Gastronomie

Digitales Trinkgeld – was Kunden in Mannheim dazu sagen

Mit der Karte im Restaurant zu zahlen, ist für viele schon normal. Auch die Trinkgeld-Kultur könnte sich durch digitale Bezahlsysteme verändern.

Von 
Kilian Harmening
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Mannheim. Es piept nicht. Ramona Heck will nur schnell ihren Kaffee zahlen, doch es passiert nichts, als sie ihre EC-Karte an das Lesegerät hebt. Bis ihr auffällt: Der Bildschirm erlaubt ihr das kontaktlose Bezahlen noch gar nicht. Stattdessen erscheint die Frage, ob sie nicht noch fünf, sieben oder zehn Prozent dazugeben möchte. „Kein Trinkgeld“ steht zwar auch zur Auswahl – aber unauffällig, ein hellblauer Button auf blauem Hintergrund. Direkt ins Auge springen nur die anderen Auswahlmöglichkeiten, in Weiß unterlegt.

Heck zögert kurz, tippt dann aber hastig auf die erstbeste Variante, die ihr in den Sinn kommt: oben links. Fünf Prozent also für den Kaffee, trotz Selbstbedienung. „Wenn ich die Option nicht gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich kein Trinkgeld gegeben“, sagt sie. „Deshalb ist es schon clever.“

Seit Dezember nutzt das Café „Star Coffee“ unweit der Mannheimer Kunsthalle solche Geräte, die den Kunden prozentgenaue Vorschläge als Geste für guten Service unterbreiten. Wobei eben auffällig viele SB-Restaurants darauf setzen, die ihren Service bis zur Zahlung noch gar nicht unter Beweis stellen können. Die Aufforderung zum Trinkgeld erscheint damit nicht als Dankeschön, sondern eher als Vorschuss für ein nettes Lächeln.

Inflation beeinflusst Trinkgeld-Höhe

• Nur drei Prozent aller Deutschen geben laut Statistischem Bundesamt generell kein Trinkgeld.

• Gut jeder dritte Deutsche meint: „Die Inflation hat die Höhe meines Trinkgelds beeinflusst.“ Das legt eine Umfrage des Kassenanbieters Lightspeed aus 2024 nahe.

• Nur vier Prozent sind bereit, bei gutem Essen und Service mehr als zehn Prozent Trinkgeld zu geben, sagt das Statistische Bundesamt. Das führt zu der Vermutung, dass hohe Voreinstellungen von 15 bis 20 Prozent Kunden eher vergraulen.

• Eine Studie in den USA will das belegt haben: Bei einem mobilen Kartengerät gaben Kunden zwar öfter Trinkgeld, kamen aber deutlich seltener erneut, wie das ARD-Format funk berichtet. Die Studie lasse sich allerdings nicht 1:1 auf unsere Trinkgeldkultur übertragen.

• Bargeldloses Zahlen ist Alltag: Knapp 90 Prozent aller Gastro-Betriebe bieten es an, fast jede zweite Zahlung erfolgt bereits per Karte. harm

Dies könnte auf einen bevorstehenden Wandel der Trinkgeldkultur hindeuten. Die Initiative zum Danke sagen geht dann nicht mehr von einem zufriedenen Kunden aus, sondern von einem Gerät. Es lässt sich auch als Reaktion von Gastronomen darauf verstehen, dass viele bei Kartenzahlung eher dazu neigen, passend zu zahlen. In einer Zeit, in der dieses bargeldlose Zahlen immer mehr wird, sehen sich einige Gastronomen wohl gezwungen, etwas entgegenzusetzen – um sich sogar eigeninitiativ ein Trinkgeld auszuhandeln.

Erfolgreich – bei Kunden wie Ramona Heck. Bestellen und abholen muss sie ihr Heißgetränk an der Theke selbst. Grenzwertig findet sie das aber nicht, sondern zeigt Verständnis. „Ich hatte ja auch die Option, kein Trinkgeld zu geben“, meint sie. „Deshalb ist es in Ordnung.“ Vielleicht auch, weil es hier gemütlich zugeht. Zwischen viel Holz, warmem Licht und Wohnzimmeratmosphäre lassen sich leichter ein paar Prozente extra zahlen als zwischen Kofferrollen und Zugansagen.

Hektischer und auf dem Sprung sind die Kunden im Mannheimer Hauptbahnhof. Ist das ein Ort, an dem Menschen von sich aus gerne Trinkgeld geben? Eher nicht, zeigt ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin einer Bäckerei. Auf die Frage, wie man denn hier Trinkgeld geben kann, reagiert sie kurz irritiert. Bar eben, digital geht das nicht. Ob sie denn häufiger Trinkgeld erhält? „Schon“, sagt sie zögerlich. Dann konkretisiert sie, was sie meint: aufgerundete Beträge, fünf Cent vielleicht.

Das Management einer Kaffee-Kette will das offenbar ändern. In dessen Filiale am Hauptbahnhof gibt es ein Gerät mit Trinkgeldfunktion erst seit März. Schon jetzt hat eine Mitarbeiterin den Eindruck: Die Technik wirkt, ihr spült sie etwas mehr Geld in die Tasche.

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„Bisschen unnötig“, findet dagegen Maggie Lettermann und lacht. Bei einer Fast-Food-Kette würde sie ja auch kein Trinkgeld geben, meint die Studentin, die auf ihren Kaffee zum Mitnehmen wartet. Sie drückte auf „No tip“, ebenso der junge Mann neben ihr, er heißt Tim, seinen Nachnamen verrät er nicht. „Ich gebe meistens eher Trinkgeld, wenn ich mich dann auch vor Ort hinsetze“, stellt er klar. Ihm gefällt die digitale Aufforderung zum Trinkgeld nicht: „Ich finde, man wird da manchmal ein bisschen unter Druck gesetzt.“

Skepsis bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Alexander Münchow, Landesbezirkssekretär bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Südwest, sieht es mit Skepsis, dass das Trinkgeld digitaler wird. „Wenn man die Option hat, Trinkgeld bar zu geben, landet es halt direkt im Portemonnaie der Angestellten“, wirbt er um die Vorteile des Bargelds. Mit dem Siegeszug der Kartenzahlung geht seiner Ansicht nach ein Stück Kontrolle verloren. Immer wieder höre er von „kruden Methoden“, wie Vorgesetzte Trinkgelder einbehalten.

In einer Pizzeria unweit des Wasserturms hat jeder Mitarbeiter sein eigenes Bezahlgerät. Das Trinkgeld, das darauf eingeht, ist eindeutig zuzuordnen. Schon seit fünf Jahren gibt es dort Auswahloptionen, wobei die niedrigste wohlgemerkt bei acht Prozent liegt. Maggie Lettermann würde sich hier nicht davor scheuen, „Anderer Betrag“ zu wählen, um einen kleineren Betrag einzugeben. Nichtsdestoweniger schätzt sie in Restaurants die Geräte. „Da finde ich es gut. Gerade, wenn man mit Karte zahlt, ist es direkt erledigt.“

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