Justiz

Prozessauftakt in Mannheim nach millionenschwerem Onlinehandel-Betrug

Zwei Männer und eine Frau sollen dabei geholfen haben, Anleger per Onlinehandel-Betrug um insgesamt 5,1 Millionen Euro zu bringen. Jetzt ging der Prozess am Mannheimer Landgericht los

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Einer der drei Angeklagten (l.) steht im Verhandlungssaal des Mannheimer Landgerichts vor der Richterbank. © Uwe Anspach/dpa

Mannheim. „Cybertrading-Fraud“ heißt jener Anlagebetrug, den man als virtuelle Märchenstunde rund um sagenhafte Gewinnversprechungen, Luftschlösser und Wölfe im Schafspelz umschreiben könnte. Und darum geht es vor dem Mannheimer Landgericht in einem am Dienstag gestarteten Prozess. Zwei Männer und eine Frau, denen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug zur Last gelegt wird, sollen mitgewirkt haben, 529 Anleger um 3,4 Millionen Euro zu bringen. Dazu kommen weitere Fälle in Millionenhöhe, für die sich zwei der drei Angeklagten verantworten müssen - so dass sich der ermittelte Schaden auf über fünf Millionen summiert.

Die Masche läuft stets ähnlich ab, betont Ankläger Bernhard Ebinger von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, wo seit Jahresbeginn das für ganz Baden-Württemberg zuständige Cybercrime-Zentrum angedockt ist. Zu dem spezialisierten Team mit 50 Stellen gehören nicht nur Juristen, sondern auch IT-Forensiker.

Hinter Onlinehandel-Betrug steht ein ausgeklügeltes Konzept: In Nachrichtenportalen wie auf Social-Media-Seiten tauchen mittels gekaufter Werbeflächen kaschierte Anzeigen auf, die wie Artikel von Zeitungen oder der Tagesschau-Redaktion aussehen. Diese sind freilich genauso professionell gefälscht wie Aussagen von (nichtsahnenden) Prominenten, die sich angeblich begeistert über Geldanlagen äußern, die zu ihrem eigenen Vermögen beigetragen hätten.

Wer einen der Links zu den genannten Finanzdienstleitern anklickt, gerät in die Fängen eines Beraters, der nicht nur Traumrenditen verspricht, sondern geschickt Vertrauen aufbaut. Deshalb werden zunächst Investitionen mit kleineren Summen zwischen 250 bis 500 Euro als „First-time- Deposit“ empfohlen. Sobald auf dem manipulierten Online-Kundendepot vermeintliche Gewinne nach oben schnellen, drängt der persönliche Finanzberater zu immer höheren Beträgen, die allerdings nie einer der gepriesenen Kapitalanlagen zugeführt werden. Wenn Kundinnen und Kunden Geld zurück oder Gewinne ausbezahlt haben wollen, werden plötzlich Steuern oder andere Ausflüchte vorgeschoben, ehe die Plattformen gänzlich verschwinden.

Generalstaatsanwaltschaft sieht „arbeitsteiliges“ Vorgehen

Auch wenn es vor der Wirtschaftsstrafkammer um Schaden in Millionenhöhe geht, sitzen auf der Anklagebank keineswegs Drahtzieher. Denn die agieren samt Call-Centern in anderen Staaten. Den zwei Männern (Jahrgang 1971 und 1984) und der 42-jährigen Frau wirft die Generalstaatsanwaltschaft vor, in „arbeitsteiligem“ Zusammenwirken mit nicht konkret bekannten Betreibern betrügerischer Cybertrading-Plattformen verschiedene Briefkastengesellschaften gegründet, in Deutschland Konten eröffnet, Geldeingänge überwacht, Überweisungen an Dritte beziehungsweise ins Ausland vorgenommen zu haben.

Der 53-Jährige stammt aus Rumänien und ist für ein ähnliches, in Göttingen laufendes Verfahren ausgeliefert und vor einigen Tagen zur Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Mannheim gebracht worden. Wie die ebenfalls inhaftierte Mitangeklagte, die in der Ukraine zur Welt kam, besitzt der Älteste des angeklagten Trios eine israelische Staatsbürgerschaft.

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Die verlesene Anklage schildert, wer von dem Trio an den elf aufgelisteten Fällen während des hauptsächlichen Zeitraums 2018 und 2019 in welcher Funktion beteiligt war. Der 53-Jährige und die 42-Jährige sollen als aufgestiegene Verbindungsleute anteilige Provisionen, beispielsweise 2,5 Prozent der geflossenen (Opfer-)Gelder, kassiert haben. Der in Baden-Baden lebende 40-Jährige, der auf freiem Fuß ist, wurde laut der Ermittlungen mit monatlich 2500 Euro honoriert.

Im Gerichtssaal herrscht an den Tischen drangvolle Enge: Sieben Anwälte quer durch die Republik vertreten die drei Angeklagten. Außerdem übersetzen zwei Dolmetscherinnen ins Russische wie Englische. Der Vorsitzende Richter Andreas Lindenthal gibt bekannt, dass mit den Parteien keine Vorgespräche, gemeinhin „Deals“ genannt, geführt wurden. Ausdrücklich betont er: Frühe Geständnisse beziehungsweise Teileinräumungen, die zu einer „umfassenden Sachaufklärung“ und damit zur Verkürzung des Verfahrens beitragen, hätten „einen hohen Stellenwert“.

Opfer mit „Totalverlust“ von mehreren Hunderttausend Euro

Ob die drei Angeklagten, sich jeweils zur Sache äußern oder lieber schweigen, lassen ihre Verteidiger am Eröffnungstag offen. Der Vorsitzende Richter kündigt an, dass zu den geladenen Zeugen auch einige der geschädigten Anleger gehören. In der Anklage ist von Opfern die Rede, deren „Totalverlust“ mehrere Hunderttausend Euro beträgt

Die Sitzungstermine reichen bis in den März kommenden Jahres. Lindenthal macht keinen Hehl daraus, dass er an einer transparenten wie zügigen Verhandlung interessiert ist - „wir müssen in diesem Verfahren nicht unbedingt zu einer Lebensabschnittsgemeinschaft werden“. Sein Hinweis kommt nicht von ungefähr. Schließlich mehren sich Wirtschaftstrafprozesse mit extrem langer Dauer. Beispielsweise sind in dem vor einigen Monaten beendeten Mannheimer Mammutprozess um Aktien-Markmanipulation die Urteile nach 75 Verhandlungstagen gefallen.

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