Mannheim. Ungewöhnlich offen hat Martin Daum, Vorstandsvorsitzender des Nutzfahrzeugherstellers Daimler Truck, vor Kurzem mit der AfD abgerechnet. Die Partei habe keine Idee, geschweige denn eine Lösung für die Probleme unserer Zeit.
Stattdessen nutze sie Wut und den Ärger der Bürger - und schüre dabei die Illusion, dass früher alles besser gewesen sei, erklärt Daum im Interview mit dem Magazin „Focus“. „Aber im Ernst: Wer will zurück in die Welt von gestern? Ich will nicht so leben wie meine Großmutter.“
Meinungsforscher erwarten mehr Zuspruch für AfD
Bundesweit wird die 2013 gegründete AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet. Vor allem in den östlichen Bundesländern ist die Partei stark. Nächstes Jahr sind Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Laut verschiedenen Umfragen, könnte die AfD überall stärkste Partei werden - mit mehr als 30 Prozent. Meinungsforscher halten ein weiteres Erstarken der AfD für möglich, landes- und bundesweit.
Wir sind ein globales Unternehmen, natürlich schadet uns draußen in der Welt ein Aufschwung des Nationalismus in Deutschland
Daum dazu: „Wir sind ein globales Unternehmen, natürlich schadet uns draußen in der Welt ein Aufschwung des Nationalismus in Deutschland. Wenn wir um uns rum, außerhalb unserer Grenzen, immer nur die Bösen sehen, den Feind - dann hat diese Haltung immer zum Desaster geführt.“
Unternehmensvertreter fürchten langfristige Schäden durch AfD
Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Unternehmensvertreter fürchten vor allem langfristig Schäden für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sollte die AfD weiter erstarken. 81 Prozent der befragten Verbandschefs sehen ein hohes Risiko für die konstruktive politische Kultur. Sprich: Landesregierungen zum Beispiel könnten zunehmend handlungsunfähig werden.
Bei „klassischen“ Wirtschaftsthemen wie der Fachkräftesicherung, dem Bestand des Euros und der EU sowie dem Wirtschaftsstandort Deutschland beurteilen zwar etwas weniger, aber immer noch weit mehr als die Hälfte der Befragten (zwischen 60 und 68 Prozent) das Erstarken der AfD als hohes Risiko.
Erst vor ein paar Wochen hat Daimler Truck offiziell mit dem Bau des Logistikstandorts Halberstadt (Sachsen-Anhalt) begonnen. Die Investitionssumme liegt bei rund 500 Millionen Euro, es ist das größte Logistikprojekt der Unternehmensgeschichte. Und das mitten in einer AfD-Hochburg, denn auch in Sachsen-Anhalt erhält die Partei in Umfragen regelmäßig mehr als 30 Prozent. Gerade erst hat der Verfassungsschutz den Landesverband als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Viele Firmen schweigen zum Erstarken der AfD und möglichen Folgen
Anders als der Daimler-Truck-Chef äußern sich andere Konzerne eher zurückhaltend zu möglichen Auswirkungen des AfD-Erstarkens. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ mutmaßt: Es könnte damit zusammenhängen, dass man auch einer wachsenden Zahl von eigenen Kunden und Mitarbeitenden, die der Partei nahestehen, nicht vor den Kopf stoßen will.
Diskussionsrunde zur AfD
- Eine Diskussionsrunde befasst sich am 22. November um 19 Uhr im SKV Sandhofen (Gaswerkstraße 23, Mannheim) mit der These: „Gefahr für Deutschland – die Wirtschaftspolitik der AfD“.
- Eingeladen hat der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei den ZEW-Experten Holger Stichnoth, Stadträtin Heidrun Kämper, den DGB-Kreisvorsitzenden Ralf Heller und Walter Serif vom MM-Wirtschaftsteam.
Bei einer Umfrage der Zeitung nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern wollten sich weder Fresenius, noch Merck oder BMW zu den starken Stimmengewinnen der AfD äußern. Nur ganz wenige der Befragten äußerten sich, darunter Siemens: Aus München hieß es, Rechtspopulismus sei „nicht nur demokratie- sondern auch innovations- und fortschrittsfeindlich“. Und was sagen Unternehmen in der Region?
Der Mannheimer Südzucker-Konzern unterhält in dem Bundesland einen Standort in Zeitz. Dort befinden sich eine Zuckerfabrik und eine Weizenstärkeanlage, die Tochtergesellschaft CropEnergies betreibt zudem eine große Ethanolanlage. Der Konzern kann sich schwer vorstellen, welchen Einfluss eine Partei auf den Wirtschaftsstandort Deutschland hat, die nicht in Regierungsverantwortung ist.
