Mannheim. BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken trägt einen, genauso wie Scorpions-Sänger Klaus Meine oder der frühere Fußball-Nationalspieler Markus Babbel: Die Rede ist von einem Hut oder einer anderen Kopfbedeckung.
Für viele Hut- und Mützenträger in der Region ist Hut Konrad in den Mannheimer Quadraten die Anlaufstelle, wenn sie eine neue Kopfbedeckung brauchen. In diesem Jahr feiert das Geschäft den 90. Geburtstag. Seit 20 Jahren ist Inhaberin Isabel Jakel Teil dieser Historie. 2004, nach ihrer Ausbildung als Modistin in Witten und einer kurzen Zwischenstation in Bad Säckingen, begann sie bei Hut Konrad als Gesellin zu arbeiten, im März 2013 hat sie das Geschäft dann übernommen.
Ihre Begeisterung für den - inzwischen selten gewordenen - Beruf der Modistin entstand bei einem Schulpraktikum. Seitdem hat Jakel das Handwerk nicht mehr losgelassen: „Es ist ein schöner Beruf, und deshalb bin ich dabei geblieben.“
Gegründet hatte das Geschäft am 30. August 1934 Else Konrad. Über drei Generationen verblieb es in der Familie, bis Jakel übernahm. Die Inhaberin pflegt die Unternehmenschronik, besitzt einen großen Ordner mit vielen historischen Unterlagen, Dokumenten und Fotos zur Geschichte von Hut Konrad. Bis zur Eröffnung am heutigen Standort in C 1 ist das Geschäft mehrfach in der Innenstadt umgezogen und hat sich, im Gegensatz zu vielen Konkurrenten, am Markt behauptet.
In der aktuellen Saison sind hellere Stoffe nachgefragt
Jakel führt in ihrem Laden alles an Kopfbedeckungen, außer Perücken. Ob großer Rand, schmaler Rand, Sommerhut, Strickmütze für den Winter, Kappe, klassisch, modisch - in den allermeisten Fällen kann sie weiterhelfen. „Schwarz im Winter und helle Farben im Sommer gehen immer“, schildert sie die Farbenlehre. Immer wieder seien bestimmte Farben stärker nachgefragt, in den vergangenen Jahren zum Beispiel dunkelblau. „Aber das ist ein grundsätzliches Thema in der Modebranche, einige Trends sind sehr schnelllebig.“ In der aktuellen Saison seien die Stoffe heller. Rottöne von Beere bis Orange, edle Naturtöne und weiß sind angesagt. „Weiß und beige im Winter und bei Regen - das hätte es vor 25 Jahren nicht gegeben.“
Jakel mag es gerne farbenfroh. Trotzdem muss sie bei ihrem Angebot natürlich auf die Nachfrage ihrer Kunden eingehen. So stechen zwar immer wieder kräftig bunte Mützen aus den Auslagen hervor, doch es überwiegen dunklere Farbtöne. Wie beurteilt die Expertin die Mode? „Mir wäre es lieber, die Leute würden mehr Farbe tragen. Es wäre einfach schön, wenn sie sich mehr trauen würden.“
Wer denkt, Hüte und Mützen sind als Accessoire aus der Mode gekommen oder werden nur von älteren Semestern getragen, der liegt falsch. Die eingangs genannten Promis beweisen das Gegenteil, und auch die Liste der „Hutträger des Jahres“ legt offen, dass das Modestück alles andere als ein „alter Hut“ ist. Der Hutverband GDH (Gemeinschaft Deutscher Hutfachgeschäfte) verleiht die Auszeichnung seit 2013 immer am 25. November - dem „Internationalen Tag des Hutes“. Als diesjähriger Preisträger ist der Comedian Torsten Sträter benannt worden. Berühmte Vorgänger waren etwa die Musiker Max Mutzke und Johannes Oerding oder die frühere Fußball-Nationalspielerin Nadine Angerer.
