Geldanlage

Wie Emotionen die Anleger in die Psychofalle locken

Auch bei der Geldanlage spielen unbewusst Gefühle mit. Rationales Handeln fällt dem Menschen schwer.

Von 
Wolfgang Mulke
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Viele Anleger steigen an der Börse erst ein, wenn es schon zu spät ist. © Arne Dedert/dpa

Berlin. Notausgänge finden sich bei größeren Veranstaltungsorten oft vorne auf der rechten Seite. Das hat einen einfachen Grund. Geraten Menschen in Panik und wollen vor einer unmittelbaren Gefahr fliehen, drängen sie genau in diese Richtung. Denn wenn das eigene Leben bedroht ist, kann jede Sekunde Nachdenken das Ende bedeuten.

Fest verankerte Verhaltensweisen steuern den modernen Menschen

Es gibt eine Reihe fest verankerter Verhaltensweisen, die auch den aufgeklärten modernen Menschen unbewusst steuern. Manche beeinflussen auch das Verhalten bei der Geldanlage. Emotionen bestimmen Anlageentscheidungen mit. Dabei ist eigentlich gerade, wenn es ums Geld geht, Rationalität gefragt.

Wissenschaftler haben sich dieser Verhaltensweisen schon lange angenommen. Verhaltensökonomie nennt sich der Forschungszweig. In Experimenten haben zum Beispiel die beiden Wissenschaftler Daniel Kahneman und Amos Tversky 1979 grundlegende Handlungsweisen beim Umgang mit Risiken herausgefunden. So empfinden Menschen Verluste schmerzlicher als gleich hohe Gewinne. 100 Euro zu verlieren ist demnach ärgerlicher, als 100 Euro zu gewinnen.

Wann gehen die Menschen ins Risiko?

Ein zweites Ergebnis der Studie war, dass die Risikoneigung in der Gewinnzone abnimmt, bei Verlusten aber eher noch zunimmt. Dahinter stecken tief liegende Reaktionsmuster. Das rätselhafte Entscheidungsmuster beschreibt der Nobelpreisträger Richard Thaler als das mächtigste Werkzeug im Arsenal der Verhaltensökonomik: „Grob gesprochen, kann man sagen, dass Verluste ungefähr doppelt so weh tun wie Gewinne erfreuen.“

Für eine Ersparnis von wenigen Euro nehmen Konsumenten schon mal einen längeren Anfahrtsweg zum Händler in Kauf. © Monika Skolimowska/dpa

Gewisse Scheu bei der Geldanlage

Das erklärt einen Teil der Risikoscheu bei der Geldanlage. Sparer verzichten lieber auf Gewinnchancen, als sich der Gefahr von Verlusten auszusetzen, auch wenn sie gering ist. Und sie nehmen eher das Risiko in Kauf, viel zu verlieren, als mit Sicherheit einen geringen Verlust zu erleiden. Das führt mitunter zu einem wenig rationalen Anlageverhalten. So wird ein Aktienfonds, zum Beispiel zu schnell verkauft, wenn er in der Gewinnzone ist und zu lange gehalten, wenn der Kurs in die Miesen gerät.

Die Börsenweisheit, Gewinne laufen zu lassen und Verluste zu begrenzen, widerspricht dem tatsächlichen von Emotionen geleiteten Verhalten der Anleger. Manch andere Verhaltensweisen resultieren dagegen aus der Jahrtausende währenden Menschheitsgeschichte. Wirtschaftswissenschaftler gingen lange davon aus, dass Entscheidungen rational getroffen werden und so den ökonomisch größten Vorteil bringen.

Verhaltensökonomen widersprechen herkömmlichen Thesen

Vom „Homo oeconomicus“ ist der Mensch allerdings weit entfernt, wie Verhaltensökonomen herausfanden. In der Praxis kennt die menschlichen Schwächen wohl jeder. So kaufen Verbraucher immer wieder Sachen ein, die sie eigentlich nicht brauchen. Oder Sie fallen wider besseres Wissens auf Werbeversprechen herein. Für eine Ersparnis von wenigen Euro nehmen Konsumenten schon mal einen längeren Anfahrtsweg zum Händler in Kauf - wenn der wirtschaftliche Vorteil im Verhältnis zum Preis der Ware hoch ist. Auf eine sehr viel höhere Ersparnis verzichten sie jedoch, wenn es sich um ein hochpreisiges Produkt handelt. Der Gewinn erscheint dann klein, obwohl er in Euro und Cent betrachtet viel höher ist.

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Beim Umgang mit Geld kann auch der Herdentrieb für enttäuschende Ergebnisse sorgen. So werden besonders gerne Aktien gekauft, die gerade im Trend liegen. Andersherum verkaufen Anleger auch schnell ihre Anteile, wenn es gerade viele andere auch tun. Psychologen führen dies auf die unbewusste Annahme zurück, dass das Gleichverhalten in einer Gruppe sicherer ist als alleine unterwegs zu sein.

Das hat sich in den oft höchst unsicheren Zeiten der Menschheitsgeschichte so eingeprägt. In der Praxis führt dies dazu, erst dann an der Börse einzusteigen, wenn der beste Zeitpunkt schon wieder vorbei ist und weitere Kurssteigerungen kaum noch realistisch sind. Auch Selbstüberschätzung kann bei der Geldanlage teuer werden. Den idealen Zeitpunkt für den Einstieg bei einer Aktie oder einem Fonds können selbst Profis nicht bestimmen. Doch das schert manche Anleger wenig. Sie gehen mit großem Selbstbewusstsein Risiken ein, überzeugt von der eigenen Unfehlbarkeit. Psychologen nennen dieses Verhalten nach deren Entdecker Dunning-Kruger-Effekt. Er besagt, dass wenig kompetente Menschen ihre Fähigkeiten eher überschätzen und ihre Wissenslücken nicht einschätzen können.

Korrespondent

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