Konzerne suchen im Osten verstärkt nach ausländischen Fachkräften
Grundsätzlich ist Südzucker der Ansicht: „Deutschland ist ein berechenbarer Wirtschaftspartner mit klaren gesellschaftlichen Werten und globaler Vernetzung. Dies sollte von niemanden in Frage gestellt werden.“ In den Jahren nach der Wende seien massive Anstrengungen unternommen worden, um wettbewerbsfähige Betriebe und Strukturen aufzubauen, erklärt ein Konzernsprecher. „Wir erachten diese Region auch weiterhin als attraktiven Wirtschaftsstandort und planen an unseren Standorten und in deren Umfeld weiterführende Investitionen.“
Der Osten holt auf
Lange Jahre hat es in den ostdeutschen Bundesländern vor allem Landschaft gegeben, aber wenig Industrie. Um Dresden, dem alten DDR-Computer-Standort, entwickelte sich zwar das Silicon Saxony in Anlehnung an das Silicon Valley mit Chipherstellern wie Global Foundries (USA), Infineon und XFab (beide Deutschland), in Leipzig siedelten sich BMW und Porsche an, doch der große Aufschwung, der zur Wiedervereinigung versprochen wurde, blieb aus. Jetzt geht es allerdings rasant aufwärts.
So hat der US-Elektroautobauer Tesla in Grünheide östlich Berlins im Sommer 2022 seine erste europäische Fabrik eröffnet und erweitert jetzt bereits. Südlich des thüringischen Erfurt produziert seit Ende 2022 CATL, Weltmarktführer bei Batterien für E-Autos. In Dresden will TSMC aus Taiwan, umsatzstärkster Halbleiterhersteller der Welt, von 2024 an ein neues Werk bauen und mehr als zehn Milliarden investieren. In Magdeburg plant US-Konkurrent Intel eine Fabrik und will mehr als 30 Milliarden Euro ausgeben.
Der Chemiekonzern BASF hat im brandenburgischen Schwarzheide gerade einen Standort für Kathodenproduktion eröffnet. Und das lange eher abseits gelegene Cottbus erlebt einen Aufschwung – dank Geld aus dem Transformationsfonds zum Ende des Braunkohleabbaus. Zwei Forschungsinstitute der Fraunhofer-Gesellschaft sollen entstehen, ein Uniklinikum. Außerdem setzt die Stadt auf die Strahlkraft des knapp 80 Kilometer entfernten Tesla-Werks, was weitere Unternehmen anzieht.
Einige der Investitionen sind nur möglich, weil der Staat Geld gibt. Das Intel-Werk wird mit 9,9 Milliarden Euro bezuschusst, TSMC bekommt rund fünf Milliarden Euro. Die Konzerne entscheiden sich aber auch aus anderen Gründen für Deutschland: gut ausgebildete Beschäftigte, viele Universitäten und eine ausgeprägte Forschungslandschaft. Dazu kommt die zentrale Lage in Europa, gute Infrastruktur mit Autobahnen und dem rund um die Uhr geöffneten Flughafen Halle-Leipzig. Im internationalen Vergleich sind zudem Immobilien im Osten günstig. Das Lohnniveau ist im Osten niedriger als im Westen.
Ein ganz entscheidender Vorteil: Es gibt viele große freie Flächen. So war der Tesla-Standort bereits komplett für Industrie ausgewiesen. bjh
Obgleich Sachsen-Anhalt eine AfD-Hochburg ist, will sich Südzucker verstärkt um ausländische Fachkräfte bemühen. „Bei uns arbeiten einige Fachkräfte mit Migrationshintergrund und wir zählen auch in der Zukunft auf diese“, stellt der Konzernsprecher klar. „Politische Gesinnungen, die dieser Möglichkeit entgegenstehen, werden von uns nicht unterstützt.“
Der Walldorfer Softwarekonzern SAP lässt über einen Sprecher mitteilen, bisher spüre man „kein nachlassendes Interesse von potenziellen Arbeitskräften aus dem Ausland“ an ostdeutschen Standorten.
Dass Rechtspopulismus eine abschreckende Wirkung haben kann, zeigt eine Studie des Mannheimer Wirtschaftsinstituts ZEW am Beispiel Dresden. Die hatte herausgefunden, dass nach den islamfeindlichen Pegida-Protesten 2014 die Stadt auch weniger attraktiv für Menschen aus anderen Teilen Deutschlands wurde. Sie zogen seltener nach Dresden.
BASF verweist auf viefältige und offene Unternehmenskultur
Im brandenburgischen Schwarzheide arbeiten rund 4400 Menschen inklusive externen Dienstleistern für die BASF. Dem Werk in der Lausitz kommt eine besondere Bedeutung für eine europäische E-Batterie-Produktion zu. Im Juni hat der Ludwigshafener Chemiekonzern in Schwarzheide ein Zentrum für die Produktion von Materialien für Lithium-Ionen-Batterien und Batterierecycling eröffnet. 175 Millionen Euro vom Bund und vom Land Brandenburg sind dafür geflossen.
Zur AfD will auch die BASF nichts sagen. „Als Unternehmen hat BASF die Ergebnisse freier Wahlen in einer Demokratie zu respektieren“, so ein Sprecher. Es gehöre zu den Prinzipien des Konzerns, sich im Rahmen des Dialogs mit Politik und Gesellschaft und in der unternehmensinternen Kommunikation auf fachpolitische Sachfragen konzentrieren“.
Der Sprecher verwies aber auch auf eine „offene und vielfältige Firmenkultur“. Klar sei dabei: „In unserem Unternehmen gibt es keinen Platz für rechtsextremistisches oder fremdenfeindliches Gedankengut.“
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