Interview

Darum ist Sparkassen-Chef Peter Schneider ein Bargeld-Fan

Tempo 200 auf der Autobahn gehört für Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg, nicht zur persönlichen Freiheit. Bargeld aber schon. Warum ihm das so wichtig ist

Von 
Walter Serif
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Über den Dächern von Stuttgart: Sparkassen-Präsident Peter Schneider (l.) und Redakteur Walter Serif. © Ines Rudel

Mannheim. Herr Schneider, wie viel Bargeld haben Sie in Ihrer Brieftasche?

Peter Schneider: Da muss ich erst in meinem alten Geldbeutel nachschauen. 35 Euro sind es. Meine Frau hält mich immer ein wenig knapp.

Gehört für Sie das Bargeld zur persönlichen Freiheit wie Tempo 200 auf der Autobahn?

Schneider: Auf Tempo 200 bin ich nicht so versessen, aber Bargeld ist für mich in der Tat zentral, wenn es um meine Freiheit geht. Zwar habe ich nichts zu verbergen und könnte Ihnen deshalb alle meine finanziellen Transaktionen offenlegen. Aber Sie müssen auch wissen, dass man schon mit 80 Kontobewegungen ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellen kann.

Wollen Sie mir Angst einjagen?

Schneider: Nein, natürlich wird so etwas in Deutschland nicht gemacht. Aber wer kann garantieren, dass das so bleiben wird? Wir haben in der Vergangenheit ja schon dunkle Zeiten erlebt. Damals konnten die Menschen versuchen, ihre Privatsphäre abzuschirmen. Aber in einer Welt völlig ohne Bargeld geht das nicht mehr. Da sind wir nah am gläsernen Menschen. Wer die Zahlungsverkehrsdaten hat, kann viel über die Lebensumstände bis hin zu politischen Grundeinstellungen ableiten. Deswegen ist es gut, diese Daten in vertrauensvollen Händen zu lassen und daneben einen völlig anonymen Freiraum zu haben. Deshalb bin leidenschaftlich für Bargeld als festen Bestandteil im Bezahlmix..

Peter Schneider

  • Peter Schneider wurde am 27. Juli 1958 in Riedlingen geboren.
  • Der gelernte Jurist war von 1992 bis 2006 Landrat in Biberach und von 2001 bis 2016 CDU-Landtagsabgeordneter.
  • Bereits seit Mai 2006 ist Schneider Präsident des baden-württembergischen Sparkassenverbands. Er tritt nach knapp 18 Jahren Ende April in den Ruhestand.
  • Sein Nachfolger ist Landrat Matthias Neth (CDU).

Die Sparkasse Niederdorfelden in Hessen gibt gar kein Bargeld mehr aus. Davon halten Sie nichts, oder?

Schneider: Ja, gar nichts. Wir als Sparkassen müssen immer die Verteidiger des Bargelds sein. Ich weiß natürlich, dass immer mehr Vorgänge bargeldlos ablaufen.

Haben Sie da etwas dagegen?

Schneider: Nein. Ich will aber, dass die Kundinnen und Kunden immer selbst entscheiden können, wie sie bezahlen. Es muss da auch einen geschützen Raum geben.

Ohne Geldautomaten ist die Bargeldbeschaffung natürlich nicht so einfach. Auch immer mehr Sparkassen reagieren auf die Geldautomatensprengungen damit, dass sie keine neuen mehr aufstellen.

Schneider: Jetzt übertreiben Sie aber. Die Bargeldversorgung ist bei den Sparkassen in hohem Maß gewährleistet. Und wir wollen und müssen sie aufrechterhalten, obwohl wir damit ganz häufig kein Geld verdienen. Es ist aber bemerkenswert wie der Staat da agiert.

Was hat denn der damit zu tun?

Schneider: Viel. Der Staat hat das Gewaltmonopol, und er muss zuerst schauen, dass er das Problem in Griff bekommt.

Jetzt soll der Staat also für Sie die Arbeit übernehmen.

Schneider: Das habe ich nicht gesagt. Wir rüsten ja überall unsere Automaten sicherheitstechnisch nach. Keine Sparkasse will, dass ihre Geldautomaten gesprengt werden.

Die Frage ist nur, ob die Banken da auch genug tun. Deshalb gibt es auch die Überlegung, dass der Staat den Banken vorschreibt, wie sie ihre Geldautomaten noch besser nachrüsten sollen.

