Arbeitslosigkeit

Agentur für Arbeit: Warum eine Mannheimerin Andrea Nahles um Hilfe bat

Im März 2024 will Diana H. in Rente gehen, trotzdem schickte sie die Mannheimer Arbeitsagentur noch in eine Maßnahme zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit. Ein Fehler, wie die Behörde schließlich einräumt

Von 
Tatjana Junker
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Das Logo der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Eine Mannheimerin hat sich dort über eine aus ihrer Sicht „unsinnige“ Maßnahme beschwert. © dpa

Mannheim. Dass sie mal einen Brief an Andrea Nahles schreiben würde - damit hätte Diana H. wirklich nicht gerechnet. Überhaupt konnte sich die Mannheimerin lange Zeit kaum vorstellen, dass sie mit der Agentur für Arbeit - deren Bundeschefin Nahles ist - näher in Berührung kommt. Schließlich hat die heute 63-Jährige fast ihr ganzes Leben lang Vollzeit gearbeitet.

Doch im November 2022, nach rund 44 Berufsjahren bei einem alteingesessenen Mannheimer Unternehmen, wird Diana H. arbeitslos. Bereits im Herbst 2021, mitten in der Pandemie, kommt es bei ihrem Arbeitgeber nämlich zu einem größeren Personalabbau. Diana H. fürchtet die Kündigung, unterschreibt einen Aufhebungsvertrag und kann zunächst noch zwölf Monate lang in einer Transfergesellschaft unterkommen. Dort macht sie unter anderem ein vierwöchiges Bewerbungstraining.

Im November 2022 fällt die Mannheimerin dann in die Arbeitslosigkeit. Sie bekommt Arbeitslosengeld I, bewirbt sich auf verschiedene Stellen - vergeblich. Anfang Juli 2023 wird Diana H. schließlich von der Mannheimer Agentur für Arbeit in eine Maßnahme zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit geschickt.

Kurz vor der Rente

Für die inzwischen 63-Jährige ist die Zuweisung allerdings völlig unverständlich - schließlich steht sie nach eigenen Worten kurz vor der Rente. „Wegen meiner langen Berufstätigkeit kann ich zum 1. März 2024 ohne Abschläge in Rente gehen, also in etwa neun Monaten. Das habe ich fest vor, und das habe ich der Mitarbeiterin, die bei der Agentur für Arbeit für mich zuständig ist, auch gesagt“, sagt Diana H.

Mich hätte sowieso kein Arbeitgeber mehr eingestellt für so kurze Zeit
Diana H.

Doch der Einwand nutzt nichts. Die 63-Jährige muss die Maßnahme zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit - ein achtwöchiger Vollzeitkurs bei einem Weiterbildungsanbieter - erst einmal antreten. Die Teilnahme abzulehnen wagt sie nicht, aus Angst, dass ihr dann das Arbeitslosengeld gesperrt wird. Doch Diana H. ist empört - und fühlt sich von der Mannheimer Behörde schikaniert. „Ich habe einfach nicht verstanden, welchen Sinn diese Maßnahme in meinem Fall haben soll, so wenige Monate vor der Rente. Mich hätte doch sowieso kein Arbeitgeber mehr eingestellt für so kurze Zeit. Das ist aus meiner Sicht Verschwendung von Steuergeldern.“

Ein weiterer Grund, warum Diana H. die Zuweisung in die Maßnahme nicht nachvollziehen kann, sind die Inhalte. Denn in dem achtwöchigen Kurs steht unter anderem ein Bewerbungstraining auf dem Programm. „Auch das hätte in meinem Fall keinen Sinn gehabt, weil ich ja erst letztes Jahr in der Transfergesellschaft ein umfangreiches Bewerbungstraining hatte. Das war damals auch wichtig, weil ich in meinem ganzen Leben noch nie eine Bewerbung schreiben musste. Aber jetzt waren meine Unterlagen absolut auf dem neuesten Stand“, sagt Diana H.

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Die resolute Mannheimerin will die Anordnung der Mannheimer Behörde nicht auf sich sitzen lassen - und wendet sich schließlich über die Bundesagentur für Arbeit mit einer Mail an Andrea Nahles, früher SPD-Vorsitzende und heute Vorstandsvorsitzende der Nürnberger Behörde. „Mit der festen Überzeugung, dass nicht nur ich ,Unsinniges’ erkennen kann, möchte ich Ihnen meine ganz persönliche Geschichte erzählen“, schreibt Diana H. in der Mail und schildert dann den Sachverhalt - offensichtlich mit Erfolg: Schon wenige Tage später bekommt sie von der Mannheimer Arbeitsagentur die Mitteilung, dass sie ab sofort nicht mehr in die Maßnahme muss. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, sagt die 63-Jährige jetzt.

Bei der Mannheimer Agentur für Arbeit bedauert man den Fehler. „In dem Fall hat die zuständige Mitarbeiterin eine individuelle Fehlentscheidung getroffen“, erklärt Thomas Schulz, Geschäftsführer der Agentur für Mannheim, wie es zu der Zuweisung überhaupt gekommen ist. Das Kundenreaktionsmanagement aus Nürnberg habe die Beschwerde von Diana H. nach Mannheim weitergeleitet. Darauf habe man den Fall umgehend überprüft und die Zuweisung in die Maßnahme rückgängig gemacht, so Schulz.

Haben ein vitales Interesse, Prozesse kundenfreundlich zu gestalten
Thomas Schulz Arbeitsagentur

Wann eine Kundin oder ein Kunde einer Maßnahme zugewiesen werde, sei immer individuelle Entscheidung der zuständigen Mitarbeiter. Dass die Agentur für Arbeit sich bemüht, auch Menschen mit Anfang 60 noch in den Job zu vermitteln, sei - unabhängig vom konkreten Fall - aber grundsätzlich richtig, sagt Behördenchef Schulz, gerade auch mit Blick auf den Fachkräftemangel. „Wenn man mit 67 Jahren in Rente geht, ist es mit 60 oder 61 noch gut möglich, einen neuen Job anzunehmen. Und wenn jemand qualifiziert und motiviert ist, ist das in der Regel auch kein Problem.“

Generell gelte: „Wir haben ein vitales Interesse daran, unsere Prozesse kundenfreundlich zu gestalten“, so Schulz. So sei Mannheim eine der wenigen Agenturen, die extra eine Kunden-Feedback-Ecke eingerichtet hätten. Dort könnten Kundinnen und Kunden direkt zurückmelden, wie sie ihre Beratung und Betreuung erlebten.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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