Prozess

Betrug bei Corona-Hilfen: Mannheimer Gericht verhängt Freiheitsstrafen

Wegen Millionenbetrugs bei staatlichen Corona-Hilfen wurden ein Unternehmer und ein Jurist am Mannheimer Landgericht zu hohen Strafen verurteilt.

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Zwei Männer haben laut Mannheimer Landgericht mit Millionenbeträgen bei den staatlichen Corona-Hilfen betrogen. © Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Rhein-Neckar. Ein mehrfach vorbestrafter Unternehmer, der gestand, Corona-Hilfen in Millionenhöhe betrügerisch erschlichen zu haben, und ein bis zu dem Verfahren unbescholtener Anwalt, der vehement eine Mittäterschaft bestritt – unterschiedlicher hätten die zwei Angeklagten nicht sein können.

Jetzt sind die beiden Männer, jeweils Ende Fünfzig, am Mannheimer Landgericht von einer Großen Wirtschaftsstrafkammer zu einer gleich hohen Gefängnisstrafe verurteilt worden - je fünf Jahre. Die zu Unrecht kassierten Subventionen werden eingezogen.

Wie wohl der umtriebige Tausendsassa-Unternehmer im Schlabberhemd und der Anwalt im dunklen Anzug zusammengefunden haben - das fragten sich so manche Prozessbeobachter während der 25 Verhandlungstage.

„Fake“-Firmen greifen 3,5 Millionen Euro Corona-Hilfe ab

Schon viele Jahre vor der Virus-Pandemie, so war zu hören, hatte der Heidelberger Jurist den umtriebigen Geschäftsmann mit Hang zur Hochstapelei beraten. Als der Unternehmer Dutzende still gelegte GmbH-Hüllen kaufte, um die vermeintlichen Firmen mit gefälschten Angaben trickreich für staatliche Unterstützungsbedingungen bei Umsatzeinbrüchen während Corona passend zu machen, war schnell klar: Es bedurfte eines „prüfenden Dritten“, um die Anträge überhaupt stellen zu können. Und diese sollten sich zwischen 2020 und 2022 auf satte 23,6 Millionen Euro summieren, von denen dreieinhalb Millionen auf Konten der „Fake“-Firmen überwiesen wurden.

Am elften Verhandlungstag legte der in Spanien verhaftete Geschäftsmann ein Geständnis ab und räumte ein, Hauptprofiteur gewesen zu sein. Er gab an, den Tatplan gemeinsam mit seinem Anwalt ausgeheckt zu haben – was dieser bestritt. Ja, er stellte die Anträge für Corona-Hilfen und bekam dafür Honorar, so der Jurist. Aber er habe keine Ahnung gehabt, dass es die Firmen gar nicht gab: „Ich bin selbst hinters Licht geführt worden.“

Betrug bei Corona-Hilfen: Staatsanwaltschaft geht von bandenmäßigem Tatplan aus

In der Prozess-Zielgeraden trug der Anwalt seitenlange handschriftlich verfasste Einlassungen vor, in denen er der Staatsanwaltschaft „unwahre Behauptungen“ wie „manipulative Verdrehungen“ vorwarf. Und auch am letzten Sitzungstag verlas er eineinhalb Stunden lang ausschweifende Stellungnahmen, kritisierte Ermittler für ihren „Tunnelblick“ . Sichtlich aufgewühlt schilderte er in seinem „letzten Wort“, dass für ihn und seine Frau „die Welt zusammengebrochen ist“. Davor hatte er das Gericht mit dem Ansinnen verblüfft, ihm für letzte Beteuerungen eine Woche Vorbereitungszeit zu geben.

Wer hat gelogen – der Unternehmer, der den Anwalt als Komplize belastete, oder der Jurist, der behauptete, von den Schein-Firmen nichts gewusst zu haben? Staatsanwältin Laura Müller ging in ihrem Plädoyer von einem bandenmäßigen Tatplan aus. Sie forderte für den Geschäftsmann sechs Jahre und für den Anwalt fünf Jahre neun Monate plus Berufsverbot.

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Die Verteidigerin des Unternehmers, Brigitte Bertsch, räumte ein, dass dieser „Ideengeber“ war, aber dazu einen Komplizen als vorgeschriebenen „prüfenden Dritten“ brauchte. Dass einem juristischen Profi all die Merkwürdigkeiten nie aufgefallen sein wollen, sei genauso wenig plausibel wie die mit Chats geschaffene „Papierlage“ eines angeblich gutgläubigen Anwalts. Sie plädierte im Falle ihres Mandanten für eine Strafe nicht über drei Jahre.

Die Verteidiger des angeklagten Juristen monierten, das Geständnis des Unternehmers sei in puncto gemeinsamer Tatplan nicht gründlich überprüft worden. Und wenn in der Heidelberger Kanzlei tatsächlich alle Fäden zusammengelaufen wären, dann hätte sich der Jurist wohl nicht mit einem Erfolgshonorar von zehn Prozent begnügt. Der Anwalt sei zwar im Prozess „allen ziemlich auf die Nerven gefallen“, dies dürfte aber beim Urteil keine Rolle spielen. Sein Kollege Sean Hörtling kritisierte, mit ihrem Mandanten sei „nicht fair“umgegangen worden. Die Verteidigung forderte Freispruch oder maximal eine achtmonatige Bewährungsstrafe.

Bei Corona-Hilfen betrogen: Männer bleiben im Gefängnis

Warum das Gericht letztlich dem sich als Opfer darstellenden Anwalt nicht geglaubt hat, erläuterte der Vorsitzende Richter Peter Boos: Kaum nachvollziehbar sei, dass all „die vielen Unstimmigkeiten“ ein erfahrener Jurist nicht bemerkt haben will. Die Kammer sah außerdem ein Tatmotiv: Die finanzielle Situation sei keineswegs „so rosig“ wie dargestellt gewesen - „bei dem Immobiliendarlehen wurden nur noch die Zinsen gezahlt und nicht mehr getilgt“. Ausgerechnet am Tag für die eidesstattliche Vermögensauskunft habe der Anwalt den ersten falschen Antrag auf Corona-Hilfe eingereicht. Anders als die Staatsanwältin ging das Gericht nicht von „bandenmäßigem“ Handeln aus und hielt auch kein Berufsverbot für notwendig.

Dass der Geschäftsmann als Hauptprofiteur ebenfalls zu fünf Jahren verurteilt wurde, hat er wohl seinem Geständnis zu verdanken. Der 59-Jährige muss die zu Unrecht kassierten Corona-Hilfen zurückerstatten. Wer weiß, vielleicht tauchen ja noch die verschwundenen Millionen auf. Der Anwalt hatte Tage zuvor auf die an ihn geflossenen Honorare von 360.000 Euro verzichtet. Da die Haftbefehle fortbestehen, bleiben die beiden in U-Haft sitzenden Männer im Gefängnis.

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