Arbeitsplätze

Droht der Bilfinger-Zentrale in Mannheim ein Kahlschlag?

An diesem Donnerstag treffen sich die Bilfinger-Aktionäre - virtuell - zur Hauptversammlung. Die Belegschaft in der Mannnheimer Bilfinger-Zentrale dürfte aber mehr beschäftigten, wie sicher ihre Jobs sind angesichts des Effizienzprogramms von Vorstandschef Thomas Schulz. Es gibt Warnungen vor einem radikalen Stellenabbau und sogar dem Wegzug der Hauptverwaltung.

Von 
Bettina Eschbacher
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Die Bilfinger-Zentrale in Mannheim-Almenhof – der Mietvertrag für die Büros der bislang 230 Beschäftigten läuft bis 2028. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Droht dem Bilfinger-Standort Mannheim eine neue Radikalkur oder gar der totale Bedeutungsverlust? Es gibt Spekulationen, dass die Verwaltung geschlossen und teilweise an andere Standorte verlagert wird. Der Mannheimer Industrie-Dienstleister hat schon mehrere harte Sparprogramme hinter sich. Doch das ist nicht das Ende der Fahnenstange: Vorstandschef Thomas Schulz hat ein Effizienzprogramm ausgerufen, das vor allem die Verwaltung schlanker machen soll. Fragen und Antworten zum aktuellen Stand bei Bilfinger:

Um was geht es in dem neuen Effizienzprogramm überhaupt?

Thomas Schulz, seit gut einem Jahr Vorstandschef von Bilfinger, hat im November 2022 seine neue Strategie verkündet. Er will, dass der Industrie-Dienstleister für seine Kunden die Nummer Eins wird, wenn es um Effizienz und Nachhaltigkeit geht. Im Zuge dieser Strategie hat er das Effizienzprogramm ausgerufen. Es ist ausdrücklich nicht als reines Sparprogramm definiert, sondern soll den Konzern schlagkräftiger, schlanker und innovativer machen. Eingespart werden soll dennoch ein großer Brocken: 55 Millionen Euro im Jahr ab Ende 2023.

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Was bedeutet das für die Belegschaft?

750 Arbeitsplätze sollen weltweit bis zum Jahresende wegfallen. „Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Prüfung der Verwaltung und der administrativen Abläufe“, erklärt eine Bilfinger-Sprecherin. Ziel sei, Arbeitsabläufe im gesamten Konzern zu standardisieren, Strukturen in der Verwaltung zu vereinfachen und Tätigkeitsfelder zu reduzieren. Ein Viertel der eingesparten Mittel soll aber wieder der Belegschaft zugutekommen: Das Geld soll in Aus- und Weiterbildung investiert werden.

Wird die Mannheimer Zentrale verkleinert oder gar geschlossen?

Diese Redaktion hat eine Mail eines anonymen Absenders bekommen: Danach plant der Vorstand, in Mannheim 140 Stellen abzubauen. Dann würden von 230 Beschäftigten nur noch 90 Mitarbeitende übrigbleiben. Zudem heißt es in der Mail, dass die Mannheimer Zentrale geschlossen und an andere Standorte – Wiesbaden oder Frankfurt – verlegt wird. Bei Bilfinger hält man sich auf Nachfrage bedeckt zu konkreten Zielen und Zahlen. Derzeit laufen mit den Sozialpartnern auf Konzernebene sowie den Betriebsräten in den Gesellschaften und Regionen darüber Gespräche. „Erst wenn sie abgeschlossen sind, können wir über weitere konkrete Maßnahmen informieren“, so die Sprecherin. Zur Bedeutung der Zentrale für den Konzern oder zur Haltung des Vorstands dazu gibt es keine Aussagen – also auch kein Bekenntnis zu Mannheim.

Was sagen der Betriebsrat und die Gewerkschaft?

Die Gewerkschaft IG Bau verweist auf den Betriebsrat. Der Betriebsrat in Mannheim wiederum will einen Abbau von 140 Stellen oder gar den Abzug der Zentrale weder dementieren noch bestätigten. Auch er beruft sich auf die laufenden Verhandlungen und will sich nicht äußern.

