Die großen Träume des Bruchsaler Start-ups Volocopter während der Olympischen Spiele in Paris sind bekanntlich geplatzt. Volocopter durfte nur ein paar Testflüge am Rande der Stadt durchführen, weil die Flugsicherungsbehörde keine Zulassung erteilt hatte. Und im Flugtaxi saßen keine Passagiere, sondern nur ein Pilot. Die Stadtverwaltung hatte die Flugtaxis als „ökologische Absurdität für Ultrareiche“ gegeißelt. Kein Wunder - so könnte man das Unternehmen in Schutz nehmen -, im Rathaus sitzt ja mit Anne Hidalgo eine Sozialistin.
Allerdings schlägt auch das des Klassenkampfs unverdächtige ZEW Mannheim ähnliche Töne an. Forscherin Anna Straubinger sieht in den Flugtaxis vor allem eine Option für Wohlhabende, da die Kosten deutlich höher als bei anderen Verkehrsmitteln seien. Begründung der Studienautorin: Die Hersteller und möglichen Betreiber würden kurz- bis mittelfristig einen Kilometerpreis von fünf Euro anpeilen. Das ist nach Straubingers Angaben zweieinhalbmal so teuer wie das Taxi (zwei Euro) und sogar 15 mal so teuer wie das Auto (30 Cent).
Forscherin Anna Straubinger vom Mannheimer ZEW sieht fast nur Nachteile
Mit der Studie könnte der Hype um die Flugtaxis womöglich einen Knacks bekommen. Nach Ansicht der Forscherin gibt es fast nur Nachteile: Reisezeiten verkürzen sich kaum, dagegen steigen nicht nur die Kosten bei ihrem Einsatz, sondern im Vergleich zu den E-Autos auch die CO2-Emissionen. Eine Option sieht Straubinger allenfalls bei Notfalleinsätzen sowie zum Anbinden entlegener Regionen.
„Die Flugtaxis leisten keinen positiven Beitrag zur Energiewende im Verkehrssektor“, kritisiert Straubinger. Die Fluggeräte stoßen demnach nur im Vergleich zu den Verbrennern weniger Kohlenstoffdioxid aus. Und der Energieverbrauch ist höher als bei den E-Autos. Da Flugtaxis wie Flugzeuge Start- und Landeplätze benötigen, entstehen auch hier Wartezeiten sowie An- und Abfahrtswege für die Passagiere. Zeit sparen könnten die Fluggäste deshalb nur selten, dagegen würde es viele zusätzliche Flugbewegungen im dichten Luftverkehr geben. „Selbst bei einem Flugtaxi-Anteil von 0,1 Prozent am Verkehrsaufkommen einer Großstadt mit einer Million Einwohnern, wären dies rund 1500 Starts und Landungen pro Tag“, rechnet Straubinger vor.
Volocopter hat verschnupft auf die Studie reagiert und verweist darauf, dass der Einsatz der Flugtaxis in Großstädten mit hohem Verkehrsaufkommen wie Rom und Paris durchaus Sinn ergebe, weil diese dort sicherer, leiser und schneller als andere Transportmittel wären. Und einen weiteren Seitenhieb nach Mannheim konnten sich die Bruchsaler nicht verkneifen. Sie werfen der Studie vor, dass sie Äpfel mit Birnen vergleichen würde. Immerhin würde Volocopter die „lange Reise zur Dekarbonisierung der Luftfahrtindustrie“ beginnen.
Flugtaxi-Hersteller wie Volocopter und Lilium finanziell gebeutelt
Deshalb sei der Vergleich mit Autos oder Bussen nicht fair: „Nach den Gesetzen der Physik wird das Fliegen immer mehr Energie verbrauchen als das Rollen, vor allem beim Start, beim Schweben und bei der Landung“, so eine Sprecherin. Bisher haben sich die Pläne der Hersteller wie Volocopter und Lilium eher als Luftschlösser erwiesen. Volocopter schloss das Geschäftsjahr 2023 mit einem Minus von fast 150 Millionen Euro ab. Lilium soll eine Staatsbürgschaft in Höhe von 100 Millionen Euro erhalten. Aber ohne eine Musterzulassung dürften sich die Träume kaum erfüllen.
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