Schneider: Ich bitte Sie! Dann kann der Staat den Bürgerinnen und Bürgern gleich auch noch vorschreiben, wie sie ihre Häuser sichern sollen, damit keiner mehr einbricht. Das ist doch eine verkehrte Welt. Die Sicherheitsbehörden sollten ihre eigenen Hausaufgaben machen und diese Schwerkriminellen fangen. Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen und sind sehr interessiert daran, dass jeder seinen Teil dazu beiträgt, das Phänomen einzudämmen. Der Täterkreis lässt sich ja leicht eingrenzen.

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Die meisten Diebe kommen aus den Niederlanden.

Schneider: Eben, das wissen wir doch alle. Ich will aber das Problem nicht dramatisieren, die Zahl der Sprengungen ist leicht rückläufig, weil sich die bisherige Nachrüstung unserer Bankomaten bereits ausgezahlt hat, ebenso die polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen. Im Übrigen gehen die Verbrecher immer häufiger leer aus.

Themenwechsel. Die Wirtschaftsvertreter lassen kein gutes Haar an der Ampel. Sind Sie auch so enttäuscht?

Schneider: Mich beunruhigt, dass sich bei uns die Leistungsträger . . .

… jetzt wollen Sie also die Steuern der Reichen senken …

Schneider: … nein, nein, Leistungsträger sind für mich nicht nur die Topentscheider, sondern das sind die Leute, die jeden Tag arbeiten gehen und da ihren Mann oder ihre Frau stehen. Wenn sich aber viele Menschen vom Staat entfernen und so kritisch eingestellt sind wie noch nie, ist das ein alarmierendes Zeichen.

Sie meinen jetzt die Protestwähler, die auf die AfD setzen?

Schneider: Nicht nur die. Das Problem ist einfach, dass in der Politik zu wenig vorangeht. Ich nenne Ihnen einmal ein einfaches Beispiel. Viele Bürgerinnen und Bürger stehen unserer Form der Migration kritisch gegenüber. Und dann kommt das Thema Bezahlkarte auf.

Es gibt auch Stimmen, die die Einführung der Bezahlkarte für reinen Populismus halten.

Schneider: Die Befürworter glauben aber, dass dadurch der materielle Anreiz für Flüchtlinge geringer wird, nach Deutschland zu kommen, und keine unerwünschten Zahlungsströme in die Herkunftsländer entstehen. Unabhängig von alldem: Für die Sparkassen-Finanzgruppe wäre es eine einfache Übung, ein solches Bezahlkartensystem aufzubauen. Deshalb ist die Politik auch an uns mit der Bitte herangetreten: Könnt ihr da für uns etwas machen? Und was ist passiert? Es gibt keine einheitliche Lösung. Jeder macht etwas anderes.

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Und nach einem Jahr haben die Sparkassen noch immer kein Geld mit der Bezahlkarte verdient.

Schneider: Moment mal! Wir wollen kein Geld verdienen und haben deshalb ein Gebot zum Selbstkostenpreis abgegeben. Ein solches Hin und Her kann sich die politische Führung dennoch nicht erlauben.

Als CDU-Mann fällt es Ihnen natürlich leicht, gegen die Regierung zu wettern.

Schneider: Meine Kritik richtet sich nicht nur an eine Partei, sondern generell an die Politik. Ich persönlich glaube, dass zu wenig Erfahrung und Kompetenz im Spiel ist. Wir haben im Politik-Betrieb einfach zu viele Leute, die noch nie etwas anderes gemacht haben. Das ist auf Dauer nicht gut. Wenn jemand einen Beruf erlernt hat, sei es als Journalist oder als Lehrerin, wenn man auf dem Bau oder im Haushalt gearbeitet hat, dann hat man einen anderen Erfahrungshorizont und kann auch besser in der Politik agieren.

Also zu wenig Praxiserfahrung?

Schneider: Ja, aber auch eine völlige wirtschaftliche Abhängigkeit vom Mandat. Das ist nicht gut.

Sie haben der Politik bei der Jahrespressekonferenz des Sparkassenverbands eine Mitschuld daran gegeben, dass die Baukreditnachfrage stark eingebrochen ist. Liegt das nicht eher an den überhöhten Immobilienpreisen und den gestiegenen Zinsen?

Schneider: Wir haben da eine merkwürdige Lage. Die Nachfrage nach Immobilien ist groß. Das Geld und die Investoren wären auch da. Natürlich sind die im historischen Vergleich noch immer sehr niedrigen Zinsen gestiegen. Aber sie waren nicht der hauptsächliche Auslöser der Krise. Die Gründe dafür liegen woanders.

