Start-ups

Mannheimer Gründungszentren "voll ausgelastet"

330 Start-ups sind aktuell in den Mannheimer Gründungszentren angesiedelt, die Häuser sind damit voll belegt, sagt Next-Mannheim-Chef Christian Sommer. Das Förderangebot für Start-ups würde er gerne noch bekannter machen

Von 
Tatjana Junker
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Das jüngste der acht städtischen Gründerzentren – das Cubex One für Medizintechnologie, gegenüber dem Uniklinikum – wurde 2021 eingeweiht. © Tröster/Next Mannheim

Mannheim. Herr Sommer, mit Snocks-Gründer Johannes Kliesch hat kürzlich ein sehr prominenter Kopf der Start-up-Szene die Förderpolitik der Stadt öffentlich kritisiert. Tut Mannheim zu wenig für Gründerinnen und Gründer?

Christian Sommer: Ich kenne keine Stadt, die annähernd so viel für Gründerinnen und Gründer tut wie Mannheim. Dafür werden wir bundesweit beneidet. Ich habe gerade wieder zwei Termine mit Vertretern aus Regensburg und Klagenfurt ausgemacht, die sich das System, das wir in den letzten 20 Jahren aufgebaut haben, anschauen wollen.

Aber natürlich gibt es immer mal Aspekte, bei denen man sich kritisch hinterfragen muss. Das Thema E-Commerce zum Beispiel ist zunächst ziemlich an uns vorbeigegangen.

Next-Mannheim-Chef

  • Christian Sommer ist seit 2011 Geschäftsführer der Mannheimer Gründungszentren GmbH.
  • Unter der Dachmarke Next Mannheim betreibt die städtische Tochtergesellschaft acht Existenzgründungszentren, in denen aktuell 330 Startups angesiedelt sind.
  • Insgesamt hat Next Mannheim 50 Mitarbeitende.
  • Die Zentren haben jeweils thematische Schwerpunkte. Im GIG7 beispielsweise werden gezielt Gründerinnen beraten. Das Cubex41 und das Cubex One sind z.B. auf Medizintechnologie spezialisiert. 

Dabei hat gerade Mannheim in den letzten Jahren hier sehr erfolgreiche Start-ups hervorgebracht: Snocks, Purelei …

Sommer: Das stimmt, aber diese Unternehmen wurden alle außerhalb unserer Gründungszentren aufgebaut, die ja eigene Themen-Schwerpunkte haben. Natürlich haben wir trotzdem mitbekommen, dass hier E-Commerce-Start-ups durch die Decke gehen. Aber das Volumen habe ich am Anfang unterschätzt.

Es kam auch keiner dieser Gründerinnen und Gründer mit dem Wunsch nach Unterstützung auf uns zu – bis Johannes Kliesch vor zwei Jahren auf LinkedIn sinngemäß beklagt hat, dass Mannheim nichts für ihn tut. Darauf haben wir uns mit ihm zusammengesetzt und überlegt, wie wir E-Commerce in Mannheim sichtbarer machen können.

Heraus kam eine Kooperation mit Snocks, für die Next Mannheim 45 000 Euro bezahlt hat. Was wurde dafür vereinbart?

Sommer: Es gab sechs Netzwerktreffen für E-Commerce-Start-ups im Snocks Café, sechs Newsletter über den Snocks-Verteiler, einen Podcast rund um den Standort Mannheim und sechs LinkedIn-Posts von Johannes Kliesch.

Vereinbart war, dass in den Beiträgen ’in authentischer Art und Weise auf die guten Gründungs-Rahmenbedingungen für E-Commerce-Start-ups in Mannheim hingewiesen wird’.

Wir haben als Next Mannheim rund 30 Prozent mehr Follower auf LinkedIn bekommen. Dort folgen uns jetzt 4400 Menschen, die von unseren Angeboten erfahren. Das hätten wir ohne die Reichweite von Snocks nicht geschafft
Christian Sommer

Nach der jüngsten Kritik Klieschs wirken diese „authentischen Posts“ im Rückblick nicht mehr wahnsinnig glaubwürdig. War das Geld falsch investiert?

