Es sind dramatische Zahlen, die Torsten Wieland, Regionsleiter Unternehmerkunden bei der Commerzbank Mannheim, nennt und dann auch gleich kommentiert. Jedes dritte Unternehmen in Baden-Württemberg will schließen, wenn kein Nachfolger gefunden wird. „Das ist schon alarmierend genug. Hinzu kommt aber, dass sich ebenfalls ein Drittel der Firmen noch nicht mit der Unternehmensübergabe beschäftigt hat“, sagt Wieland. Das ist in seinen Augen fatal, denn die Übertragung eines Betriebs in neue Hände dauert nach seiner Erfahrung rund drei bis fünf Jahre. „Wir sprechen unsere Kunden daher aktiv auf diese Thematik an.“
Die Daten, auf die sich Wieland bezieht, stammen aus einer Commerzbank-Studie. Das Meinungsforschungsinstitut Ipsos befragte 1600 Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 15 Millionen Euro. Da 100 Südwest-Betriebe teilnahmen, gibt es auch Zahlen zu Baden-Württemberg, die sich teilweise vom Bundestrend unterscheiden.
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Für zwei von fünf Unternehmen ist die Nachfolgeregelung bereits ein Thema. Die Mehrheit will potenzielle Nachfolger gezielt ansprechen und jeder fünfte Unternehmer seinen Betrieb noch maximal fünf Jahre leiten. Wer sich um die Nachfolge kümmert, nennt familiäre Gründe, außerdem sind der Gesundheitszustand und das fortgeschrittene Alter ausschlaggebend. Ökonomische Faktoren wie die finanzielle Situation, die Marktentwicklung oder der Fachkräftemangel spielen eine untergeordnete Rolle.
Ausbildungsplätze in Baden-Württemberg bleiben leer
In Baden-Württemberg steht bei der Unternehmensnachfolge also ein großer Umbruch vor. „Anders als früher bleiben viele Betriebe nicht mehr in der Familie, sondern werden von Mitarbeitern übernommen, die schon länger in der Firma sind und über die entsprechende Expertise verfügen“, sagt Wieland. Nur noch ein Viertel der Eigentümer will oder kann das Unternehmen in der eigenen Familie weitergeben.
Klar ist aber, dass Unternehmern, die ihren Betrieb nur deshalb schließen müssen, weil sie keinen Nachfolger finden, ein harter Gang bevorsteht: „Sie müssen dann ja auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kündigen. Das tut natürlich weh“, sagt Wieland. Allerdings stehen die Chancen, dass diese dann wieder einen neuen Job finden, besser denn je. Auf dem Arbeitsmarkt übersteigt ja inzwischen das Angebot die Nachfrage. Jedes zweite Unternehmen im Südwesten betrachtet den aktuellen Fachkräftemangel bereits als existenzbedrohend. Das fängt schon auf dem Ausbildungsmarkt an. „Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, gab es 100 Bewerbungen auf drei Stellen, heute bewirbt sich manchmal kein Einziger“, sagt Wieland.
Flexible Arbeitsmodelle oder Deutschlandticket als Lockmittel
Der Hälfte der Betriebe fehlen Arbeitskräfte, fünf von sechs Unternehmen finden kaum qualifiziertes Personal. „Deshalb bieten mehr als drei von fünf Unternehmen ein höheres Gehalt für die Mitarbeiter und Bewerber“, sagt Wieland. Die Hälfte der Betriebe setzt auf flexible Arbeitsmodelle oder zusätzliche Anreize wie das Deutschlandticket.
Gleichwohl sind die Möglichkeiten nicht unbegrenzt. „Es ist ein Teufelskreis, jeder braucht gute Arbeitskräfte, aber nicht jeder kann mehr zahlen. Die Kosten sind ja schon durch die Inflation und die Zinsen enorm gestiegen“, sagt Wieland.
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