Heidelberg. Richterin Andrea Lehner schlägt eine gütliche Einigung vor, ein letztes Mal noch. Doch es gibt nichts zu holen. Zu tief sind die Gräben zwischen Betriebsrat und Management des Heidelberger Dosierpumpenherstellers Prominent.
Also fällt das Arbeitsgericht Mannheim (Kammern Heidelberg) wenig später ein Urteil. Das sieht so aus: Die fristlose Kündigung eines ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden bei Prominent ist unwirksam. Damit muss der 55-jährige Projektingenieur – mittlerweile einfaches Betriebsratsmitglied – weiterbeschäftigt werden.
Die IG Metall Heidelberg begrüßt die Entscheidung. „Wir wünschen, dass im Betrieb wieder seriös zusammengearbeitet wird – im Sinne der Beschäftigten und für die Beschäftigten“, sagt Gewerkschaftschef Mirko Geiger. Erledigt scheint der Fall allerdings noch nicht zu sein. Denn Prominent-Anwalt Kai Golücke kündigt an, in Berufung gehen zu wollen.
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Doch zurück zur jüngsten Verhandlung. Schon zuvor versammeln sich Mitstreiter des fristlos gekündigten Arbeitnehmervertreters vor dem Arbeitsgericht. Sie halten Transparente hoch: „Solidarität gegen Betriebsratsmobbing“ und „Skandal“ ist darauf zu lesen.
Um was geht es? Die Richterin blickt in aller Kürze zurück – denn der Sachverhalt sei äußerst komplex. „Sonst würden wir hier Stunden brauchen.“ Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende, er hat 20 Jahre Berufserfahrung und einen Schwerbehindertenausweis, soll kurz nach den Betriebsratswahlen im Frühjahr auf seinem privaten Facebook-Zugang abfällige Sprüche gepostet haben. Prominent hatte dem Mann daraufhin fristlos gekündigt – und ein zerstörtes Vertrauensverhältnis angeführt. Seit den Wahlen im Frühjahr ist der Projektingenieur noch einfaches Mitglied im Betriebsrat.
„Willige Schergen“
Pikant sind die Vorgänge bei Prominent vor allem deshalb, weil ausgerechnet der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger Mitglied der Geschäftsführung ist. Allerdings ist nicht er, sondern sein Bruder Andreas Dulger für das operative Geschäft zuständig, er hält auch die Mehrheitsanteile an der Firma. Die beiden Brüder reden dem Vernehmen nach kaum miteinander, das Verhältnis gilt als schwierig.
Für diese Geschichte muss man wissen, dass Andreas Dulger in einem internen Schreiben seinem Ärger über den amtierenden Betriebsrat Luft gemacht und mehr oder weniger unverhohlen zu einer Gegenkandidatur aufgerufen hatte. Die IG Metall Heidelberg sprach daraufhin von einer unerlaubten Wahlbeeinflussung seitens des Arbeitgebers. Tatsächlich bildete sich kurz darauf eine Initiative mit dem Namen „Pro Prominent“.
Nun kommen die umstrittenen Facebook-Posts wieder ins Spiel. Unter anderem lauteten sie: „Wie spaltet man Belegschaften?“ – „Willige Schergen“ – „Die Angst im Nacken vor Repressalien“ – „Das Prinzip ,Teile und Herrsche’ geht auf“ – „Diese Kreaturen spielen für sich und gegen die Kollegen“.
Patrick Fütterer, Anwalt der Betriebsratsseite, weist die Vorwürfe während der Verhandlung erneut zurück. Die Äußerungen auf dem privaten Facebook-Konto seien nicht auf Prominent bezogen gewesen, zudem hebt er die Meinungsfreiheit hervor. Das Unternehmen allerdings will das nicht gelten lassen. Die Äußerungen seien übler kaum denkbar und „starker Tobak“, erklärt Anwalt Golücke. Er weist auf Strafanzeigen im Zusammenhang mit den Posts hin, denen die Staatsanwaltschaft nachgehe. Eine weitere Zusammenarbeit? Unvorstellbar. Der Informant, der die Facebook-Posts zugespielt habe, sei übrigens unbekannt.
Aufgeheizte Stimmung
Nun sieht es zwar so aus, dass der Mann in die Firma zurückkehren darf. Doch Richterin Lehner gibt der Prominent-Seite in einigen Punkten recht: Aus Sicht des Gerichts haben die Facebook-Nachrichten sehr wohl etwas mit der Betriebsratswahl bei Prominent zu tun, dafür gebe es zu viele Parallelen. Zudem seien die Äußerungen nicht mehr durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
Für den Mann spreche allerdings, dass er bis zu dem Streit schon viele Jahre unbescholten für Prominent gearbeitet habe. Zudem erinnert Lehner daran, dass die Stimmung während eines Arbeitskampfs durchaus aufgeheizt sei. Die Arbeitsrichterin sieht keine Gefahr, dass sich ein solcher Vorfall wiederhole.
„Lediglich im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung hat das Gericht schlussendlich zugunsten des Klägers entschieden“, erklärt Prominent-Anwalt Golücke nach dem Urteilsspruch. „Während der Verhandlung hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass es sich um einen Grenzfall handle, den man in beide Richtungen entscheiden könne.“ Er ist überzeugt: Die „Interessenabwägung“ werde in der Berufungsinstanz zugunsten von Prominent ausfallen.
Bei einer Berufung kann theoretisch der gesamte Prozess noch einmal aufgerollt werden. Es können also alle Tatsachen und Fakten erneut überprüft und auch Zeugen wiederholt gehört werden. Das Landesarbeitsgericht würde sich dann um den Fall kümmern.
Ein möglicher Zeitplan dafür ist offen. In den nächsten Wochen wird den Parteien zunächst die detaillierte Urteilsbegründung zugestellt. Innerhalb einer 30-Tage-Frist kann dann Berufung eingelegt werden.
(Arbeitsgericht Mannheim, Kammern Heidelberg, Az.: 14 BV 2/22)
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