Sommer: Ich stehe nach wie vor zu der Kooperation, auch wenn sie inzwischen ausgelaufen ist. Unser Ziel war, dass wir von Johannes’ Reichweite profitieren – und mit ’wir’ meine ich nicht Next Mannheim, sondern den E-Commerce-Standort. Und das hat funktioniert. Wir sind bei den Leuten jetzt anders auf dem Schirm.

Seit dem letzten Jahr haben sich einige neue Start-ups aus dem Segment hier angesiedelt. Außerdem haben wir als Next Mannheim rund 30 Prozent mehr Follower auf LinkedIn bekommen. Dort folgen uns jetzt 4400 Menschen, die von unseren Angeboten erfahren. Das hätten wir ohne die Reichweite von Snocks nicht geschafft. Auch die Coffee-Treffs waren gute und sinnvolle Netzwerkveranstaltungen für E-Commerce-Start-ups.

Wie kann Next Mannheim seine Angebote bei Start-ups bekannter machen, ohne sich an so bekannte Namen zu hängen?

Sommer: Das ist definitiv ein dickes Brett, aber wir arbeiten gerade daran, neue Wege zu finden. Bisher sind wir zum Beispiel vor Tiktok zurückgeschreckt, vielleicht müssen wir da aber umdenken. Und wir müssen schauen, was die nächste Plattform ist, die funktioniert. Man muss aber auch ehrlicherweise sagen: Wir sind in dem Bereich finanziell nicht gut ausgestattet. Wir haben nur eine Mitarbeiterin, die sich um das ganze Thema Kommunikation und Social Media kümmert.

Next-Mannheim-Chef Christian Sommer. © Thomas Tröster

A propos finanzielle Ausstattung: Wie viel Geld fließt in Mannheim in die Start-up-Förderung?

Sommer: Die Gründungsförderung ist in Mannheim verteilt – zum einen auf den Fachbereich Wirtschaftsförderung, zum anderen auf uns als Next Mannheim. Für uns kann ich sagen: Wir bekommen von der Stadt jedes Jahr einen Zuschuss von 1,2 Millionen Euro. Gleichzeitig zahlen wir rund 300 000 Euro an Mieten wieder an die Stadt zurück, es bleiben netto also ungefähr 800 000 Euro Zuschuss. Dazu kommen Einnahmen aus den Mieten der Gründungszentren und andere Fördergelder, zum Beispiel von der EU oder vom Land.

Und wohin geht das Geld?

Sommer: Zum einen in den Betrieb der Gründungszentren – wobei die sich unter dem Strich selbst tragen. Größere wie MAFINEX oder das C-Hub machen Plus, kleinere wie das GIG7 oder die Textilerei kommen auf Null oder ein leichtes Defizit. Ein großer Posten ist auch unsere Beratung: Jede Gründung, jedes Start-up, das zu uns kommt, wird beraten oder an jemanden vermittelt, der helfen kann.

Wir organisieren außerdem für verschiedene Bereiche Netzwerktreffen, zum Beispiel das Feierabendbier im MAFINEX. Da kommen jeden Monat 200 Leute: Gründende, Investoren, Menschen aus der Industrie. Zudem liegen die Kreativwirtschaftsförderung und die kulturelle Stadtentwicklung bei uns – die Popbeauftragte oder der Nachtbürgermeister zum Beispiel sind bei uns angestellt.

Wir hatten in den letzten 20 Jahren nie nennenswerte Leerstände, und auch jetzt sind alle Zentren voll – bei einer Gesamtfläche von 35 000 Quadratmetern
Christian Sommer

Mit dem Cubex One hat Mannheim vor zwei Jahren das achte Gründungszentrum eröffnet. Wie ist die Auslastung in den Häusern?

Sommer: Wir hatten in den letzten 20 Jahren nie nennenswerte Leerstände, und auch jetzt sind alle Zentren voll – bei einer Gesamtfläche von 35 000 Quadratmetern. Vollauslastung bedeutet bei uns, dass 90 bis 95 Prozent der Räume belegt sind. Ein paar kleinere Flächen sollen frei sein, damit wir den Mietenden Flexibilität bieten können. Das ist einer der Vorteile gegenüber dem freien Immobilienmarkt: Wenn die Geschäftsentwicklung eines Start-ups dazu führt, dass es kurzfristig drei weitere Räume braucht oder einen Teil abgeben muss, soll das bei uns möglich sein.

