Wirtschaft

Mannheimer Familienunternehmen Berrang feiert 75-jähriges Bestehen

Kein Airbus hebt ohne sie ab, kein Auto fährt: Überall sind Teile der Mannheimer Firma verbaut. Sie ist in den USA wie in China aktiv. Wie aus einem Schraubenhandel ein Weltunternehmen geworden ist

Von 
Peter W. Ragge
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Baustelle für das erste eigene Firmengebäude in der Windeckstraße. Inzwischen sitzt die Firma Berrang in Friedrichsfeld auf ehemaligem Kasernengelände. © Firmenarchiv

Mannheim. Kein Airbus hebt ab ohne kleine Teile dieses Unternehmens, kein Auto der deutschen Nobelmarken Benz, BMW oder Porsche startet, kein John Deere Traktor rollt über Felder ohne Berrang. Ob Windräder, Medizintechnik oder Industrieroboter, Baumaschinen oder Elektrofahrzeuge – nichts dreht oder bewegt sich ohne Schrauben oder die speziell entwickelte mechanische Verbindungstechnik der Mannheimer Firma, die jetzt ihr 75-jähriges Bestehen feiert.

Berrang – das ist so ein typischer „Hidden Champion“, wie man in der Wirtschaft weitgehend unbekannte, doch wichtige und erfolgreiche Weltmarktführer nennt. Das passt zu dem weitgehend verschwiegenen und trotz seines sozialen Engagements am Standort nicht jedem geläufigen Familienunternehmen.

Größter Prüfstand weltweit

Dabei macht es immerhin 339 Millionen Euro Umsatz (2022) und zählt weltweit 650 Mitarbeiter in den Bereichen technische Entwicklung, Qualitätsmanagement, Montage und Logistik mit unverzichtbaren Verbindungselementen für die gesamte deutsche Automobilindustrie, den Maschinenbau, Energie-, Elektro- und Medizintechnik sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie.

Von der Zentrale in Friedrichsfeld aus, sieben weiteren Standorten in Deutschland sowie in Frankreich, Polen, den USA und Shanghai werden nicht nur 160 000 verschiedene Standard-Schrauben, Muttern, Bolzen, Scheiben oder Stanzteile direkt in die Fertigung geliefert, sondern auch nach individuellen Anforderungen zugeschnittene Bauteile designt oder komplette Baugruppen vormontiert und eingesetzt. Davor stehen eine fundierte technische Beratung und ausführliche Tests. So verfügt Berrang über einen der weltweit größten Prüfstände für Verbindungstechnik.

Freilich hätte das keiner gedacht, als Karl Berrang das Unternehmen gründet. 1946 fängt er im Keller seines ausgebombten Wohnhauses auf dem Lindenhof an. 1948 ist die offizielle Firmengründung mit einem Lager in der Bellenstraße 33. Der Wahl-Mannheimer, an der Mosel geboren, hat seine Lehre bei einer Maschinenfabrik gemacht, dann bei der Wassermesserfabrik Pollux Ludwigshafen gearbeitet. Ab 1923 ist er Mitinhaber und Geschäftsführer der Fabrik für Präzisionsschraubenteile und Fassonteile in Saarbrücken, führt für sie die Werksvertretung Mannheim und will doch ein eigenes Unternehmen aufbauen.

Viel Hoffnung macht man ihm nicht, als er – noch vor der Gründung der Bundesrepublik – seinen Antrag auf Unternehmensgründung bei der Industrie- und Handelskammer einreicht. „Für ein Unternehmen, wie Sie es planen, besteht in Mannheim und Umgebung kein Bedarf“, schreibt die Kammer Karl Berrang – doch das hat ihn nicht abgeschreckt.

Bei seinem frühen Tod 1961, kurz nach dem Bezug des ersten eigenen Firmengebäudes in der Windeckstraße, wird er dagegen als „umsichtiger Repräsentant der Handelsstadt Mannheim“ gerühmt, der „nicht unwesentlichen Anteil an ihrem wirtschaftlichen Aufschwung hat“, so der Nachruf mit Lob für „unternehmerischen Weitblick und Initiative“.

Witwe führt Firma fort

Das haben sich nachfolgende Generationen zu eigen gemacht und aus der Schraubengroßhandlung ein Weltunternehmen geformt. Zunächst ist es Elisabeth Berrang, die Mut beweist. Nach dem frühen Tod des Gründers entscheidet seine Witwe, das Unternehmen fortzuführen – mit Rückhalt der Mitarbeiter. Eine Frau an der Spitze einer Firma, noch dazu eines Technikunternehmens, ist damals eigentlich undenkbar. Aber es klappt – und Frauen in Führungspositionen sind seither üblich bei Berrang. Die Frauenquote im Unternehmen liegt bei 32 Prozent.

1971 tritt Sohn Bernhard Berrang, zehn Jahre später Schwiegersohn Peter Hofmann in das Unternehmen ein. Unter ihrer Führung folgt der Wandel vom erfolgreichen Mannheimer Mittelständler zum global engagierten Unternehmen mit – in den 1990er Jahren – Tochtergesellschaften in den USA und Frankreich, 2001 in den USA, 2009 in China – auf Wunsch von Kunden, die direkt dort ans Band beliefert werden.

2014 ist das Unternehmen von der Mallau in das Gewerbegebiet Friedrichsfeld gezogen und hat auf 52 000 Quadratmetern eine damals 20 Millionen Euro teure, neue Firmenzentrale mit Verwaltung, Lager und Logistikzentrale eingeweiht – und 2020 die Kapazitäten des markanten Hochregallagers verdoppelt. Zugleich ist dort ein Biotop für Mauereidechsen angelegt worden, und die Grünfläche wird durch eine Ziegenherde gepflegt.

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Immer wieder gibt es Neuentwicklungen, so das Patent für eine Einwegsiegelschraube, die unbemerkte Manipulationen an technischen Geräten unmöglich macht. Eine Schraube öffnen und dann einfach wieder zudrehen – das ist damit vorbei. Besonders stolz ist Berrang auf den Innovationspreis von BMW – ausgezeichnet unter 3200 Lieferanten. Inzwischen liefert Berrang auch essenzielle Bauteile für Ladesysteme in der E-Mobilität.

Die Enkelgeneration (Dominique Gründler, Benjamin Berrang, Benedikt Berrang, Paul Hofmann), die zwischen 2013 und 2016 in die Geschäftsführung eintritt, ist weiter auf Innovationskurs. Sie steht für einen gelungenen Generationswechsel, setzt auf nachhaltiges Wachstum und hat sich fest vorgenommen, die Tradition als inhabergeführtes, werteorientiertes Familienunternehmen fortzuführen. Dazu gehört starkes gesellschaftliches Engagement, ob durch persönlichen Einsatz bei Vereinen und der Caritas oder durch finanzielle Förderung, etwa der Hochschule, der Reiss-Engelhorn-Museen, seit 1964 des Maimarkt-Reitturniers oder gerade kürzlich der Special Olympics.

Redaktion Chefreporter

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