Mannheim. Das Kochen ist nicht das Problem. Das macht Hashar Yunis richtig gerne. Die Schwierigkeiten fangen an, wenn Yunis ein Rezept lesen soll. Oder eine Bestellung, die die Servicekraft in die Küche bringt. Denn lesen - das hat der 19-jährige Iraker in seiner Heimat nie gelernt. Genau so wenig wie das Schreiben. „Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und war nie in einer Schule“, erzählt der junge Mann, der seit knapp zwei Jahren in Deutschland lebt.
Dass Yunis heute trotzdem in der Küche des Mannheimer Restaurants Kombüse steht und dort zum Fachpraktiker Küche - also zum Beikoch - ausgebildet wird, hat er auch Jonathan Sternberg zu verdanken. Der betreibt das Lokal im Szeneviertel Jungbusch und hat den jungen Geflüchteten als Lehrling eingestellt. Dass Yunis Analphabet ist, war für den Gastronom vielleicht eine Herausforderung - ein Ausschlusskriterium war es nicht. „Jeder Mensch soll eine Chance bekommen“, glaubt Sternberg.
Sozialpädagogen unterstützen
Und er hat mit dieser Einstellung gute Erfahrungen gemacht. In Kontakt mit dem Mannheimer Verein Förderband, der benachteiligte Jugendliche beim Schritt in die Ausbildung unterstützt, hat er schon einmal einen Lehrling eingestellt. „Der hat seinen Fachpraktiker Küche bestanden und macht jetzt noch eine Ausbildung zum Koch bei einer Versicherung“, erzählt Sternberg.
Auch mit seinem aktuellen Azubi Hashar Yunis ist er zufrieden. „Am Anfang haben wir ihm die Rezepte vorgelesen. Aber er lernt sehr schnell“, sagt der Gastronom. „Lesen und schreiben war erst sehr schwer, aber jetzt geht es besser“, sagt auch Yunis. Um schneller voranzukommen, habe er auch seine Urlaubstage für Deutschunterricht genutzt.

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Unterstützt wird der junge Mann von der Agentur für Arbeit in Mannheim - und zwar durch das Projekt „Assistierte Ausbildung“, kurz AsA. Es richtet sich an junge Menschen, die Schwierigkeiten während ihrer Lehre haben. Sei es, weil sie in der Berufsschule nicht richtig mitkommen und Förderbedarf haben oder weil es Probleme im Betrieb gibt. „Manche Jugendliche begleiten wir die ganze Ausbildung über, andere brauchen nur Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung“, sagt Gabriele Ritter, Teamleiterin Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit Mannheim. Die Behörde arbeitet bei AsA mit dem Weiterbildungsträger USS zusammen.
Dort hat Hashar Yunis zum Beispiel jede Woche drei Schulstunden Unterricht, meistens in Deutsch. Dazu kommen regelmäßige Gespräche mit Sozialpädagogen, die unterstützen, wo gerade Bedarf ist. „Das kann ganz unterschiedlich sein. Manche haben Mietschulden oder andere private Probleme. Andere müssen erst einmal lernen, wie man richtig lernt oder brauchen Hilfe bei Anträgen“, erklärt Alexandra Stolla, die bei USS für die AsA-Maßnahme verantwortlich ist.
Jeder vierte schmeißt hin
„Auch wenn es im Ausbildungsbetrieb zwischenmenschliche Probleme gibt, kann man gemeinsam überlegen, wie man das am Arbeitsplatz am besten anspricht.“ Insgesamt gebe es durch das Programm einfach noch einen „zusätzlichen Kümmerer“, der den oder die Jugendliche unterstütze, so Stolla.
Wir merken bei unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr stark, dass in den letzten Jahren vieles in den Schulen nicht vermittelt worden ist.
Finanziert wird das Angebot komplett durch die Agentur für Arbeit. Ziel ist es Ritter zufolge unter anderem, dass die Jugendlichen ihre Ausbildung zu Ende bringen. „Rund 25 Prozent brechen ihre Lehre in den ersten sechs Monaten ab“, sagt die Berufsbildungsexpertin. Hier soll die Assistierte Ausbildung gegensteuern.
In anderen Fällen käme ein Lehrlingsvertrag vielleicht sogar erst zustande, weil es das Unterstützungsangebot gebe, glaubt Denny Krupp, Sprecher der Agentur für Arbeit Mannheim. „Wir ermutigen die Unternehmen, sich auch schwächere Bewerberinnen und Bewerber anzuschauen, die sie auf den ersten Blick vielleicht nicht einstellen würden. Da können wir dann gezielt auf die Förderung verweisen.“ Für die Agentur für Arbeit ist jeder junge Mensch, der so in eine Ausbildung vermittelt werden kann, ein Erfolg: Wer den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt nicht schafft, muss schließlich anderweitig versorgt werden oder landet irgendwo in einem Helferjob.
Aktuell werden 144 Jugendliche in Mannheim durch das AsA-Programm unterstützt - und es dürfen mehr werden. „Wir würden uns wünschen, dass Betriebe und Jugendliche früher auf uns zukommen, wenn es Probleme gibt - und nicht erst, wenn es schon richtig brennt“, sagt Teamleiterin Ritter. Manchen Jugendlichen rate die Agentur für Arbeit schon bei der Vermittlung einer Lehrstelle, sich Unterstützung über die Assistierte Ausbildung zu holen. „Aber viele wollen erst einmal so anfangen und schauen, ob sie es alleine schaffen.“
Auch Corona spielt eine Rolle
Der Bedarf an Unterstützung ist nach Einschätzung von Behördensprecher Krupp unterdessen gestiegen: „Weil es Unternehmen immer schwerer fällt, genügend Kandidaten für ihre Ausbildungsplätze zu finden, werden auch öfter Jugendliche genommen, die nicht die besten Voraussetzungen und schulischen Leistungen mitbringen. Da kann das AsA-Programm hilfreich sein“, sagt er. USS-Mitarbeiterin Stolla glaubt, dass auch Corona die Situation verschärft hat. „Wir merken bei unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr stark, dass in den letzten Jahren vieles in den Schulen nicht vermittelt worden ist.“
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