Es sind vor allem Musiker und Künstler, die mit Hüten oder Mützen auffallen. Isabel Jakel kennt dieses Phänomen: „Die Musiker dienen als Vorbilder“, sagt sie, und freut sich als Ladenbesitzerin darüber: „Die Leute sehen etwas, wollen das dann auch haben und kommen zu mir ins Geschäft.“
Der Modeaspekt sei immer noch ein Grund, warum sich viele Menschen für die Kopfbedeckung entscheiden: „Man will modisch cool erscheinen.“ Die Bandbreite der Träger sei groß. Im Sommer seien Hüte außerdem aus Anlass von Hochzeiten nachgefragt, für Braut und Bräutigam.
Es gibt aber auch ein ernsteres Motiv: „Hautkrebs ist ein Riesenthema“, sagt Jakel. Früher sei ein Hut mehr als Kälteschutz im Winter getragen worden. Inzwischen, da die Winter zunehmend milder und die Sommer heißer werden, dienten Hut oder Mütze immer häufiger auch als Sonnenschutz für die Kopfhaut. Nach Angaben der GDH gibt es Kopfbedeckungen mit speziellen Beschichtungen der Stoffe, die einen UV-Schutz von bis zu 80 bieten. Die veränderte Nachfrage merkt Jakel auch in der Kasse: „Früher waren die Wintermonate vom Umsatz her stärker. Das hat sich verschoben.“
Der Verband rechnet für das laufende Jahr mit einer Umsatzentwicklung wie im Vorjahr. Konkrete Zahlen werden nicht genannt, jedoch sei das Niveau von vor der Corona-Krise wieder erreicht. Im vergangenen Jahr entfielen 63 Prozent des Umsatzes auf Herren, 34 auf Damen und drei Prozent auf Kinder. Generell stehe bei Mützen und Hüten die Funktion an erster Stelle: ob Ohrenklappen im Winter oder wasserabweisende Eigenschaften.
Warum es nur den Laden in den Mannheimer Quadraten, aber keinen Onlineshop gibt
Isabel Jakel setzt allein auf den stationären Handel. Drei Mitarbeiter unterstützen sie dabei. Einen Onlinehandel hat und möchte sie nicht: „Das dürfen andere machen. Ich bin doch keine Logistikerin.“ Viel lieber kommt sie mit ihren Kunden ins Gespräch, bietet ihnen eine Auswahl zum Anprobieren und berät sie. „Die Leute kommen mit einer Idee ins Geschäft und gehen oft mit etwas Anderem.“ Wenn einem Schauspieler eine Mütze gut stehe, „heißt das nicht, dass sie einem selbst auch gut steht“, so Jakel. Um zu inspirieren, bietet sie auf der Homepage des Ladens eine Auswahl der aktuellen Kollektion in Bildern.
Über die vielen Jahre hat sie sich eine Stammkundschaft aufgebaut, „die oft und gerne kommt“. Nicht nur aus der Region, sondern aus der ganzen Welt, „wenn sie mal wieder hier in der Gegend sind“. Weil es nicht mehr sehr viele Hutfachgeschäfte - die GDH schätzt etwa 200 inhabergeführte - gibt, spricht sich die Anlaufstelle in Mannheim herum. Es gibt wenig Laufkundschaft, die Kunden besuchen Hut Konrad gezielt.
Über den Ladentisch geht überwiegend Handelsware von großen Hutherstellern. Dabei ginge es auch individueller, denn Jakel hat über ihrem Ladengeschäft noch ein Atelier, in dem sie Spezialanfertigungen nähen kann. Es muss aber nicht immer neu sein: Jakel repariert auch, bringt Hüte in Form, weitet oder verengt sie. „Das ist ein sehr kreativer Beruf“, sagt Jakel. Jeder Stoff verhalte sich unterschiedlich: „Man arbeitet mit Filz anders als mit Stoff.“
Drei Jahre dauert die Ausbildung zur Modistin. Der Beruf ist selten geworden und daher nicht sehr bekannt, dennoch findet Jakel jedes Jahr noch motivierte und zuverlässige Jugendliche, die sie ausbildet. „Schade, dass es so etwas in Deutschland immer weniger gibt“, bedauert Jakel den Verlust an spezialisierten Fachgeschäften.
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