Mannheim. Es ist inzwischen der vierte Prozess am Mannheimer Landgericht, bei dem es um Betrugsvorwürfe in Zusammenhang mit dem Abrechnen von Corona-Bürgertests gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg geht. 518 000 Euro sollen dem 36-jährigen Angeklagten zu Unrecht überwiesen, weitere Forderungen verhindert worden sein. Als Besonderheit wird dem Gebäudereiniger versuchte räuberische Erpressung zur Last gelegt.
Aufgrund der Untersuchungshaft wurde das Verfahren gegen den Mittdreißiger beschleunigt. Die noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen richten sich außerdem gegen zwei beschuldigte Frauen. Der einstige Geschäftspartner des Angeklagten, ein Mannheimer Apotheker, der ebenfalls im Fokus staatsanwaltschaftlicher Recherchen stand, ist im Januar vergangenen Jahres überraschend während eines Urlaubs im Ausland gestorben.
Zum Start des bis Mitte Juni mit 15 Verhandlungstagen terminierten Prozesses gibt Andreas Lindenthal, Vorsitzender Richter der Großen Wirtschaftsstrafkammer, bekannt, dass um die 80 Zeugen gehört werden sollen – sofern ohne ein Geständnis streitig verhandelt und die komplexe Materie minuziös ausgeleuchtet werden müsse.
Wie die vom Ersten Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge verlesene Anklage ausführt, geht die Strafverfolgungsbehörde davon aus, dass der Apotheker, salopp ausgedrückt, vorgeschoben wurde, um jenen Testzentren, die der Gebäudereiniger sowohl in Mannheim-Käfertal wie beim Fußball-Nachwuchszentrum des VfR betrieben hat, einen rechtmäßigen Anstrich zu geben.
Keine Genehmigung nötig
Denn Dienstleister der Gesundheitsbranche, beispielsweise Ärzte und Pharmazeuten, benötigten während der Covid-Pandemie keine spezielle Genehmigung für Corona-Bürgertests. Laut Anklage sollen in jenen von dem Apotheker-Kompagnon betriebenen Zentren eine große Zahl von Virus-Analysen entweder mittels mehrfach verwendeter Personendaten oder frei erfunden geltend gemacht worden sein. Außerdem geht es um mobile Testungen in Firmen, die gar nicht der KV hätten in Rechnung gestellt werden dürfen.
Nach dem Tod des Geschäftspartners hat offenbar die Nachlassverwalterin gutgläubig von jenen 922 000 Euro, welche die Kassenärztliche Vereinigung zu Unrecht dem Apotheker überwiesen hatte, mehr als die Hälfte, nämlich 518 000 Euro, an den Angeklagten weitergeleitet, um dessen eingereichten Provisionen zu begleichen.
Und damit das Nachlassgericht dem Kompagnon des verstorbenen Apothekers schnellstmöglich dessen geforderten Beträge zukommen lässt, soll der Angeklagte telefonisch einem Mitarbeiter gedroht haben: Er bringe jeden Einzelnen um – „und das mit Freude“ –, wenn er nicht unverzüglich sein Geld komme. Um noch weiteren geltend gemachten Leistungen in Höhe von 690 000 Euro Nachdruck zu verleihen, soll der Testbetreiber einen Tag später nach Stuttgart zur Kassenärztlichen Vereinigung gereist sein – wo man ihm allerdings den Zutritt verwehrte. Wenig später wurde der Mannheimer verhaftet.
Den Vorwurf der räuberischen Erpressung räumt der Angeklagte ein. Verteidigerin Jenny Mohne verliest eine Erklärung im Namen ihres Mandaten, der sich ansonsten zu direkten Fragen nicht äußern will. Wie die Anwältin ausführt, bereue der 36-Jährige seine Drohung per Telefon – diese sei unter dem Druck sich zuspitzender Ereignisse erfolgt. Ihr Mandant wolle eine psychologische Therapie samt Anti-Aggressionstraining absolvieren.
Jurist soll Ablauf geprüft haben
Nach Schilderung der Anwältin hatte der Angeklagte mit den jeweiligen Abrechnungen überhaupt nichts zu tun – weil schon wegen dessen Rechtschreibproblemen ausgemacht gewesen sei, dass der befreundete Apotheker diesen Part komplett übernehme. Außerdem sei alles so abgelaufen, wie es ein Jurist rechtlich abgesegnet hatte. Es wird allerdings eingeräumt, dass die Honorierung von Personal über Provision pro erfolgter Testung möglicherweise zu fiktiven Eingaben motiviert haben könnte.
Der Prozess wird am 7. März fortgesetzt.