Bitte schön!

Schneider: Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Eintragungsgebühren – all das frisst viel zu viel Eigenkapital auf. Und die Baukosten, die aufgrund vieler Auflagen hoch sind, müssten dringend gesenkt werden. Da liegt der Ball im Feld der Politik. Oder warum werden zum Beispiel die Schuldzinsen vom Fiskus nicht anerkannt? Ich sehe eine große Gefahr: Es wird nicht lange dauern, dann verschwinden die Kapazitäten in der Bauwirtschaft wie vorher in der Gastronomie. Und wenn dann der Aufschwung wiederkommt, fehlen diese Arbeitskräfte.

Gibt es vielleicht an der Zinsfront bald Entwarnung? Die Inflation sinkt in der EU kräftig. Müsste die Europäische Zentralbank jetzt nicht reagieren?

Schneider: Nein, sie handelt vollkommen richtig, weil die Inflation noch nicht die Zielmarke von zwei Prozent erreicht hat. Vorher kann die EZB die Zinsen nicht senken.

Im Sommer vielleicht?

Schneider: Das weiß Stand heute niemand. Entscheidend sind jetzt erst einmal die Tarifverhandlungen. Zu hohe Abschlüsse würden natürlich die Inflation wieder anheizen.

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Der größte Coup Ihrer 18-jährigen Laufbahn beim Sparkassenverband war das Investment in den baden-württembergischen Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW.

Schneider: Die Einschätzung würde ich so nicht teilen. Wenn dann war TransnetBW eher das Sahnehäubchen. Ich habe mich in der Tat stark für die Beteiligung an dem Übertragungsnetzbetreiber engagiert und bin froh, dass es geklappt hat. Wir wollten verhindern, dass zum Beispiel eine ausländische Investmentgesellschaft die Anteile an einer so wichtigen Infrastruktur übernimmt. Ohne den Ausbau der Übertragungsnetze funktioniert die Energiewende nicht. Der Ausbau der Strom-Autobahn vom Norden nach Süden ist für die Wirtschaftskraft Baden-Württembergs von großer Bedeutung. Der Staat kann die Energiewende aber nicht allein finanzieren. Dazu braucht es privates Kapital. Wir als Finanzgruppe haben bewiesen, dass wir solche Investments stemmen können.

Ihre Kontakte als früherer Landespolitiker haben Ihnen beim Strippenziehen bestimmt geholfen.

Schneider: Wir mussten an einem Bieterverfahren teilnehmen. Da bekommen Sie nichts geschenkt. Immerhin hat uns die Beteiligung mit knapp 25 Prozent an dem Energieunternehmen eine ordentliche Stange Geld gekostet. Und klar ist, dass wir in den nächsten Jahren gemäß unseres Anteils viel Kapital zusätzlich investieren müssen.

Anders als bei der Bezahlkarte wollen sie bei dem Geschäft natürlich auch Geld verdienen. Sie können Ihren Anlegern jetzt neue nachhaltige Produkte verkaufen.

Schneider: Das stimmt. Wir arbeiten derzeit an einem Sparbrief Nachhaltigkeit. Unsere Zielgruppe sind normale Anlegerinnen und Anleger, denen wir klar sagen können, dass ihr Geld vor Ort und sinnvoll investiert wird. Solche Anlagemöglichkeiten fördern natürlich auch die Akzeptanz der Energiewende, wenn sie sich rentieren.

Ist es eigentlich ein Naturgesetz, dass der Sparkassenpräsident wie auch Ihr Nachfolger Matthias Neth immer ein Mann sein muss, der auch noch der CDU angehört?

Schneider: Überhaupt nicht. Wir wählen als Person immer die oder den Besten aus, der zur Verfügung steht. Die Versammlung hat eine gute Wahl getroffen.

Eine Frau mit SPD-Parteibuch ist also auch möglich?

Schneider: Natürlich, wenn sie die Kompetenz dafür hat. Aber es ist keine angetreten. Wir brauchen viel mehr Frauen in Führungspositionen. Wir tun uns da schwer.

Was machen Sie am 1. Mai, Ihrem ersten Tag als Rentner?

Schneider: Da stehe ich ganz früh zur Bockjagd auf. Um halb vier setze mich mit meinen Freunden auf den Hochsitz in meiner Heimat auf der Schwäbischen Alb. Danach geht es gemütlich zum Frühschoppen. Ohne Zeitdruck.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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