Mannheim/Paris. Seit der französische Alstom-Konzern Anfang 2021 die Bahnsparte von Bombardier übernommen hat, gibt es vermehrt Unruhe. Auch im Mannheimer Werk brodelt es.
Die Arbeitnehmervertretung fürchtet um die technologische Exzellenz. Nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden Thomas Merz (kleines Bild) ist dem Standort quasi über Nacht das Entwicklungsmandat für Stromrichter entzogen worden – ohne dass dieser Schritt entsprechend kommuniziert worden sei. Die Sorge ist nun, dass das Alstom-Werk Mannheim von einem langjährigen Innovationstreiber und Entwicklungsstandort zu einer „Programmierwerkbank“ Frankreichs werden könnte. Mit Aufgaben, die sich nach Belieben auch in anderen Ländern programmieren ließen. Ausgerechnet jetzt, da „erstklassiges Zugmaterial“ für die Mobilitätswende gebraucht werde.
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Mannheim (ehemals Bombardier) mit rund 1000 Mitarbeitern spezialisiert sich auf Forschung und Entwicklung, ist bekannt für seine Stromrichter und Batterieladetechnologien. Der Standort verfügt noch über eine kleine Produktion, in der Stromrichter für Straßenbahnen hergestellt werden.
Nach Angaben der Arbeitnehmervertretung sind die in Mannheim entwickelten Stromrichter konzernweit technologischer Spitzenreiter, vor allem bei Disziplinen wie elektrische Bremse und elektrische Notbremse bis zum Stillstand. Geht diese Expertise durch umstrittene Entscheidungen aus Paris nun verloren?
Das Unternehmen sieht das nicht so. „Die Innovationskraft des Standorts Mannheim wird auch weiterhin stark gefördert, aber fokussierter als in der Vergangenheit“, teilt ein Sprecher mit. Die weltweiten Geschäftsaktivitäten von Alstom fußten auf drei Säulen: Schienenfahrzeuge/Komponenten, Digitalisierung und Services. „Mannheim ist einer der wenigen Standorte im Konzernverbund, dessen Tätigkeiten sämtliche Geschäftsbereiche abdecken.“ Um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, solle sich der Standort über die nächsten Jahre weiter spezialisieren und sich zum Kompetenzzentrum für das Lokomotivgeschäft entwickeln. Diese Pläne seien seit längerer Zeit bekannt.
Die Arbeitnehmervertretung moniert, das Unternehmen habe zwei Gesichter. Nach außen hin werde eine heile Welt präsentiert, hinter den Kulissen allerdings gehe es anders zu. Merz berichtet von einem „unangemessenen Verhalten“. Die Kommunikation sei schlecht, Umstrukturierungspläne kämen in der Regel ohne jegliche Vorwarnung. Argumente würden „niedergebrüllt“. Auch habe man festgestellt, dass Führungspositionen bei Alstom in Mannheim in kurzen Abständen neu besetzt würden.
Wechsel an der Spitze
Der Standort hatte im Juli 2021 eine neue Leiterin bekommen: Karin Sautter. Sie beteuerte, dass Mannheim gut positioniert sei und unter Alstom eine „sehr positive Zukunft“ haben werde. Sautter ist allerdings nicht lange geblieben. Seit April dieses Jahres führt Klaus Skabrond den Standort. Zu den Gründen für den Wechsel macht der Sprecher keine Angaben. Auch auf die Vorwürfe, der Umgang mit der Arbeitnehmervertretung sei harsch, geht er nicht direkt ein. Die Rede ist lediglich von „engen Verhandlungen“, die „vertraulich“ geführt würden.
Der Grund für die vermehrte Unruhe liegt noch woanders: Bei Alstom läuft gerade ein Sparprogramm (das Unternehmen nennt es Transformationsplan). Bundesweit sollen rund 1300 Arbeitsplätze gestrichen werden, hauptsächlich in der Produktion. Davon betroffen sind vor allem Standorte im Osten. Alstom will betriebsbedingte Kündigungen vermeiden und wenn möglich auf „sozialverträgliche“ Lösungen wie Vorruhestandsregelungen setzen.
In Hennigsdorf bei Berlin sind 350 bis 450 Jobs gefährdet, in Görlitz (Sachsen) 300 bis 400. Betriebsräte und IG Metall haben erbitterten Widerstand angekündigt. „Die Lage ist hochgradig bedrohlich“, sagt René Straube, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Alstom Gruppe Deutschland. In Mannheim sollen 25 Jobs in der Produktion wegfallen.
Dass Alstom hervorhebt, gleichzeitig Arbeitsplätze in anderen Sparten zu schaffen – Software, Digitalisierung, Ingenieurleistungen – beeindruckt die IG Metall kaum. Personalabbau und Einschnitte hätten noch nie dafür gesorgt, dass ein Unternehmen attraktiv für Beschäftigte sei. Die Gewerkschaft fordert statt Einsparungen einen Zukunftstarifvertrag. Dort könnte festgehalten werden, welche Investitionen geplant sind und wie sich die Standorte weiterentwickeln sollen.
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