen gut und böse
Auch wenn Precht zwischendurch gern mal sperrige Philosophie-Begriffe einstreut, so zeichnet seine eloquenten Analysen aus, dass diese anschaulich, teilweise auch amüsant präsentiert werden. Erhellende Aha-Momente inbegriffen. Weil sich beispielsweise nur schwer auf den Punkt bringen lässt, zu was KI alles fähig ist, erläutert der Autor des Buches „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“ , was selbst mit unzähligen Datensätzen und Algorithmen gefütterte Maschinen nicht können: Emotionen entwickeln. „Die werden allenfalls simuliert“, so Precht.
Noch etwas anderes spricht der Philosoph KI ab: Jene hin- und herflackernde, von der Jetzt-Situation wegdriftende Aufmerksamkeit, die Menschen zu Fantasie beflügelt. Und weil Moral weit mehr als ein Abwägen von gut und schlecht beziehungsweise Glück und Leid bedeute, ist Precht überzeugt: Auch ein Super-Roboter wird nie „moralfähig“ sein. „Deshalb müssen wir über Verantwortlichkeiten nachdenken.“ Auch beim autonomen Fahren. Da dränge sich die Frage auf, welche „Handlungsvollmachten“ einem selbst agierenden Auto übertragen werden dürfen.
Und welche Vor- und Nachteile bringt Künstliche Intelligenz, insbesondere das Tool ChatGPT, für Unternehmen? Darum kreist die von dem Wirtschaftsinformatiker Peter Buxmann (TU Darmstadt) moderierte Debatte. Tilman Krauch, Vorstandsmitglied des Weinheimer Technologiekonzerns Freudenberg, schildert, wie wichtig beim Recyceln von Material ist, dass Maschinen unterschiedlich beschaffene Stoffe identifizieren und entsprechend Verarbeitungsprozesse steuern.
Was sich Precht von der Schulbildung wünscht
Als riesige Herausforderung nennt der Manager das Gewährleisten von Garantie wie Haftung. Wie soll man mit Erfindungen umgehen, die von „schlauen“ Systemen stammen? Krauch: „Bislang sind Patentrechte an Personen gebunden.“
„Digital Farming“ - dafür hat bei John Deere längst die Zukunft begonnen. Stefan Stahlmecke, Regional-Direktor der „Intelligent Solutions Group“, hat eine Vision: Dass Landmaschinen für Feld und Furche eines Tages mittels KI Nutzpflanzen sicher von Wildwuchs unterscheiden - was den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln senken würde.
Als sich das Podium öffnet, stellt das Publikum querbeet Fragen. Auch zur Bildung. Und da wünscht sich Precht weniger vollgestopfte Lehrpläne, dafür „eine längere Leine“ für Schulen - auf dass Lernen mit Neugier ohne Langweile ermöglicht wird.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-richard-david-precht-in-mannheim-ueber-ki-und-emotionen-_arid,2136177.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Cawa Younosis Abschied bei SAP ist ein Beben in Walldorf