Industrie

DyStar-Fabrik in Ludwigshafen vor dem Aus

Der Textilfarbenhersteller DyStar plant harte Einschnitte in Ludwigshafen und will die Indigo-Fabrik bis Ende des Jahres 2024 schließen. Was dahintersteckt und wie viele Beschäftigte betroffen sind

Von 
Alexander Jungert
Lesedauer: 
Bürogebäude von DyStar in der Lagerhausstraße in Ludwigshafen. Die Fabrik selbst befindet sich auf dem Gelände der BASF. © Thomas Tröster

Ludwigshafen. Der Textilfarbenhersteller DyStar plant harte Einschnitte in Ludwigshafen und will die Indigo-Fabrik bis Ende des Jahres 2024 schließen. Etwa 80 Beschäftigte sind betroffen. „Wir verstehen, dass sich die Änderung auf unsere Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten auswirken wird“, heißt es in einer Mitteilung von DyStar. „Wir möchten Ihnen versichern, dass wir uns verpflichtet haben, alle betroffenen Parteien während des gesamten Restrukturierungsprozesses mit gebührendem Respekt und Würde zu behandeln.“

Abfindungspakete geschnürt

Indigo dürften alle Verbraucherinnen und Verbraucher kennen: Mit dem Farbstoff, der heutzutage synthetisch hergestellt wird, werden die klassischen Blue Jeans gefärbt. Die Fabrik von DyStar befindet sich auf dem Gelände der BASF. Das ist historisch bedingt – dazu später mehr. Der „Restrukturierungsplan“, so sagt es das Unternehmen, soll schrittweise durchgeführt werden. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden Abfindungspakete geboten. Weitere Details dazu gibt es nicht. Auch was mittelfristig mit dem Fabrikgebäude passieren soll, ist noch offen.

Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!

Für Gunther Kollmuß, Bezirksleiter Ludwigshafen bei der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ist klar: „Der Jobabbau muss sozialverträglich ablaufen.“ Zudem müsse ein „Betriebsübergang“ geregelt werden. Damit meint Kollmuß, dass DyStar-Beschäftigte künftig woanders unterkommen werden. Vielleicht bei der BASF, zumal die Fabrik auf dem Gelände des Konzerns steht. Oder bei anderen Chemieunternehmen, von denen es in der Region einige gibt. Laut Kollmuß sollen demnächst die Verhandlungen über einen Interessenausgleich beginnen. Dieser befasst sich unter anderem mit dem zeitlichen Ablauf der Betriebsschließung.

„Wichtiger strategischer Schritt“

DyStar bezeichnet sich selbst als „führendes Spezialchemieunternehmen“, es hat rund 1700 Mitarbeiter in 50 Ländern und an 14 Produktionsstandorten. Die Zentrale befindet sich im „International Business Park“ der asiatischen Metropole Singapur.

Tatsächlich ist es so, dass die Indigo-Produktion mittlerweile aus Kostengründen hauptsächlich in Asien stattfindet. Dazu passt auch, wie sich Xu Yalin, Präsident der Dy-Star-Gruppe, in einer Mitteilung zu den Einschnitten in Ludwigshafen äußert: „Dies ist ein wichtiger strategischer Schritt (. . .). Angesichts höherer Energiekosten und Inflation ist DyStar entschlossen, die Kosteneffizienz weiter zu verbessern und die nachhaltige Produktivität voranzutreiben.“ Man wolle sich auf die Entwicklung wichtiger Schwellenmärkte konzentrieren. Auch diese sind vor allem in Asien. Die Verlagerung der Ludwigshafener Indigo-Produktion kommt für Insider nicht überraschend, zumal der Textilfarbenhersteller in der Vergangenheit schon einige Restrukturierungen hinter sich gebracht hat.

Wie kommt nun der BASF-Bezug zustande? Dazu eine Reise zurück ins Jahr 1897. Damals bringt das Unternehmen „Indigo rein BASF“ auf den Markt. Der synthetisch hergestellte Farbstoff wird seinerzeit vor allem zur Färbung von Stoffen für Uniformen und Arbeiterkleidung verwendet.

Mehr zum Thema

Hauptversammlung

Bilfinger-Aktionäre unzufrieden mit digitalem Format

Veröffentlicht
Von
Bettina Eschbacher
Mehr erfahren
Interview

BMW-Finanzchef: „Wir hecheln doch nicht Tesla hinterher“

Veröffentlicht
Von
Karsten Kammholz und Walter Serif
Mehr erfahren
Spiegelfabrik

So entstand die Spiegelfabrik in Mannheim-Luzenberg

Veröffentlicht
Von
Eva Baumgartner
Mehr erfahren

Ihm steht weltweit ein ertragreicher Markt offen, und Indigo wird bald zu einem Verkaufsschlager der BASF. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, der mit großem unternehmerischen Risiko verbunden ist: 17 Jahre Forschung und Entwicklung sind notwendig, um die Synthese des begehrten Blaufarbstoffs zu realisieren. Dazu investiert die BASF 18 Millionen Goldmark – mehr als ihr damaliges Grundkapital.

Kultkleidung einer Generation

Die Monopolstellung der Ludwigshafener ist schnell futsch, denn fünf Jahre später bringt auch Hoechst ein synthetisches Indigo auf den Markt. Indigo muss zudem schon bald der Konkurrenz aus dem eigenen Hause weichen: Die licht- und waschechten BASF-Indanthrenfarben verdrängen ihn zunehmend vom Markt. In den folgenden Jahrzehnten droht sogar die Einstellung der Produktion. Doch dann folgt in den 1960er Jahren der Siegeszug der Jeans. Blue Jeans werden zur Kultkleidung einer ganzen Generation. Und Indigo wird zum zweiten Mal eine tragende Säule des BASF-Farbstoffgeschäfts.

Später wechselt der Indigo-Standort in Ludwigshafen mehrfach den Besitzer. 1995 gründen Bayer und Hoechst den Textilfarbenhersteller DyStar, im Jahr 2000 bringt sich die BASF mit ihren Farbstoffaktivitäten ein. 2004 verkaufen die drei Chemiekonzerne ihr Gemeinschaftsunternehmen an den US-Finanzinvestor Platinum Equity. 2009 meldet DyStar Insolvenz an, wird aber fortgeführt. Mittlerweile gehört das Unternehmen der Zhejiang Longsheng Group.

Indigo hat in Ludwigshafen also eine traditionsreiche Geschichte. Nun steht die DyStar-Fabrik vor dem Aus. „Die Gruppe bleibt ihren Kunden verpflichtet und wird sie weiterhin über unsere anderen Standorte in unserem globalen Netzwerk bedienen“, heißt es am Ende der Mitteilung.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen