Justiz

Nach 64 Verhandlungstagen: Biersteuer-Prozess endet mit Gefängnisstrafe

Wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe verhängt das Mannheimer Landgericht eine Haftstrafe. Der Verurteilte wird überraschend festgenommen.

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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64 Verhandlungstage waren nötig, ehe es in dem Fall von Steuerhinterziehung bei Bier und anderen Getränken zu einem Urteil kam. © Armin Weigel/dpa

Mannheim. In dem Prozess wegen verkürzter Steuerabgaben bei Bier sowie hinterzogener Umsatzsteuer auch bei anderen Getränken in Millionenhöhe hat die 5. Große Wirtschaftsstrafkammer des Mannheimer Landgerichtes das Urteil verkündet: Der Geschäftsführer und Aktionär eines Getränkehandels samt Steuerlager in Hirschberg muss sechs Jahre ins Gefängnis. Überraschenderweise ist der Unternehmer noch im Sitzungssaal festgenommen worden - was aber nichts mit dem Gerichtsverfahren zu tun hat.

Der 64. und letzte Verhandlungstag beginnt mit einer Vielzahl von Anträgen, in denen sich die Verteidigung dagegen wendet, dass ihre im Dezember gestellten Forderungen zur Beweisaufnahme verworfen wurden. Weil die Kammer bei ihren Ablehnungen bleibt, erteilt der Vorsitzende Richter Oliver Ratzel mittags das Wort zum Plädieren. Die beiden Wahlanwälte Maximilian Pauls und Klaus Walter verzichten darauf, den fünfstündigen Schlussvortrag des Staatsanwaltes mit einer beantragten Strafe von sechseinhalb Jahren aus ihrer Sicht im Detail zu kommentieren. Sie beklagen stattdessen einen „Indizienprozess“ mit „unfairer“ Auswahl von Beweismitteln und werfen dem Strafverfolger vor, Abläufe eines zur Last gelegten „Modus Operandi“ aus seinen früheren Bierkarussell-Verfahren „recycelt “ zu haben. Pauls wie Walter zeigen sich in ihren jeweils nicht einmal viertelstündigen Plädoyers überzeugt: Die Beweisaufnahme lasse nur ein Urteil zu - Freispruch.

Angeklagter: Habe stets „hart und rechtschaffen“ gearbeitet

Das „letzte Wort“ nutzt der angeklagte Unternehmer, der in der Wüstenstadt Agadez aufgewachsen ist, 2009 nach Deutschland kam und inzwischen eingebürgert wurde, für eine „Zusammenfassung seiner Gedanken“, die eine Dolmetscherin aus dem Französischen übersetzt. Das Verfahren, so der Mittfünfziger, habe für ihn familiär, emotional wie finanziell fatale Auswirkungen. „Krumme Geschäfte“ weist der Angeklagte von sich. Er habe stets „hart und rechtschaffen“ gearbeitet.

Am späten Nachmittag verkündet Ratzel das Urteil und nimmt sich für die Begründung zweieinhalb Stunden Zeit. In einem komplexen wie streitig verhandelten Verfahren komme es darauf an, „starke und schwache Indizien in ihrer Gesamtschau zu betrachten“. Schließlich gebe es nicht immer so etwas wie „ein blutiges Messer“, das für sich allein spreche.

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Beispielsweise hätten Überwachungsvideos von Lastwagen, die in Hirschberg ankamen, „eindrücklich“ gezeigt, dass es dokumentierte Biertransporte gab, die nur auf dem Papier stattgefunden haben. Wovon auch Firmenstempel von Geschäftspartner künden. Ratzel leuchtet minutiös die Kooperation mit ausländischen Schein-Firmen („Missing Tradern“) aus, die weder ordentlich am Markt agiert, noch Steuererklärungen abgegeben haben, sondern „austauschbare Vehikel“ waren. Betrügerische Absprachen seien ohnehin mit jenen Personen gelaufen, die „dahinter das Rad drehten“.

Der Richter verweist auf eine Chatnachricht, welche den Geschäftsmann in Hirschberg auffordert: „Schicke mir die Rechnungen, der Rest ist egal - ich finde die Ware.“ Notizbuchzettel des Angeklagten hätten dessen „Hosentaschenbuchhaltung“ belegt. Die Kammer geht zwar von keinem bandenmäßigen, aber „systematischen Vorgehen“ mit krimineller Energie aus.

Die Staatsanwaltschaft will sich zu der Festnahme des verurteilten Geschäftsmannes noch im Verhandlungssaal nicht äußern. Allerdings erklärt der Sprecher des Landgerichts, dass diese nichts mit dem gerade abgeschlossenen Prozess zu tun hat. Die Vermutung liegt nahe, dass der Haftbefehl mit den immer noch laufenden Ermittlungen gegen Komplizen und Hintermänner rund um Steuerhinterziehung bei Bier und Softdrinks mittels Scheinlieferungen, Pseudokunden und Cash-Rückläufen zusammenhängt. Aus diesem Gesamtkomplex wurde das Verfahren gegen den Hirschberger Geschäftsmann aus Gründen der Beschleunigung herausgelöst.

Freie Autorin

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