Familien

Kinderbetreuung in Mannheim teils schon um sechs Uhr morgens

Babysitter per App? Betreuungsplätze für kleine Kinder sind in vielen Kommunen Mangelware, auch in der Region. Um die Lücken zu füllen, schaffen Unternehmen eigene Angebote

Von 
Tatjana Junker
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Um Kinder und Beruf vereinbaren zu können, braucht es vor allem zuverlässige Betreuung. © dpa

Mannheim. Kind und Job unter einen Hut bekommen - das ist für berufstätige Eltern eine Herausforderung. Ein Knackpunkt ist dabei die Betreuung: Das Angebot an Kita- und Kindergartenplätzen ist trotz des starken Ausbaus in vielen Kommunen knapp, auch in Städten wie Mannheim. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hatte zuletzt ergeben, dass in Baden-Württemberg in diesem Jahr für rund 58 000 Kinder Plätze fehlen.

Mannheimer Startup bietet Babysitter per App

Auch private Anbieter haben das Problem längst erkannt und mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen darauf reagiert. Jüngstes Beispiel in der Region: Das Mannheimer Startup sitt.app. Es hat eine Website entwickelt, auf der Eltern und Baby- bzw. Kindersitter - sogenannte „Kükenhüter“ - gematcht werden.

„Ich war online selbst auf der Suche nach einem Babysitter für meinen damals anderthalbjährigen Sohn und habe die Schwierigkeiten, qualifizierte Betreuung zu finden, selbst erlebt“, sagt Mitgründer Jonas Fuhr. So sei er auf die Idee für sitt.app gekommen. Auf der Plattform können Eltern, die eine Kinderbetreuung suchen, mit registrierten Sittern in Kontakt kommen. Letztere müssen Fuhr zufolge ein pädagogisches Studium, eine ErzieherInnen-Ausbildung oder einen vergleichbaren Abschluss nachweisen bzw. belegen, dass sie sich in einer entsprechenden Ausbildung befinden.

Fehlende Fachkräfte

Den Umfang der Betreuung und die Bezahlung legen Eltern und Sitter individuell fest, wobei wenigstens der Mindestlohn gezahlt werden muss. Sitt.app selbst bekommt von den Sittern eine Gebühr für die Prüfung ihrer Unterlagen; Eltern, die eine passende Betreuungsperson gefunden haben, zahlen einen Beitrag, um mit ihr in Kontakt zu kommen.

In der Kinderbetreuung ist es wie in fast jedem anderen Feld - geeignetes Personal ist schwer zu finden. © Uli Deck

Im Moment befindet sich das Angebot noch im Aufbau. Vor allem werden noch Sitter gesucht - eine Herausforderung mit Blick auf den Personalmangel im Erziehungsbereich. Das Mannheimer Startup setzt deshalb vor allem auf Auszubildende und Studierende in dem Bereich. Fuhr zufolge ist das Gründerteam in Kontakt mit vielen Fachschulen und wirbt dort um angehende Erzieherinnen und Erzieher. Wie schwer es ist, genügend Betreuungspersonal zu finden, spüren unterdessen auch etablierte Anbieter wie LuKids, die Betriebskita der BASF. Sie wird seit 2005 von dem Unternehmen Edducare betrieben und gehört laut BASF zu den größten Betriebskitas in Deutschland. Betreut werden derzeit 260 Kinder in vier Häusern auf dem Campus des Chemiekonzerns, die Plätze sind ausschließlich für BASF-Beschäftigte vorgesehen. „Wir wollen Mitarbeitenden damit nach der Geburt eines Kindes den schnelleren Wiedereinstieg in den Job erleichtern und auch für potenzielle neue Fachkräfte als Unternehmen noch attraktiver werden“, sagt eine BASF-Sprecherin am Standort Ludwigshafen.

Aktuell steht Angebot nicht zur Verfügung

Normalerweise gehören zum Angebot auch drei Notfall-Betreuungsplätze. Sie können von Beschäftigten für Kinder im Alter von sechs Monaten bis 11 Jahren genutzt werden, wenn deren reguläre Betreuung kurzfristig ausfällt. Im Moment steht das Adhoc-Angebot der Sprecherin zufolge allerdings nicht zur Verfügung, weil pädagogische Fachkräfte fehlen.

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Ein besonderes Modell in puncto Kinderbetreuung ist in der Region die 2006 gegründete Familiengenossenschaft. Dort haben sich Unternehmen und Betreuungsfachkräfte zusammengeschlossen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Inzwischen betreibt die Genossenschaft sieben Kindertagespflegestellen, eine achte in Mannheim steht vor der Eröffnung. Die Plätze werden bevorzugt an Beschäftigte der rund 60 Mitgliedsunternehmen vergeben. „Wenn es darüber hinaus freie Plätze gibt, können auch Kinder aus dem Stadtteil aufgenommen werden“, sagt Heike Schreiner, Geschäftsführerin der Familiengenossenschaft.

Die Kindertagespflegestellen befinden sich in der Regel in der Nähe von Mitgliedsfirmen bzw. auf deren Betriebsgelände, beispielsweise bei John Deere. Auch die Betreuungszeiten sind teils gezielt an die Bedürfnisse der Mitgliedsbetriebe angepasst. Die Kindertagespflegestelle des Diakonissenkrankenhauses zum Beispiel öffnet morgens um 6 Uhr, an einzelnen Tagen können Kinder bis 20 Uhr betreut werden.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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