Mannheim. In dem seit Anfang März am Mannheimer Landgericht laufenden Prozess, bei dem es um Betrugsvorwürfe in Zusammenhang mit Abrechnungen von Corona-Bürgertests gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg geht, erweist sich das Ausleuchten der angeklagten Vorwürfe als aufwendig. Die Große Wirtschaftsstrafkammer hat um die 80 Zeugen geladen.
Laut Staatsanwalt soll ein Mannheimer Geschäftsmann, der neben seiner Firma für Gebäudereinigung und Hausmeisterservice mit einem Apotheker zwei Zentren für Virus-Schnellanalysen, davon eines beim Nachwuchszentrum des VfR Mannheim, betrieben und außerdem mobile Testungen in Firmen angeboten hat, von der KV zu Unrecht 518 000 Euro überwiesen bekommen haben. Weitere Forderungen seien nicht zur Auszahlung gekommen.
Kompagnon stirbt überraschend
Wer von den beiden Geschäftspartnern für was wie zuständig war – diese Frage ist deshalb mit so manchem Rätsel verknüpft, weil der Kompagnon bei einer Urlaubsreise Anfang 2022 in Santa Domingo überraschend gestorben ist. Die Wirtschaftsstrafkammer hat dieser Tage jenen Rechtsanwalt befragt, der den Mannheimer Apotheker einige Monate vor dessen Tod beraten und später dem Geschäftspartner zur Seite gestanden hat. Nach seiner Schilderung sah die Vereinbarung der zwei Testzentren-Betreiber vor, dass der Apotheker alles übernimmt, was mit schriftlichem „Verwaltungskram“ zu tun hat und sich der umtriebige Unternehmer um Personal wie praktische Abläufe kümmert.
Der Gewinn, so der Zeuge, sollte am Ende geteilt werden. Nach dem Tod des Pharmazeuten habe sich eine unübersichtliche, ja chaotische Situation entwickelt, weil die Tochter und die Lebensgefährtin des Vaters, die wohl Vollmachten hatte, um den Nachlass stritten. Als Folge seien die von dem Geschäftspartner gestellten Forderungen für Testzentren-Ausgaben nicht mehr beglichen worden. In dem Verfahren geht es auch um den Vorwurf, dass die Nachlassverwalterin gutgläubig von jenen 922 000 Euro, welche die Kassenärztliche Vereinigung zu Unrecht dem Apotheker überwiesen hatte, mehr als die Hälfte an den Angeklagten weiterleitete.
Gerichtsmitarbeiter bedroht
Während der in Untersuchungshaft sitzende 36-Jährige zu den Abrechnungsvorwürfen in Zusammenhang mit Corona-Tests schweigt, hat er sich zum Komplex räuberische Erpressung geständig gezeigt. Der Angeklagte räumt ein, einem Mitarbeiter des Nachlassgerichts gedroht zu haben, er bringe jeden Einzelnen um – „und das mit Freude“ – wenn er nicht unverzüglich sein Geld bekomme. Schon beim Prozessauftakt hat die Verteidigerin eine Erklärung verlesen, in welcher der Geschäftsmann das Telefonat mit dem Druck sich zuspitzender Ereignisse und drohender Zahlungsunfähigkeit zu begründen versucht hatte. Ihr Mandant, so die Ankündigung, wolle eine psychologische Therapie samt Anti-Aggressionstraining absolvieren.
In dem bis Mitte Juni terminierten Prozess sind noch bis einschließlich 9. Mai Zeugen geladen.
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