Mannheim. Mercedes-Benz - das ist für Thorsten Wieking eigentlich fast sowas wie Familie. Sein Vater hat 40 Jahre lang in der Mannheimer Niederlassung gearbeitet, sein Schwiegervater war hier beschäftigt. Auch seine Frau hat Wieking hier kennengelernt. Er selbst ist seit 29 Jahren bei dem Unternehmen angestellt. Eine Arbeit bei Mercedes-Benz sei für ihn und viele seiner Kollegen „immer ein Job fürs Leben“ gewesen, sagt der Mitarbeiter, doch nun könnte es anders kommen: Denn der Stuttgarter Pkw-Hersteller will seine Autohäuser verkaufen. Wieking weiß also nicht, für wen er künftig arbeiten wird - und zu welchen Konditionen.
Um dagegen zu protestieren, hat er sich an diesem Vormittag mit seinen Kollegen bei der Mannheimer Niederlassung versammelt. Mit Trillerpfeifen und einem großen Transparent laufen sie zum Hauptgebäude, wo wenig später eine Betriebsversammlung stattfinden soll.
Was die Mannheimer Betriebsratschefin sagt
Mit im Protestzug läuft auch Birgit Krall. Die alleinerziehende Mutter arbeitet ebenfalls schon lange bei Mercedes-Benz. Angefangen hat sie dort 1981. „Ich habe gehofft, dass ich bis zur Rente hier im Unternehmen bleiben kann, aber das wird ja nun nichts“, sagt sie. Belastend ist für sie vor allem die Unsicherheit: Wer wird den Betrieb, bei dem sie nun schon so lange arbeitet, übernehmen? Und: Verdient sie bei einem neuen Arbeitgeber vielleicht weniger als jetzt? Dass die Sorge vor einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch einen Verkauf im Moment viele in der Belegschaft umtreibt, weiß auch Jutta Knapp. Sie ist Betriebsratsvorsitzende der Mannheimer Niederlassung, zu der auch die Autohäuser in Heidelberg und Landau gehören. Insgesamt arbeiten hier mehr als 600 Menschen.
Laut Knapp haben viele von ihnen - vor allem Ältere, die schon lange dabei sind - derzeit bessere Konditionen als die, die im Kfz-Tarifvertrag vereinbart sind. „Selbst wenn ein neuer Eigentümer also Tarif bezahlt, würde das für einen Teil der Kolleginnen und Kollegen bedeuten, dass sie künftig deutlich weniger verdienen“, sagt sie.
Und auch um einen Teil der Arbeitsplätze bangt die Betriebsratschefin bei einem Verkauf. „Das betrifft vielleicht weniger die Werkstätten. Aber in den indirekten Bereichen, wie beispielsweise im Personalbüro, hat ein neuer Eigentümer ja auch schon eigene Leute“, sagt sie.
IG Metall will möglichst viel herausholen
Bei der Gewerkschaft IG Metall in Mannheim zeigt man sich unterdessen kampfbereit: „Wir werden das Unternehmen nicht aus der Verantwortung lassen. Der Verkauf ist aus unserer Sicht ein schwerer Fehler. Wenn wir ihn schon nicht verhindern können, dann wird er für Mercedes-Benz zumindest teuer“, sagt Thomas Hahl, Erster Bevollmächtigter. Die Gewerkschaft sei in der Belegschaft der Niederlassung Mannheim stark vertreten. Laut Hahl lässt die IG Metall in Mannheim derzeit unter anderem prüfen, welche Pflichten sich für das Unternehmen aus der geltenden Beschäftigungssicherung für die Autohäuser ableiten. Sie läuft bis Ende 2029. „Es kann ja nicht sein, dass solche Vereinbarungen durch einen Verkauf einfach hinfällig werden“, so der Gewerkschaftschef.
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„Mercedes-Benz steht zu seiner sozialen Verantwortung. Bei einer möglichen Neuaufstellung wird es nicht zu Kündigungen kommen“, erklärt das Unternehmen. „Wir wollen die Arbeitnehmervertretung eng in die Prüfung einbinden und stehen zur ,Zukunftssicherung 2029‘.“ Bundesweit gibt es rund 80 Niederlassungen, bei denen rund 8000 Menschen beschäftigt sind.
Betriebe sind profitabel
Wie es um die Zukunft der Niederlassung Mannheim-Heidelberg-Landau steht, ist offen. Der Stuttgarter Autobauer will sich auf Anfrage nicht zu einzelnen Standorten äußern. Klar ist, dass der Vertrieb neu aufgestellt werden soll. „Die Elektrifizierung, Digitalisierung und stetig wandelnde Kundenbedürfnisse stellen dabei neue Anforderungen an den zeitgemäßen Vertrieb.“ Laut einem Sprecher sind die konzerneigenen Niederlassungen profitabel.
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Nach „sehr guten Erfahrungen in verschiedenen europäischen Märkten“ werde nun auch in Deutschland geprüft, wie die Niederlassungen eigenständiger aufgestellt werden können - „dabei ist auch ein Verkauf an erfahrene und renommierte Händlergruppen nicht ausgeschlossen“. Die Prüfung erfolge ergebnisoffen und schrittweise. Jede Niederlassung werde individuell geprüft.
Mercedes-Benz stellt Bedingungen an Käufer
An Käufer stellt der Konzern Bedingungen: Retail Expertise, unternehmerische Kompetenz, wirtschaftliche Stärke, Investitionsbereitschaft, Zukunftsfähigkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber Arbeitnehmervertretungen. Nur wer alle Vorgaben erfüllt, komme als potenzieller Käufer infrage. Der Sprecher stellt klar: „Wir planen nicht, an reine Finanzinvestoren zu verkaufen.“ Zudem sei eine Schließung von Standorten nicht geplant.
„Die Stimmung war gereizt, die Enttäuschung ist sehr groß“, berichtet Jutta Knapp aus der Betriebsversammlung. „Jeder, der sich im Vertrieb auskennt, stellt die Sinnhaftigkeit der Pläne infrage.“ Mit verschiedenen Aktionen wolle man den Vorstand wachrütteln. Ihre Hoffnung, den Verkauf noch zu verhindern, ist indes klein. „Es wäre nicht die erste Vorstandsentscheidung, die falsch ist.“ Knapp spielt auf die Übernahme von Chrysler durch den früheren Vorstandschef Jürgen Schrempp an. Kauf und späterer Wiederverkauf haben Mercedes viel Geld gekostet.
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