Industrie

Essity tüftelt an der CO2-freien Papierproduktion

Bei der Herstellung von Taschentüchern oder Toilettenpapier entsteht viel CO2, auch am Essity-Standort Mannheim. In Pilotprojekten arbeitet das Unternehmen an klimafreundlicheren Prozessen - doch es gibt  Hürden

Von 
Tatjana Junker
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Das Hygienepapier-Werk von Essity in Mannheim. Hier werden unter anderem Tempo-Taschentücher und Zewa-Küchenpapier hergestellt. © B. Zinke

Mannheim. Bis 2030 - also in rund fünfeinhalb Jahren - will die Stadt Mannheim klimaneutral sein. Erreichen lässt sich dieses Ziel nur, wenn auch die Industriebetriebe vor Ort ihre Emissionen bis dahin deutlich senken. Immerhin sind Industrie und Gewerbe in der Mannheimer CO2-Bilanz für gut 50 Prozent der klimaschädlichen Emissionen im Stadtgebiet verantwortlich.

Zu den Fabriken in Mannheim, in denen besonders viel CO2 entsteht, gehört der Standort von Essity. Hier werden Hygienepapiere, also Toilettenpapier, Taschentücher und Küchenpapier, hergestellt - ein Prozess, in dem sehr viel Energie benötigt wird. Mehrere Anlagen auf dem Mannheimer Essity-Areal unterliegen dem Europäischen Emissionshandel. Aus einer gerade veröffentlichten Liste der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) geht hervor, dass in diesen Anlagen im vergangenen Jahr insgesamt knapp 196 000 Tonnen CO2 ausgestoßen wurden.

Förderung für Investition am Mannheimer Standort

Zum Vergleich: Im Grosskraftwerk Mannheim - dem der Kapazität nach größten Steinkohlekraftwerk Deutschlands - fielen 2023 rund 3,4 Millionen Tonnen an, in emissionshandelspflichtigen Anlagen der BASF am Standort Ludwigshafen waren es laut DEHSt knapp 4,9 Millionen Tonnen. Der Lkw- und Busbauer Daimler Truck ist auf der Liste mit seiner Gießerei in Mannheim ebenfalls vertreten. Dort fielen demnach 2023 rund 21 400 Tonnen CO2 an.

Essity selbst hat sich zum Ziel gesetzt, spätestens bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Bis 2030 will das schwedische Unternehmen - Hauptsitz von Essity ist Stockholm - seinen weltweiten CO2-Ausstoß um 35 Prozent senken. Dazu laufen verschiedene Projekte.

Integrierte Produktion

  • In Mannheim steht das größte Hygienepapierwerk von Essity in Europa.
  • Neben Toilettenpapier und Küchenpapier der Marke Zewa werden am Standort seit dem vergangenen Jahr auch Taschentücher der Marke Tempo hergestellt.
  • Die Papierfabrik in Mannheim hat zudem eine integrierte Produktion. Das heißt, dass das Unternehmen dort auch den Zellstoff, aus dem das Hygienepapier hergestellt wird, selbst produziert. Der größte Teil des Zellstoffs entsteht aus Holz, ein kleinerer Teil aus Stroh. tat

Aktuell investiert Essity am Standort Mannheim 22 Millionen Euro in einen sogenannten Nasselektrofilter. Damit sollen Rauchgase, die in der Fabrik entstehen, gereinigt werden. Weil die Nutzung von Nasselektrofiltern bislang einmalig in der deutschen Industrie sei, wird das Pilotprojekt aus dem Umweltinnovationsprogramm des Bundesumweltministeriums mit rund 1,7 Millionen Euro gefördert.

Was bringt die geplante Investition konkret in Sachen Klima- und Umweltschutz? Essity zufolge werden mit Hilfe der neuen Anlage künftig die Feinstaub- und Schwefeldioxid-Emissionen des Werks halbiert. Gleichzeitig würden ausgefiltertes Magnesiumoxid und Schwefel wieder zurück in den Produktionsprozess geführt. Pro Jahr ließen sich so 104 Tonnen CO2-Äquivalente einsparen, die sonst bei der Primärherstellung von Magnesiumoxid und Schwefeldioxid entstehen würden. „Mit dem neuen Nasselektrofilter unterbieten wir die derzeit gültigen Vorgaben und sind auch für die Zukunft bestens aufgestellt“, wird Essity-Projektleiter Klaus Kuhn in einer Mitteilung zitiert.

Am Essity-Standort in Mainz-Kostheim kommt inzwischen an einer Papiermaschine auch grüner Wasserstoff zum Einsatz. © Essity

Während bei der jüngsten Investition in Mannheim vor allem die Reduktion von Feinstaub- und Schwefeldioxid-Emissionen im Mittelpunkt steht, ist der Effekt auf die CO2-Bilanz des Unternehmens - gemessen an den Gesamtemissionen - eher überschaubar. Hier dürften wiederum zwei andere Projekte des Hygienepapierherstellers eine größere Rolle spielen.

So forschen die Schweden aktuell gemeinsam mit dem Technologiekonzern Voith an einem Verfahren zur CO2-neutralen Papierproduktion. Dazu wurde am Voith-Standort Heidenheim eine entsprechende Pilotanlage aufgebaut, die nach früheren Angaben des Unternehmens zu 100 Prozent elektrisch laufen soll. Auf fossile Brennstoffe könne man so komplett verzichten, auch der Wasserverbrauch soll deutlich sinken. Im Mai dieses Jahres hat das Bundeswirtschaftsministerium zugesagt, das Pilotprojekt mit insgesamt 14,5 Millionen Euro zu fördern.

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Mit weiteren Details zu dem neuen, laut Essity „bahnbrechenden Verfahren“ halten sich die beiden Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt noch zurück, da sich das Vorhaben noch in der Entwicklung befindet. Weiter ist Essity unterdessen bei einem anderen Projekt zur CO2-freien Papierproduktion: An seinem Standort in Mainz-Kostheim arbeitet das Unternehmen schon seit einiger Zeit an einer Papiermaschine, die mit grünem Strom und grünem Wasserstoff betrieben wird. Letzterer wird im Trocknungsprozess eingesetzt und ersetzt dort das bisher verwendete Erdgas.

Grüner Wasserstoff als Hoffnungsträger

Insgesamt können einer Sprecherin zufolge dadurch Papierhandtücher produziert werden, die einen um 68 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck haben gegenüber dem vergleichbaren, herkömmlich hergestellten Produkt. Bisher werden mit dem neuen Verfahren aber nur kleinere Mengen produziert, weil in Mainz nur eine Maschine entsprechend umgestellt wurde.

Grüner Wasserstoff, also Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, gilt als Hoffnungsträger für die Energiewende in der deutschen Industrie. Um dort fossile Energieträger wie Gas abzulösen, müsste er allerdings erst einmal in ausreichender Menge zur Verfügung stehen - und das zu wettbewerbsfähigen Preisen. Zwar hatte die Bundesregierung im Jahr 2020 eine Nationale Wasserstoffstrategie verkündet. Insgesamt hinkt die heimische Produktion dem Bedarf allerdings noch extrem hinterher, und der Ausbau kommt nur langsam voran.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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