IHK-Kaufkraftanalyse

Mannheimer Innenstadt fehlen Kunden aus der Pfalz

Die Online-Umsätze sinken, die Umsätze vor Ort steigen. Das zeigt die Kaufkraftanalyse der IHK Rhein-Neckar. Doch Präsident Schnabel blickt mit Sorge auf eine bestimmte Quote - denn Mannheim fehlen bestimmte Kunden

Von 
Christian Schall
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Mannheim. Eigentlich könnte der Einzelhandel zuversichtlich auf die zweite Jahreshälfte blicken. Die Kaufkraftanalyse der IHK Rhein-Neckar prognostiziert für das Gesamtjahr steigende Umsätze vor Ort. Und die Onlineumsätze bundesweit sind nach stetigem Wachstum im vergangenen Jahr erstmals gesunken.

Nur noch 13,4 Prozent beträgt der Anteil des Onlinegeschäfts am gesamten Einzelhandelsumsatz. In der Branche Fashion und Accessoires legte der Umsatz 2022 im stationären Handel gegenüber dem Vorjahr um 18,6 Prozent oder 4,2 Milliarden Euro zu. Auf den Onlineplattformen ging er um 0,6 Prozent oder 0,1 Milliarden Euro zurück. In der Branche Elektro und Unterhaltungselektronik gingen die Onlineumsätze sogar um neun Prozent oder 1,9 Milliarden Euro zurück. Stationär legten sie um sieben Prozent oder 1,8 Milliarden Euro zu.

Mannheim nimmt besondere Rolle ein

Es ist als Zeichen dafür zu deuten, dass die Menschen wieder in die stationären Geschäfte zurückkehren, um die sie während der Corona-Pandemie einen großen Bogen gemacht haben oder wegen verschiedener Pandemie-Beschränkungen machen mussten. „Anders als vielfach behauptet ist der stationäre Einzelhandel vital sowie zukunftsfähig aufgestellt und wächst wieder, auch in den Innenstädten“, sagt IHK-Präsident Manfred Schnabel.

Im Bezirk der IHK nimmt weiterhin Mannheim eine besondere Rolle ein. 35,2 Prozent, also mehr als ein Drittel des Umsatzes wird in der Quadratestadt erzielt. Zehn Prozent sogar in der Innenstadt, im Postleitzahlenbezirk 68161. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft, also der Anteil des Einkommens, der für Ausgaben im Einzelhandel zur Verfügung steht, ist deutlich gestiegen. Mit mehr als sieben Prozent (nominal, also nicht inflationsbereinigt) ist der Anstieg in Mannheim sogar stärker als in Baden-Württemberg, im IHK-Bezirk oder in Heidelberg.

Bei der Kaufkraftbindungsquote können Mannheim und Heidelberg wieder hinzugewinnen. Die Zahl besagt, wie viel Kaufkraft aus dem Umland zufließt. Das ist bei Werten über 100 Prozent der Fall. Liegt die Kaufkraftbindungsquote unter 100, fließt Kaufkraft ab. Mannheim wird leicht hinzugewinnen, ist mit prognostizierten 117 Prozent (Vorjahr 115) aber immer noch weit vom Vor-Corona-Niveau 2019 (131) entfernt.

In Heidelberg wird der Abwärtstrend gestoppt. Eine Quote von 97 Prozent (2019: 104) bedeutet jedoch, dass Kaufkraft aus der Stadt abfließt. Den höchsten Wert im Bezirk der IHK Rhein-Neckar verzeichnet Schwetzingen mit 165, gefolgt von Walldorf (155). Schnabel führt diese Zahlen nicht nur auf starke Fachmarktzentren in den Gewerbegebieten beider Städte zurück: „Sie haben attraktive Innenstädte in denen sich Wirtschaft, Verwaltung und Politik engagieren, um die Situation zu verbessern.“ Hockenheim erreicht 128 Prozent, Weinheim 98 Prozent.

Wo Mannheim aus der Top 10 fällt

Unruhig wird der IHK-Präsident beim Blick auf die Entwicklung des Postleitzahlenbezirks 68161, der das Gros an Einkaufsmöglichkeiten in der Mannheimer City abdeckt. Gegenüber 2019 geht der Einzelhandelsumsatz um 21,4 Prozent zurück. Die (sehr hohe) Kaufkraftbindungsquote sackt um 290 Prozentpunkte auf 803 Prozent ab. Anders gesagt: Auf einen Einwohner kommen acht Kunden von außerhalb, 2019 waren es noch mehr als zehn. „Das ist ein Erdbeben“, sagt Schnabel.

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Um den Besatz an Handel, Gastronomie, Ärzten oder Rechtsanwälten aufrechtzuerhalten, brauche es das Verhältnis eins zu zehn. „Wenn der Trend jetzt nicht zurückgedreht wird, wird es Leerstände geben.“ Die Kaufkraft, die momentan nach Mannheim fließe, reiche nicht aus. Die Entwicklung führte auch dazu, dass dieser Bereich der Mannheimer Innenstadt innerhalb weniger Jahre aus der Top 10 der umsatzstärksten Postleitzahlbezirke bundesweit auf Platz 14 (2022: Platz 11) zurückgefallen ist.

Schnabel bezeichnet die Qualität im Handel noch als sehr hoch. „Gelingt es nicht, die Pfälzer Kunden zurückzuholen, dann wird es zu einem Rückbau im Handel kommen, mit einer Sogkraft in alle Branchen.“

Warum Pfälzer Städte sich über Mannheim lustig machen

Engelhorn-Geschäftsführer Fabian Engelhorn bestätigte den Rückgang von Kunden aus der Pfalz. „Das war die letzten 40 Jahren eine schöne Synthese. Die Pfälzer kamen zum Einkaufen, und wir sind am Wochenende rübergefahren zum Bratwurst essen.“ Seit dem Verkehrsversuch „kommen sie nicht mehr“. Das sei messbar und durch Umfragen bestätigt. „In Landau und Neustadt wird sich über Mannheim lustig gemacht, weil es ein Konjunkturprogramm ist.“ Sie profitierten von den Mannheimer Fehlern.

„Auch wir haben ein berechtigtes Interesse, dass wir über den Verkehr sprechen und wie wir Straßenraum aufteilen. Das ist der richtige Weg. Der Verkehrsversuch hat das Fass zum Überlaufen gebracht.“ Besonders stört ihn die Art und Weise, wie die Ideen umgesetzt und kommuniziert worden seien. „Ich plädiere für eine einheitliche Verkehrssteuerung, wo wir alles im Blick haben“, so Engelhorn.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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