„Respekt für Dich“ - mit diesem Wahlslogan hat Olaf Scholz bei der Bundestagswahl 2021 um Stimmen für sich und seine SPD geworben. Wir wissen natürlich nicht, ob Hans-Jürgen Funke ihn gewählt hat - er ist Geschäftsführer des Verbands für Energiehandel Südwest-Mitte (VEH), der seinen Sitz in Mannheim hat. Aber Funkes Worten ist bei der virtuellen Pressekonferenz zu entnehmen, dass er den notwendigen „Respekt“ in der Bundesregierung für seine Branche vermisst. Das ärgert Funke gewaltig, dennoch tritt er nicht als knallharter Lobbyist auf und stimmt bei seiner Kritik einen sachlichen Ton an.
Sein Verband kümmert sich um die Interessen von rund 350 überwiegend mittelständischen Mitgliedsfirmen in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen. Die Unternehmen decken 80 Prozent des Marktes im Verbandsgebiet ab, bundesweit liegt der Marktanteil bei einem Drittel. Das Problem: Die Händler verdienen ihr Geld überwiegend mit dem Verkauf von fossilen Brennstoffen, die eine ganze Menge CO2 in die Atmosphäre pusten. Sie wollen aber nicht die Schmuddelkinder der Energiewende sein, mit denen man ja nicht spielen soll.
Der VEH sieht sich ohnehin zu Unrecht in die Ecke der Klima-Bremser gestellt, die mit ihrem antiquierten Denken die Energiewende torpedieren würden. Im Gegenteil: „Wir möchten als Branche einen aktiven Part in der Transformation des Wärmemarkts und der Mobilität einnehmen“, sagt VEH-Vorsitzender Thomas Rundel, der als Energiehändler in Singen tätig ist. Nur: „Dafür erwarten wir von der Politik, dass die viel versprochene Technologieoffenheit nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt.“ Und damit es auch jeder versteht, schiebt Rundel nach: „Einfach gesprochen könnte man sagen, die Bundesregierung bremst an dieser Stelle den Klimaschutz.“
Jeder zehnte Energiehändler fürchtet um seine Existenz
Was meint Rundel damit? Der VEH-Vorsitzende lobt, dass Dieselautos ab April klimafreundlichen Sprit aus Abfallstoffen (HVO) tanken können. Schön. Aber damit bereitet Rundel seine Attacke vor: „Diesen Schritt erwarten wir nun auch für den Wärmemarkt. HVO als Bioheizöl ist vorhanden, kann vertrieben werden, es fehlt aber die gesetzliche Regelung und damit auch die Zulassung.“
Unstrittig ist, dass der Verband schon seit Jahren auf CO2-neutrale Energieprodukte setzt - also synthetische Brennstoffe (E-Fuels) oder biogene flüssige Brennstoffe (Bio-Fuels). Allerdings wären diese im Vergleich zu Gas oder Öl viel teurer. Das könnte sich wohl nur ändern, wenn sie im größeren Umfang eingesetzt würden.
Die Händler werben außerdem für Hybridsysteme, die Öl- und Gas-Heizungen mit einer Wärmepumpe oder Photovoltaik auf dem Dach kombinieren. „Aber da gibt es natürlich Grenzen. Auf dem flachen Land ist eine Wärmepumpe in einem schlecht isolierten Gebäude Unsinn“, sagt VEH-Geschäftsführer Funke und kritisiert, dass die Bundesregierung sich bei der Wärmewende zu sehr auf „elektrische Wärmepumpen sowie auf Nah- und Fernwärmenetze“ konzentriert. Da wären wir wieder bei den E- und Bio-Fuels, von denen sich der Verband wahre Wunderdinge erwartet. Die Händler stellen dagegen in einer - allerdings nicht repräsentativen Umfrage - klar, dass für sie der Absatz von Diesel und Heizöl weiter „zentrale Geschäftssäulen“ seien.
Umso alarmierender ist es, dass drei Viertel der Händler mit Blick auf ihr Geschäft eher pessimistisch in die Zukunft blicken. Jeder Zehnte fürchtet gar um seine Existenz. Die Branche verteufelt die Wärmewende nicht, sie sieht im Ausbau des Handels mit Bio-Brennstoffen oder dem Einstieg in das Geschäft mit den Erneuerbaren Energien eine Perspektive. Wie immer in Zeiten des Umbruchs und der Transformation herrscht aber Unsicherheit.
Das liegt auch daran, dass bei der Klimawende zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit eine große Lücke klafft. Das gilt auch für den Wärmemarkt. Knapp 75 Prozent der 2,5 Milllionen Wohngebäude in Baden-Württemberg werden gegenwärtig noch immer mit Öl und Gas geheizt. Die Erneuerbaren Energien spielen auf dem Wärmemarkt kaum eine Rolle. Umso schlimmer, dass die Ampel mit ihrer unprofessionellen Performance viele Menschen verunsichert hat. Mit dem Gebäudeenergiegesetz wollte sie die Rahmenbedingungen setzen. Das hat - anders als der VEH sieht - zwar nichts mit „Planwirtschaft“ (Funke) zu tun. Doch der Bundesregierung ist es nicht gelungen, den Leuten richtig zu erklären, was eigentlich Sache ist. Dabei ist das Gesetz dieses Jahr in Kraft getreten.
Bundesweiter Rekordumsatz bei neuen Öl- und Gasheizungen
Viele Eigentümer haben sich jedenfalls bis Ende 2023 eine neue Öl- oder Gasheizung einbauen lassen. Das löste einen bundesweiten Rekordabsatz aus. „In einigen Regionen haben sich die Zahlen sogar verdoppelt“, sagt Funke. Ob es klug ist, sich eine neue Gasheizung zu kaufen, die theoretisch klimafreundlichen Wasserstoff verarbeiten kann, steht auf einem anderen Blatt. Die fossilen Brennstoffe werden auf Dauer teuer. Die CO2-Abgabe ist zum Jahreswechsel wieder gestiegen. Allerdings hat sich das nach Verbandsangaben nicht preistreibend ausgewirkt. Anders als bei der Fernwärme - in manchen Gegenden müssen die Kunden das Doppelte zahlen.
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