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Nach Verkauf: Arbeitsplätze bei Lamy in Heidelberg "sehr, sehr sicher“

Der Heidelberger Füllerhersteller Lamy gehört seit Kurzem dem japanischen Unternehmen Mitsubishi Pencil. Warum sich die bisherige Eigentümerfamilie zum Verkauf entschlossen hat - und wie nun auch Harry Potter helfen soll

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Tatjana Junker
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Steffen Rübke (l.) und Peter Utsch in der Produktion des Heidelberger Füllerherstellers. © dpa/Philipp Rothe

Heidelberg. Herr Rübke, Herr Utsch, seit Kurzem gehört Lamy offiziell dem Unternehmen Mitsubishi Pencil mit Sitz in Tokio. Können Sie schon ein paar Worte Japanisch?

Steffen Rübke: Nach meiner Schulzeit bin ich 1992 mit meinem besten Freund nach Japan gereist - er ist Halb-Japaner. Ich war von dem Land so begeistert, dass ich danach ein Semester Japanisch studiert habe. Für eine richtige Konversation müsste ich meinen Wortschatz allerdings deutlich auffrischen.

Hat sich der neue Besitzer schon bei der Heidelberger Belegschaft vorgestellt?

Peter Utsch: Ja. Shigehiko Suhara, der CEO von Mitsubishi Pencil, war persönlich in Heidelberg und hat vor den Mitarbeitenden gesprochen - sogar noch bevor er die Übernahme im eigenen Unternehmen verkündet hat. Außerdem hat er sich der Belegschaft mit ein paar deutschen Worten vorgestellt, die er zuvor im Flieger gelernt hat. Das hat sicher auch zur Sympathie beigetragen.

Die Verunsicherung, die ein Verkauf für Beschäftigte mit sich bringt, dürfte damit allein aber nicht ausgeräumt gewesen sein...

Utsch: Ich weiß nicht, ob Verunsicherung das richtige Wort ist. Ich denke, es war eher eine Überraschung. Schließlich haben wir unsere Vertriebs- und Umsatzstrategie in den letzten Jahren stark auf Langfristigkeit und Fortbestehen ausgerichtet. Am Standort läuft ein Investitionsprogramm, bei dem wir bereits bis heute mehr als 20 Millionen Euro investiert haben. Dieses Geld hat Lamy nicht mit Krediten finanziert, sondern selbst erwirtschaftet. Trotzdem haben wir unter dem Strich noch Gewinne geschrieben. Wir sind also ein wirtschaftlich starkes Unternehmen. Da mag die Entscheidung für einen Verkauf überraschen. Viele Firmen tun das ja eher vor einem anderen Hintergrund, nämlich, wenn es kriselt.

Lamy: Verkauf nach drei Generationen

  • Steffen Rübke ist seit 2022 Vorsitzender der Geschäftsführung bei Lamy in Heidelberg.
  • Peter Utsch verantwortet als COO/CFO u.a. die Bereiche Produktion und Finanzen. Beide werden Lamy auch nach der Übernahme durch Mitsubishi Pencil führen.
  • Bei Lamy arbeiten aktuell rund 350 Menschen. 2023 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von rund 77 Mio. Euro und einen Gewinn von 3,7 Mio. Euro.
  • Drei Generationen lang war das Heidelberger Unternehmen im Besitz seiner Gründerfamilie Lamy. Ende Februar gab diese bekannt, dass sie sämtliche Anteile an Mitsubishi Pencil verkauft. Der Stifthersteller mit Sitz in Tokio beschäftigt weltweit mehr als 2700 Menschen und erzielte 2023 einen Umsatz von 74,8 Milliarden Yen (rund 458 Mio. Euro). 

Wenn Lamy so gut aufgestellt ist - warum hat sich die bisherige Eigentümerfamilie dann für einen Verkauf entschieden?

Rübke: Das war das Ergebnis eines langen Prozesses, bei dem es darum ging, Lamy bestmöglich in die Zukunft zu führen. Wir haben ja schon vor längerer Zeit begonnen, unser Geschäft einer kritischen Bewertung zu unterziehen: Wir wollten weg vom schnellen Wachstum um jeden Preis und hin zu mehr Nachhaltigkeit. Dafür haben wir in den letzten Jahren teils bewusst auf Umsätze verzichtet. Im nächsten Schritt haben wir uns angeschaut, welche Potenziale die Marke Lamy hat - und da gibt es noch einiges zu heben.

Nämlich?

Rübke: Zwei Beispiele: Deutschland macht gerade einmal 17 Prozent des europäischen Schreibgerätemarkts aus. Der Rest verteilt sich auf andere Länder. Dort wiederum ist Lamy - anders als auf dem deutschen Markt - bisher vergleichsweise wenig präsent. Das heißt: Selbst vor unserer unmittelbaren Haustür haben wir noch einiges an Marktentwicklung zu leisten. Zweites Beispiel: Der Schreibgerätemarkt in Brasilien ist ähnlich groß wie der deutsche. In Deutschland macht Lamy einen zweistelligen Millionenumsatz, in Brasilien 100 000 Euro. Es gibt also einige Märkte, in denen die Marke ihr Potenzial längst nicht ausschöpft.

