Verfassungsgericht

Kippt das Bundesverfassungsgericht Christian Lindners Nachtragshaushalt?

Am Mittwoch fällt das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über den Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition. Dabei geht es um 60 Milliarden Euro. Warum Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim auf ein "hartes Urteil" hofft

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Walter Serif
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Das Bundesverfassungsgericht könnte am Mittwoch die Planung des Finanzministers Christian Lindner über den Haufen werden. © Britta Pedersen/dpa

Mannheim. An diesem Mittwoch schlägt für Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Stunde der Wahrheit. Dann wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Nachtragshaushalt 2021 fällen. Wenn Karlsruhe Lindners Umgang mit der Schuldenbremse kippt, dürfte sich in der Ampelkoalition der allgemeine Frust vergrößern. Und natürlich würde dann die Unionsfraktion im Bundestag jubeln, denn sie hat als Klägerin das Bundesverfassungsgericht angerufen und würde einen Sieg in Karlsruhe für sich politisch ausschlachten.

Das sagt der ZEW-Haushaltsexperte Heinemann 

Mit ihrem Nachtragshaushalt hatte die Ampel tief in die Trickkiste gegriffen. Weil Lindner mit allen Mitteln an der Schuldenbremse, die die Kreditaufnahme begrenzt, festhalten wollte, ließen sich die Koalitionäre auf ein gewagtes Manöver ein. Sie übertrugen einfach Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro auf den Energie- und Klimafonds. Dieses Manöver war von Anfang an umstritten.

„Diese Kredite waren ursprünglich zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen worden, wofür die Krisenklausel der Schuldenbremse herangezogen wurde“, erklärt Haushaltsexperte Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim. Die Union hatte deshalb die Klage eingebracht, unter anderem mit dem Argument, dass diese Umwidmung der Mittel gegen die Vorgaben der Schuldenbremse verstoße.

Laut Heinemann in "rechtliche Grauzone" gekommen

„Das Urteil ist für die öffentlichen Haushalte von großer Bedeutung. Mit der Schuldenbremse wurde die Entscheidung getroffen, Bund und Ländern hohe Defizite nur in Krisensituationen zu erlauben“, sagt Heinemann. Er hat keinen Zweifel daran, dass auch die Pandemie eine ähnliche Notlage war und die hohen Defizite konform mit dem Grundgesetz waren.

Anschließend haben sich der Bund und auch viele Länder aber nach Heinemanns Einschätzung „weit in die rechtliche Grauzone der Schuldenbremse“ bewegt. „Mit Sondervermögen wie dem Klima- und Transformationsfonds werden nun auch für langfristige Transformationsaufgaben Schulden gemacht. Dabei handelt es sich aber nicht um kurzfristige Krisen, sondern um jahrzehntelange Anpassungsprozesse“, kritisiert der ZEW-Forscher diese Praxis.

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Der Experte hofft deshalb auf ein „hartes Urteil“ aus Karlsruhe. „Würde das Bundesverfassungsgericht das Schuldenmachen für diese Aufgaben völlig freigeben, dann wäre die Schuldenbremse mit ihrer ursprünglichen Intention Geschichte“, begründet Heinemann seine Position. Der Wissenschaftler geht nicht davon aus, dass Karlsruhe das Manöver der Ampel einfach so durchwinkt. Vergleichsweise undramatisch wäre nach seiner Ansicht ein Tadel mit engeren Leitplanken für zukünftige Nebenhaushalte.

Auch ein „Paukenschlag“ möglich

„Nicht auszuschließen ist aber auch ein Paukenschlag mit einer Feststellung, dass der Nachtragshaushalt 2021 das Grundgesetz verletzt hat“, spekuliert der Wissenschaftler. Ein solcher Urteilsspruch hätte auch gravierende Konsequenzen für die Länder - vom Saarland bis Nordrhein-Westfalen. „Wenn der Nachtragshaushalt des Bundes das Grundgesetz verletzt, dann tun es die Sondervermögen der Länder erst recht“, sagt Heinemann. Höhere Schulden zur Finanzierung von Zukunftsaufgaben lehnt Heinemann nicht prinzipiell ab: „Der ehrliche Weg wäre aber dann eine Reform der Schuldenbremse.“

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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