Bahntechnik

Alstom-Zukunftstarifvertrag gilt nicht für Mannheim

Mit einem Zukunftstarifvertrag sollen bei Alstom Jobs und Standorte bundesweit vorerst gesichert werden. Für Mannheim gilt er allerdings nicht. Die Hintergründe

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Alexander Jungert
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Das Werk von Alstom im Mannheimer Stadtteil Käfertal. © Christoph Blüthner

Mannheim/Berlin. Nachdem der Zukunftstarifvertrag für Alstom unterzeichnet worden ist, freuen sich alle. Er sei ein „echter Meilenstein“, sagt Müslüm Yakisan, Präsident der Region Deutschland, Österreich und Schweiz bei Alstom. Der lange Weg habe sich gelohnt, erklärt Jürgen Kerner, für die Bahnindustrie zuständiges Vorstandsmitglied der IG Metall. Und René Straube, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Alstom, findet: „Unsere beiden wichtigsten Ziele sind mit diesem Tarifvertrag erreicht: Beschäftigung sowie Standorte sind vorerst gesichert, und durch Produktivitätssteigerung werden wir auch mittel- und langfristig in Deutschland produzieren.“ Ende gut, alles gut?

Fast. Denn für Mannheim gilt der Zukunftstarifvertrag nicht. Mannheim sei „der einzige abstimmungspflichtige Standort, an dem die Mitglieder der IG Metall mehrheitlich gegen die Annahme des Zukunftstarifvertrags gestimmt haben“, sagt ein Sprecher von Alstom. Janna Köke aus der Geschäftsführung der Mannheimer IG Metall erklärt, in den vergangenen Jahren sei am Standort viel Vertrauen verspielt worden. Deshalb hätten die Gewerkschaftsmitglieder die bundesweit ausgehandelten Vereinbarungen für sich abgelehnt. „Das Unternehmen sollte alles tun, um verlorenen gegangenes Vertrauen gegenüber den Beschäftigten wieder herzustellen“, sagt sie.

Rund 1000 Beschäftigte in Mannheim

Mannheim mit rund 1000 Beschäftigten spezialisiert sich auf Forschung und Entwicklung, ist bekannt für seine Stromrichter und Batterieladetechnologien. Die Produktion wurde unter Bombardier größtenteils nach Spanien verlagert. Eine kleine, in der Stromrichter für Straßenbahnen hergestellt werden, ist aber noch hier. Anfang 2021 hatte der französische Alstom-Konzern die Bahnsparte von Bombardier übernommen. Somit gehört auch der Mannheimer Standort seither zu Alstom. Ruhe ist allerdings nicht eingekehrt.

Rund 18 Monate hat es bis zum unterschriebenen Zukunftstarifvertrag gedauert. Auslöser für die Verhandlungen war ein „Transformationsplan“, den Alstom Ende 2021 angekündigt hatte. Bundesweit sollten rund 1300 Arbeitsplätze gestrichen werden, hauptsächlich in der Produktion. Mannheim wäre zwar im Vergleich zu ostdeutschen Standorten glimpflich davon gekommen. Doch die Sorge galt und gilt der technologischen Exzellenz Mannheims - die durch den Abzug von Entwicklungsmandaten leiden könnte. Nach früheren Angaben der Arbeitnehmervertretung sind die in Mannheim entwickelten Stromrichter konzernweit technologischer Spitzenreiter, vor allem bei Disziplinen wie elektrische Bremse und elektrische Notbremse bis zum Stillstand. Das Unternehmen hatte zuletzt betont, die Innovationskraft des Werks weiterhin fördern zu wollen. Nur eben gezielter.

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Im Zukunftstarifvertrag sind nun drei wichtige Punkte geregelt. Erstens: Beschäftigung bei Alstom wird in den nächsten drei Jahren grundsätzlich gesichert. „Personalanpassungen“ - also das Streichen von Arbeitsplätzen - seien „nur unter gemeinsam festgelegten und vertraglich fixierten Voraussetzungen möglich“. Entscheidend sind Auslastung und Kapazitäten der Standorte. Diese werden regelmäßig überprüft.

Zweitens: Die Beschäftigten machen finanzielle Zugeständnisse, „einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr“. Dabei geht es den Angaben nach ausschließlich um tarifliche Sonderzahlungen und freiwillige Leistungen des Arbeitgebers. „Das monatliche Gehalt und die Anbindung an die Fläche der Metall- und Elektroindustrie bleibt unberührt.“ Beim Erreichen bestimmter erfolgsbezogener Kennzahlen sollen die zuvor einbehaltenen tariflichen Sonderzahlungen im Folgejahr zurückgezahlt werden.

Drittens: Jeder Standort erhält einen Schwerpunkt mit klarem Aufgabenspektrum. Zudem werden pro Jahr zwei Prozent des Deutschland-Umsatzes in die deutschen Standorte investiert, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Kompetenzzentrum für Lokomotivgeschäft angedacht

Dass die IG-Metall-Mitglieder in Mannheim die Vereinbarungen mehrheitlich abgelehnt haben, bedeutet unter anderem, dass die Standortspezialisierung nicht greift. Nach früheren Angaben war für Mannheim das Kompetenzzentrum für das Lokomotivgeschäft angedacht. Der Konzernsprecher sagt: „In konstruktiven Gesprächen wird nun geprüft, welchen Beitrag der Standort Mannheim zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Alstom in Deutschland leisten kann.“

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Aus Sicht von Gewerkschafterin Köke hat Alstom das unter Bombardier verspielte Vertrauen nicht wieder aufbauen können. „Im Gegenteil haben die Ankündigungen von Alstom bezüglich des Abzugs von Entwicklungsmandaten dazu geführt, dass die Beschäftigten nicht bereit waren, Entgeltbestandteile einzuzahlen“ - selbst, als Alstom ihnen Konsequenzen angedroht habe.

Trotz aller Freude über den Zukunftstarifvertrag, die an anderen Standorten herrscht: Für die Kolleginnen und Kollegen sei er gleichzeitig ein starker Einschnitt, erklärt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende René Straube. „Deswegen ist es wichtig, dass sich die erwarteten Erfolge auch einstellen.“

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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