Fachkräftemangel

Gastronomie: Warum die Gewerkschaft 3000 Euro für Berufseinsteiger fordert

Weil ihnen Personal fehlt, schränken Restaurants und Kneipen immer öfter ihre Öffnungszeiten ein. Die Gewerkschaft NGG sieht nur eine Lösung für das Problem: Die Branche muss Beschäftigte deutlich besser bezahlen

Von 
A. Jungert, T. Junker
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Heiß begehrt: Nachwuchsköche in einem Restaurant. © Jens Büttner/dpa

Mannheim. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ruft den „Küchen-Alarm“ aus. Der Grund: in der Gastronomie fehlt nahezu überall Personal. „Hotels, Restaurants, Gaststätten, Biergärten, Cafés, Caterings - fast alle suchen händeringend Unterstützung“, sagt Elwis Capece, Geschäftsführer der NGG Mannheim-Heidelberg. Wegen des Mitarbeitermangels bleibe vielerorts die Küche kalt. „Immer häufiger stehen Gäste vor verschlossenen Türen. Wer zum Essen rausfährt oder etwas trinken möchte, sollte sich besser vorher im Internet oder per Anruf erkundigen, ob das Lokal auch offen hat. Und vor allem, wie lange es warme Küche gibt.“

Dennis Bachmann, Geschäftsführer Politik beim Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Baden-Württemberg, hat die Zahlen zum Ernst der Lage. Demnach sind im Gastgewerbe mehr als 3500 Stellen unbesetzt. Das ist allerdings nur der offizielle Wert der Bundesagentur für Arbeit. Nicht alle Betriebe meldeten ihre offenen Stellen, sagt Bachmann. Der Dehoga schätzt daher, dass die reale „Arbeitskräftelücke“ in Baden-Württemberg um ein Vielfaches höher ist - deutlich über 10 000.

105 offene Stellen, davon 72 in Küchen

Laut NGG hat die Bundesagentur für Arbeit allein in Mannheim für die Hotellerie und Gastronomie aktuell 105 offene Stellen registriert, davon 72 unbesetzte Jobs in Küchen. „Aber auch um den Nachwuchs macht sich das Gastgewerbe Sorgen: Für die Azubi-Suche läuft der Countdown. Und es sieht nicht gut aus. Denn eigentlich müssten die Verträge für das neue Ausbildungsjahr schon längst abgeschlossen sein“, sagt NGG-Geschäftsführer Capece.

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Die Ursachen für den Personalmangel sind vielfältig. Generell ist es so, dass durch den demografischen Wandel immer weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten. Besonders die Gastronomie kämpft dabei immer noch mit den Folgen der Corona-Pandemie: Während des Lockdowns wechselten viele Beschäftigte in andere Branchen, vor allem in den Handel. In der Gastronomie ist es üblich, abends und an den Wochenenden zu arbeiten, während andere frei haben. Auch das schreckt viele Bewerberinnen und Bewerber ab.

Für die Gewerkschaft ist klar: In der Gastrobranche muss sich einiges ändern. Capece fordert höhere Löhne und bessere Arbeitszeiten, das sei der Schlüssel für mehr Personal. Konkret peilen er und die NGG insgesamt einen „Gastro-Start-Lohn“ von 3000 Euro brutto pro Monat für alle an, die in der Hotellerie und Gastronomie nach ihrer Ausbildung in einem Vollzeit-Job weiterarbeiten.

Derzeit liegt das tariflich vereinbarte Einstiegsgehalt in der Branche noch klar unter diesem Wert: In Baden-Württemberg sieht der im vergangenen Jahr abgeschlossene Tarifvertrag laut NGG aktuell ein monatliches Bruttogehalt von 2417 Euro für Berufseinsteiger mit abgeschlossener 3-jähriger Ausbildung vor. Das entspricht einem Stundenlohn von 14,30 Euro. Zum 1. Oktober dieses Jahres steigt das tarifliche Einstiegsgehalt der Vereinbarung zufolge ein weiteres Mal: Auf 15,50 Euro pro Stunde beziehungsweise 2620 Euro im Monat. Insgesamt hat der aktuelle Tarifvertrag in Baden-Württemberg eine Laufzeit bis Ende September 2024.

Kein Tariflohn in Gastronomie-Betrieben

Die Gewerkschaft beklagt allerdings, dass der Großteil der Gastronomie-Betriebe bisher keinen Tariflohn bezahlt - für Bezirkschef Capece „ein Unding, wenn man gute Leute sucht“. Nach Angaben der NGG lag die Tarifbindung in der Branche im vergangenen Jahr bundesweit bei gerade einmal 20 Prozent.

Unter dem Strich seien viele Beschäftigte der Branche von fairen Löhnen immer noch weit entfernt: „Tatsächlich schrammen Köche und Kellnerinnen in Mannheim ziemlich oft nah an der Mindestlohnkante von zwölf Euro pro Stunde entlang“, kritisiert die NGG.

Jochen Dahm hält die „schlechte Bezahlung in der Gastro“ dagegen für eine alte Mär. Er ist Geschäftsführer des Restaurants Lindbergh unweit des Mannheimer City Airports. Grundsätzlich bekämen Arbeitskräfte netto zwölf Euro die Stunde. Und ausgebildete Köche in Vollzeit verdienten im Lindbergh nicht weniger als 2500 Euro netto im Monat. Man liege also schon jetzt über der Forderung der Gewerkschaft.

Köche schrammen an der Mindestlohngrenze vorbei

Auch der Dehoga kann die Anmerkung der NGG, Köche schrammten oft nah an der Mindestlohnkante vorbei, nicht nachvollziehen. Schließlich seien sie stark nachgefragt und verdienten ein dementsprechendes Gehalt, zum Teil auch übertariflich.

Neben der Bezahlung geht es auch um andere Dinge. In vielen Betrieben gibt es laut Bachmann keine Teildienste mehr. Zudem werde der Betriebsurlaub häufig in die umsatzstarken Ferienzeiten gelegt. So wolle man die Beschäftigten bei der Arbeitszeit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen.

Auch Jochen Dahm vom Lindbergh ist ständig auf der Suche nach neuem Personal. Spaß macht das nicht, zumal Bewerberinnen und Bewerber oft nicht einmal zum vereinbarten Probearbeiten erscheinen. Dahm legt mehrere Personen auf einen Termin - weil er weiß, dass einige davon ohnehin nicht kommen. Schon länger hat das Lindbergh sonntagsabends geschlossen. Vermutlich ist das nur ein Beispiel von vielen in Mannheim und in der Region. Dahm kennt einen Gastronomen, der sein Lokal in der Nähe des Luisenparks hat und tagsüber gerne für Gäste der Buga öffnen würde. Doch er findet einfach keine Servicekräfte und Köche.

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