Mannheim/Mainz. Während sich viele Einzelhändler und Handelsketten zurzeit aus deutschen Innenstädten zurückziehen, plant das Mannheimer Modeunternehmen Engelhorn mit einer großen Expansion Gegenteiliges. Es ist nicht irgendeine: Erstmals in seiner mehr als 130-jährigen Firmengeschichte wagt das Familienunternehmen den Sprung über den Rhein. „Von Mannheim nach Lu“, könnte man das Vorhaben titulieren. Alle Ludwigshafener, die nun auf eine Aufwertung ihrer verödeten Innenstadt hoffen, sollten einen Anflug derartiger Träume direkt wieder begraben. Denn gemeint ist nicht die Schwesterstadt Mannheims, sondern die Ludwigsstraße in der Mainzer Innenstadt, die von den Mainzern liebevoll nur „Lu“ genannt wird. Dort soll Engelhorn ein Ankermieter im entstehenden „LU:Quartier“ werden und ein Sporthaus eröffnen.
Vertrag noch nicht unterschrieben
Die Verwaltung der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt wirbt bereits ungewöhnlich offensiv mit dem potenziellen neuen Einzelhändler, obwohl nach Informationen dieser Redaktion noch kein Mietvertrag unterschrieben ist. Mit der Engelhorn-Gruppe als Ankermieter für das neue „LU:Quartier“ stehe man in abschließenden Verhandlungen, werden Tina Badrot und Tim Gemünden, die beiden Verantwortlichen des Projektentwicklers Boulevard Lu, in einer Mitteilung der Stadt zitiert.
„Mit einem umfangreichen und qualitätvollen Sortiment an Sportmode und Sportausrüstung ist die Engelhorn-Gruppe bestens aufgestellt, um mit ihrem Sportkonzept die Mainzer Einzelhandelslandschaft um einen neuen Magneten zu bereichern“, heißt es weiter. Die Ansiedlung im Sportbereich sei auch eine wichtige Weichenstellung, um eine Angebotslücke in der Mainzer Innenstadt zu schließen.
Bei Engelhorn will man sich auf Nachfrage nicht zu weiteren Details äußern. In einer Zeit, in der großflächige Schriftzüge wie „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ oder mit ähnlichem Inhalt viele deutsche Innenstadt-Schaufenster zieren, lässt das Vorhaben jedoch aufhorchen. Es ist ein klares Signal dafür, dass Handelsunternehmen, trotz wachsender Onlinekonkurrenz, vom stationären Geschäft auch in Innenstädten weiterhin überzeugt sind - wenn das Konzept stimmt. Und dass die Schließung von großen Kaufhäusern - die wegen der zweiten Galeria-Insolvenz nun auf viele Städte zukommt - nicht zwangsläufig das Ende für einen Einzelhandelsstandort bedeuten muss.
Fläche zuvor von Karstadt genutzt
Das „LU:Quartier“ entsteht zum Großteil auf der Fläche eines ehemaligen Karstadt-Kaufhauses, das vor fast drei Jahren in der Folge der ersten Insolvenz des Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzerns geschlossen wurde. Es befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mainzer Staatstheater. Auch Marktplatz und Dom sind nicht weit davon entfernt.
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Ideen für die Umgestaltung der Ludwigsstraße und der konkreten Fläche gibt es in Mainz schon länger. Vorgesehen ist ein „Erlebnisort“. „Im neuen Mainzer Cityquartier möchten wir die bestehenden Stärken der Innenstadt unterstreichen, Lücken im Angebot schließen und auf original Mainzer Genusskultur setzen“, heißt es auf der Projektseite im Internet. Neben Einzelhandel und Genuss ist ein großer Schwerpunkt für Kultur geplant. Dies sei eine zentrale Forderung aus der umfangreichen Bürgerbeteiligung der vergangenen zehn Jahre, sagte Oberbürgermeister Nino Haase.
Dachlandschaft mit Rooftop-Bar
Das Staatstheater soll in dem Komplex einen großen Proben- und Konzertsaal bekommen. Auch Büros, Wohnungen und ein Hotel werden im „LU:Quartier“ untergebracht. Freiflächen, belebte Plätze im Innen- und Außenbereich sowie eine Dachlandschaft mit Rooftop-Bar sollen die Aufenthaltsqualität erhöhen. In einer Pop-up-Halle im Erdgeschoss sollen sich internationale Marken, lokale Publikumslieblinge und Start-ups in temporären Ladeneinheiten sowie regionale Gastronomen präsentieren können.
Das erlebnisorientierte Nutzungskonzept aus Handel, Kultur und Genuss begeistere potenzielle Einzelhandelsmieter, heißt es von den Projektentwicklern. Derzeit gibt es auf der ehemaligen Kaufhausfläche unter dem Namen „Lulu“ eine Zwischennutzung mit Geschäften, Kosmetikangeboten, Kulinarischem und Kunstausstellungen.
Letzte Expansion vor elf Jahren
Wenn die Neueröffnung in Mainz denn so kommt, ist es für Engelhorn die erste Expansion seit mehr als zehn Jahren. Im Herbst 2012 hatte das Mannheimer Familienunternehmen schon einmal die Metropolregion Rhein-Neckar verlassen und zwei Geschäfte im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens eröffnet. Verkauft wurden hochwertige Bekleidung, Schuhe, Taschen und Accessoires verschiedener Premium-Marken. Mit einem der Läden hatte es Engelhorn auf zahlungskräftige Reisende abgesehen. Noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie zog Engelhorn sich vom Rhein-Main-Flughafen wieder zurück. Betreiber Fraport wollte den Einzelhandel dort in Eigenregie betreiben.
Bei der letzten großen Expansion vor 21 Jahren hatte das Unternehmen erstmals Mannheim verlassen. Damals wurde ein Erweiterungsbau des Rhein-Neckar-Zentrums in Viernheim fertiggestellt. Seitdem ist Engelhorn dort auf über 4000 Quadratmetern mit dem Konzept „active town“ aus Lifestyle und Sportbekleidung vertreten. Das Sporthaus in Mannheim ist nach Firmenangaben mit fast 10 000 Quadratmetern Fläche eines der größten in Europa.
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