Hat die Nachfrage nach Flächen durch die Pandemie nachgelassen? Den Homeoffice-Trend gibt es sicher auch bei Start-ups.

Sommer: Man spürt, dass die Präsenz in den Häusern etwas weniger geworden ist. Aber die Nachfrage nach den Flächen ist ungebrochen. Ich habe dabei übrigens nie das Gefühl, dass es den Gründerinnen und Gründern vor allem um die niedrigeren Mieten bei uns geht, sondern vor allem um das Community Building in den Zentren und um die Flexibilität.

Ob die Nachfrage nach Flächen in fünf bis zehn Jahren immer noch so hoch ist, weiß man nicht. Aber die Zweckbindung der Häuser läuft auch irgendwann aus – und dann kann man neu nachdenken, was man damit macht. Das sieht man aktuell am Musikpark, in dem nun ein Greentech-Zentrum entstehen soll.

Über einen Beteiligungsfonds investiert die Stadt selbst in Start-ups. Um welche Summen geht es?

Sommer: Der Beteiligungsfonds der Wirtschaftsförderung ist als revolvierender Fonds (ein Fonds, der über Erlöse und Rückzahlungen nachfinanziert wird, Anm. d. Redaktion) mit 1,65 Millionen Euro ausgestattet. 50 Prozent des Geldes kommen von der EU, 17,5 Prozent vom Land Baden-Württemberg, der Rest von der Stadt. Möglich sind stille oder offene Beteiligungen von 50 000 bis maximal 200 000 Euro. Der Beteiligungszeitraum beträgt fünf bis zehn Jahre.

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Und wer kann Geld bekommen?

Sommer: Unterstützt werden innovative, technologieorientierte Unternehmen oder Unternehmen aus der Kreativwirtschaft, die in der Seed-Phase sind – also maximal fünf Jahre nach Gründung. Bedingung ist, dass die Unternehmen über die Laufzeit der Investition ihren Hauptsitz in Mannheim haben und dass sie das Geld aus dem Fonds primär in Mannheim investieren. Aktuell gibt es acht direkte und zwei stille Beteiligungen, davon sind noch fünf am Standort aktiv.

Start-ups mit überzeugendem Geschäftsmodell kommen vermutlich auch anders an Kapital. Sind öffentliche Gelder hier wirklich gut aufgehoben?

Sommer: Es gibt sicher Gründende mit guten Businessmodellen, die sehr schnell Umsatz generieren können. Die haben kein Problem, für die Skalierung Geld am Risikokapitalmarkt zu bekommen. Es gibt aber auch andere Fälle: Gründende im Technologiebereich zum Beispiel, die nicht nur Software, sondern auch teure Hardware benötigen, um überhaupt einen Prototypen zu bauen. Für sie ist es deutlich schwerer, die Kosten für die Produktentwicklung aus eigener Kraft zu stemmen und den ersten Umsatz am Markt zu realisieren – unabhängig davon, wie gut ihr Geschäftsmodell ist.

Das betrifft übrigens oft Innovationen für mehr Nachhaltigkeit. Bei dem Beteiligungsfonds der Wirtschaftsförderung geht es also nicht um Konkurrenz zu bestehenden Risikokapitalfinanzierern, sondern darum, eine Lücke zu schließen.

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Und wie ist die Erfolgsquote?

Sommer: Von acht Beteiligungen gab es zwei Insolvenzen. Und einmal wurden Anteile verkauft, die die eingesetzte Summe nicht voll wieder eingebracht haben. Dadurch wurden 450 000 Euro abgeschrieben, was für einen Fonds mit dieser Laufzeit kein schlechtes Ergebnis ist.

Und man muss auch sehen: Bei den fünf bestehenden Unternehmen am Standort Mannheim sind zu den 20 Arbeitsplätzen, die schon am Anfang der Beteiligung da waren, inzwischen über 90 neue gekommen. Das ist für einen Risikokapitalgeber vielleicht nicht relevant, für eine Stadt aber schon.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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