Studien

Kein großes Zurück ins Büro: Homeoffice-Schub hält an

Auch nach der Pandemie arbeiten viele Beschäftigte von zu Hause aus. Das liegt auch daran, dass die Chefs ihre Vorurteile abgebaut haben. Das hat eine Studie des Mannheimer ZEW ergeben

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Walter Serif
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Eine Frau telefoniert im Homeoffice. Jeder vierte Beschäftigte in der deutschen Wirtschaft arbeitet teilweise am heimischen Schreibtisch. © Christin Klose/dpa

Mannheim. Es gibt eine bezeichnende Szene in der brillanten Streaming Serie „The Consultant“, in der Oscar-Preisträger Christoph Waltz zur diabolischen Höchstform aufläuft. In der Rolle als soziopathischer Unternehmensberater beordert er alle aus dem Homeoffice innerhalb weniger Stunden in die Firma zurück. Die Rollstuhlfahrerin, die es nicht rechtzeitig schafft, darf nicht rein und verliert ihren Job. Wahrscheinlich war Elon Musk die Gage nicht hoch genug. Sonst hätte er auch ohne Schauspielunterricht den Part von Christoph Waltz übernehmen können. Wir erinnern uns: Nach der Übernahme von Twitter pfiff Elon Musk alle zurück ins Büro.

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Ganz so schlimm läuft es zum Glück in Deutschland nicht ab. Die Bosse haben sich mit der neuen Arbeitswelt offensichtlich abgefunden, denn auch nach dem Ende der Pandemie kehren die Beschäftigten nur zögerlich ins Büro zurück. Im April sank der Homeoffice-Anteil – so das Münchner ifo Institut – im Vergleich zum Februar nur minimal von 24,7 auf 24 Prozent. Hinter den Durchschnittszahlen verbergen sich allerdings beachtliche Unterschiede zwischen den Branchen. In der Pharmaindustrie sprang der Anteil im April von 21,6 auf 32,8 Prozent. Bei den Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern sackte er dagegen von 47,1 auf 40,1 Prozent ab. „Der Rückgang ist nur minimal, trotz der Diskussionen um die Rückkehr ins Büro. Insgesamt bleibt die Homeofficequote auf einem deutlich höheren Niveau als vor Corona“, sagt ifo-Experte Jean-Victor Alipour. 2019 waren es mit zehn Prozent weniger als die Hälfte.

Chefs denken um

Dass noch immer so viele zumindest gelegentlich am heimischen Schreibtisch arbeiten, liegt natürlich auch daran, dass die Beschäftigten Gefallen am Homeoffice gefunden haben. Arbeit, Familie und Freizeit lassen sich dadurch besser miteinander vereinbaren. Nur: Warum und wie hat sich die Sicht der Unternehmensleitung verändert? Vor Corona waren die Chefs keine großen Fans vom Homeoffice. Bleibt die Homeoffice-Quote also nur deshalb so hoch, weil die Bürokräfte es so wollen und der Arbeitgeber dem nur zähneknirschend nachgibt, weil er Angst hat, dass es dann eine Kündigungswelle gibt?

Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat in einer Studie 800 Unternehmen aus der Informationswirtschaft zwischen 2020 und 2022 befragt. Das Ergebnis ist nicht eins zu eins übertragbar, weil in der Informationswirtschaft der Homeoffice-Anteil schon vor der Pandemie höher als im Durchschnitt war.

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Das ändert aber nichts an der Tendenz der Studie: Wenn Unternehmen befürchten, dass ihre Beschäftigten während der Arbeitszeit auch Wäsche waschen oder den Hund Gassi führen, verstärkt dies eher ihre Skepsis gegen das Homeoffice. Wenn sie im Gegenteil aber merken, dass ihre Angestellten zu Hause – warum auch immer – die gleiche oder gar noch eine bessere Leistung erbringen, sperren sie sich nicht gegen das Homeoffice.

„Unter den befragten Unternehmen fällt der geplante Anstieg der Homeoffice-Nutzung deutlich stärker aus, wenn sie die Arbeit im Homeoffice im Vergleich zur Arbeit vor Ort als gleichwertig oder gar produktiver bewerten“, sagt ZEW-Wissenschaftler Daniel Erdsiek. Es besteht demnach also ein Zusammenhang zwischen der subjektiven Wahrnehmung möglicher Produktivitätseffekte und dem langfristig geplanten Homeoffice-Einsatz.

Aus Erfahrung klug geworden

Mehr als jedes dritte Unternehmen in der Informationswirtschaft hat der Studie zufolge in der Pandemie seine Einschätzung der Produktivität im Homeoffice verbessert. Bei großen Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten blicken mittlerweile sogar knapp 60 Prozent optimistischer auf die Leistungsfähigkeit der Arbeitskräfte im Homeoffice als vor Corona.

Die Unternehmen sind sozusagen aus Erfahrung klug geworden. Denn vor der Pandemie war die Sicht auf das mobile Arbeiten in vielen Betrieben verzerrt. Durch die Praxis wurden aber notorisch pessimistische Erwartungen und auch Vorurteile abgebaut. Dies ist ein möglicher Grund, dass der durch die Pandemie ja zwangsweise ausgelöste Homeoffice-Schub auch langfristig Bestand haben wird.

Mobiles Arbeiten hängt vom Job ab

Und dieser ist in bestimmten Branchen besonders groß. Bei den Computerdienstleistern und -technikern sowie in der Unternehmensberatung wird nach Angaben des ifo-Instituts extrem häufig mobil gearbeitet. Die Quote liegt bei rund 70 Prozent. Auch in der Werbung und Marktforschung ist das Heimbüro stark verbreitet. 57 Prozent der Beschäftigten arbeiten von zu Hause, das sind drei Mal so viele wie vor der Pandemie.

Dass dagegen nicht jeder Job homeofficetauglich ist, versteht sich von selbst. In den entsprechenden Branchen hat sich deshalb seit 2019 wenig getan, die Quoten bleiben niedrig. Nach Angaben des ifo Instituts liegt der Anteil in der Gastronomie unverändert bei 1,6 Prozent. In der Beherbergung stieg er von 0,6 auf 0,9 Prozent. Wer sich diese Berufe auswählt, kann vom Homeoffice deshalb nur träumen.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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