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Wie schlimm kann es Mannheim treffen?

Fakt ist, dass der Konzern derzeit große andere Standorte hat, an dem wichtige Bilfinger-Gesellschaften sitzen. Die Zentrale hat zudem in den vergangenen Jahren stetig an Größe und Bedeutung verloren. So wurde das Personal in der Hauptverwaltung in den vergangenen Jahren schon deutlich dezimiert: 2015 waren es noch 330 Beschäftigte, Ende 2022 noch 230. Das hatte aber auch damit zu tun, dass große Unternehmensteile verkauft wurden – es also weniger Umsatz und Arbeit gab.

Warum steht die Zentrale wieder im Fokus der Sparpläne?

Die Bilfinger-Sprecherin betont, dass das neue Programm alle Bilfinger-Niederlassungen weltweit betreffe. Allerdings hatte Schulz im Februar erklärt: „Wo wir viel abbauen, richtet sich danach, wo die meisten Verwaltungsstrukturen sitzen.“ Und die Mannheimer Zentrale habe naturgemäß „sehr viel Verwaltung“.

Wie sieht es mit dem Sitz der Zentrale aus?

Auch am Sitz der Zentrale lässt sich der Schrumpfungsprozess von Bilfinger in Mannheim nachvollziehen: Der jetzige Standort ist weit entfernt von den einst ehrgeizigen Plänen des früheren Vorstandschefs Roland Koch. Der wollte eine neue Firmenzentrale für 40 bis 60 Millionen Euro im Mannheimer Glückstein-Quartier errichten – als „Visitenkarte des Unternehmens“. Der Mietvertrag für die bisherige Hauptverwaltung an der Augustaanlage war ausgelaufen. In dem Hochhaus hatte Bilfinger rund 60 Jahre residiert. Dann geriet der Konzern jedoch in heftige Turbulenzen, schrieb Verluste, es wurde hart gespart. Der Neubau wurde 2015 abgeblasen. Schließlich wurde 2018 ein neue – wenig prunkvolle, dafür funktionale – Zentrale im Mannheimer Stadtteil Almenhof bezogen – gemietet auf zehn Jahre.

Wie tickt der Bilfinger-Chef Schulz eigentlich?

Thomas Schulz kam zu Bilfinger, als die große Krise nach einer erfolgreichen Sanierung überstanden war. Schulz ist in seinem Berufsleben viel im Ausland herumgekommen, vor allem in Skandinavien. Das hat ihn geprägt. Der promovierte Ingenieur gilt als Freund von flachen Hierarchien und einfachen Strukturen. Seiner Überzeugung nach ist das die Voraussetzung, um komplexe Management-Entscheidungen zu treffen. So wurde der Vorstand von drei auf zwei Mitglieder – Schulz und Finanzvorstand Matti Jäkel – verkleinert. Sein Ziel für Bilfinger: „operative Exzellenz“. Schulz pendelt von Frankfurt nach Mannheim, ist aber auch viel unterwegs an anderen Konzern-Standorten.

Was hat es mit dem kurzen Gastspiel der neuen Kommunikationschefin auf sich?

Marion Sommerwerck kam im September 2022, um die Kommunikationsabteilung von Bilfinger zu leiten. Inzwischen ist sie schon wieder weg. Ihre Nachfolgerin ist die bisherige Leiterin der Pressestelle, Anette Weidlich. Sie erklärt auf Nachfrage, der Weggang Sommerwercks habe nichts mit dem Effizienzprogramm zu tun. Einen anderen Grund nannte sie nicht.

Wie läuft das Geschäft bei Bilfinger?

2022 lief es gut: Der Umsatz stieg um 15 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro. Der Gewinn lag bei 28 Millionen, allerdings belastet durch Rückstellungen für das Effizienzprogramm. Bilfinger will eine Dividende von 1,30 Euro je Aktie zahlen. Am 11. Mai werden die Zahlen für das 1. Quartal 2023 veröffentlicht. An diesem Donnerstag findet die virtuelle Hauptversammlung statt. (mit jung)

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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