Und diese Potenziale hätte man ohne einen Verkauf nicht heben können?

Rübke: Die Frage war eher: Macht es Sinn, diesen Schritt alleine zu gehen? Lamy ist aktuell in 80 Ländern aktiv und arbeitet dort überall mit Distributeuren, also Vertriebspartnern, zusammen. Jetzt könnte man anfangen, mit all diesen Partnern einzeln zu erarbeiten, was für den Erfolg der Marke nötig ist - oder man sucht stattdessen jemanden, der insgesamt im internationalen Vertrieb einen deutlich größeren Fußabdruck hat. Zum Vergleich: Lamy hat bisher eine Vertriebsgesellschaft im Ausland - Mitsubishi Pencil hat 22. Um das selbst aufzubauen, bräuchten wir sehr, sehr viele Jahre. Allein in Japan ist Mitsubishi Pencil mit einer dreistelligen Zahl an eigenen Mitarbeitenden im Vertrieb unterwegs. Das könnte kein Distributeur für uns leisten. Dazu kommt, dass die Vertriebsteams von Mitsubishi Pencil ganz auf ihre eigenen Marken - und damit künftig auch auf Lamy - konzentriert sind. Ein Distributeur hat dagegen vielleicht noch andere Marken dabei. Mit Mitsubishi Pencil versprechen wir uns außerdem nicht nur Synergien im Vertrieb.

Sondern?

Rübke: Im Bereich Digital Writing, also bei digitalen Schreibgeräten, ist Mitsubishi Pencil um einiges stärker aufgestellt als wir. Dort gibt es zwei eigene Entwicklungsteams, die konkurrierend arbeiten, um einen großen Schritt voranzukommen. Außerdem hat das Unternehmen familiäre Beziehungen zu Wacom, dem größten Anbieter von Displays, zum Beispiel für Samsung-Geräte. Davon versprechen wir uns einen besseren Zugang zu Technologien und Trends. Auch im E-Commerce, gerade beim Verkauf über Plattformen wie Amazon, ist Mitsubishi Pencil stark aufgestellt. Alleine in den USA gibt es dafür ein Team mit mehr als zehn Mitarbeitenden.

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Wo wir von Synergien sprechen: Bleibt Heidelberg weltweit der einzige Standort, an dem Lamy-Füller produziert werden?

Utsch: Definitiv. Mitsubishi Pencil hat zwar auch Fertigungsstätten. Aber die Produkte gleichen sich in der Herstellung nicht so, dass es Sinn machen würde, hier irgendetwas zusammenzulegen. Durch die Investitionen, die wir in den letzten Jahren in Heidelberg getätigt haben, ist der Standort außerdem weltweit wettbewerbsfähig, auch die Verwaltung ist sehr schlank aufgestellt. Es hätte deshalb keinen Vorteil, Tätigkeiten oder Funktionen zu verlagern. Im Gegenteil: Wir stellen aktuell in Heidelberg Mitarbeitende ein und investieren hier auch weiter.

Betriebsbedingte Kündigungen hat der neue Eigentümer für die nächsten fünf Jahre schon ausgeschlossen. . .

Utsch: Richtig. Für Mitsubishi Pencil war von Anfang an selbstverständlich, dass der Lamy-Sitz mit seinen bisherigen Prozessen und Tätigkeiten in Heidelberg erhalten bleibt. Um das deutlich zu zeigen, war der erste Schritt von Herrn Suhara, als neuer Gesellschafter eine fünfjährige Beschäftigungs- und Standortsicherung für Lamy zu verkünden. Das heißt: Die Arbeitsplätze in Heidelberg sind sehr, sehr sicher. Die Marke Lamy wird ebenfalls weiter von Heidelberg aus geführt.

Und wie läuft das Geschäft aktuell bei Lamy?

Rübke: Mit den Zahlen für 2023 sind wir zufrieden. Beim Umsatz können wir uns künftig mehr vorstellen, wenn wir, wie eben erläutert, unsere Potenziale heben. Im April werden wir eine Woche nach Japan reisen und das alles gemeinsam mit Mitsubishi Pencil anschauen. Für 2024 haben wir außerdem noch ein paar vielversprechende Produkte in der Pipeline: Zum einen führen wir ein digitales Schreibgerät für das iPad ein, den Lamy Safari note+, da versprechen wir uns eine gute Nachfrage. Zum anderen wollen wir den Markt für Schüler und junge Erwachsene, in dem wir in Deutschland schon sehr stark sind, in anderen europäischen Ländern stärker erschließen. Dazu haben wir eine neue Kooperation geschlossen.

Mit wem?

Rübke: Wir arbeiten mit Warner Bros. Discovery über eine Harry-Potter-Lizenz zusammen. Wir glauben, dass die Marken sehr gut zusammenpassen. Im September wollen wir erste Produkte in den Handel bringen, erst im eher hochpreisigen Segment, später auch in anderen.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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