Wörth/Mannheim. Während einer Wirtschaftsflaute überlegen sich Spediteure drei Mal, ob sie viel Geld für einen neuen Lastwagen ausgeben. Daimler Truck bekommt das spüren. Im zweiten Quartal ist der Absatz der Kernmarke Mercedes-Benz um satte 22 Prozent eingebrochen. Wann bessert sich die Lage?
Eva Scherer versucht erst gar nicht, die Lage schönzureden. Nein, man könne mit dem zweiten Quartal nicht zufrieden sein, erklärt die Finanzchefin von Daimler Truck. „Es ist uns bewusst, dass wir weitere strukturelle Maßnahmen zur Optimierung unserer Kostenbasis definieren und umsetzen müssen, um widerstandsfähiger zu werden.“ Heißt: Das Unternehmen will in den kommenden Monaten verstärkt sparen. Ausgaben sollen eingefroren werden, es gibt einen Einstellungsstopp. Zudem sind weitere Einschnitte geplant. Wie diese aussehen, ist noch unklar.
Klar ist hingegen, dass in deutschen Werken Kurzarbeit angemeldet wird, um die niedrigeren Produktionsmengen aufzufangen. Das Lkw-Montagewerk von Mercedes-Benz in Wörth macht den Anfang. Wie viele Beschäftigte betroffen sind, kann der Vorstandsvorsitzende Martin Daum noch nicht sagen. Für das Mannheimer Lkw-Motorenwerk ist Kurzarbeit derzeit kein Thema. Mannheim stelle viele Komponenten für die USA her, und dort sei der Markt stark, erklärt Daum. Daimler Truck beschäftigt in Mannheim und Wörth insgesamt rund 10 000 Menschen.
Gesamtbetriebsratvorsitzender: „Kurzarbeit der nächste logische Schritt“
Andreas Bachhofer, Standortverantwortlicher in Wörth, bereitet die Mannschaft und „bestimmte Produktionsbereiche“ auf Kurzarbeit vor. „Diese soll je nach Auftragslage flexibel genutzt werden“, sagt er.
Für die Arbeitnehmervertretung kommt die Ankündigung wenig überraschend. „Nachdem die Arbeitszeitkonten in Wörth bereits im Minus sind, ist Kurzarbeit der nächste logische Schritt“, teilt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Michael Brecht in einer ersten Reaktion mit. „Hier haben wir gute Regelungen mit dem Unternehmen vereinbart, so dass standortübergreifend für alle betroffenen Kolleginnen und Kollegen gleiche Konditionen gelten, falls auch andere Werke in die Kurzarbeit gehen müssen. Wichtig ist, dass wir diese Phase gut überstehen und bei anziehender Nachfrage wieder Gas geben können.“

Wieder Gas geben – das ist jetzt vor allem die Aufgabe von Karin Rådström. Sie ist die Spartenchefin der in Europa stark vertretenen Marke Mercedes-Benz – und gilt als Anwärterin auf die Nachfolge von Daum, dessen Vertrag im kommenden Frühjahr ausläuft. Rådström hat dem Vernehmen nach in Technologie-Chef Andreas Gorbach aber auch mindestens einen Rivalen um den Posten. Auf ihre Ambitionen angesprochen, sagte die Schwedin zuletzt lediglich, es liege nicht in ihrer Hand, was nach der Zeit von Daum passiere. Das sei „die Entscheidung des Aufsichtsrates“.
Neben der Kurzarbeit beschäftigt sich Wörth mit etwas anderem: Der vollelektrische Fernverkehrs-Lkw eActros 600 soll Ende des Jahres in Wörth in die Serienproduktion gehen. Beim Übergang vom Verbrennermotor zu neuen Antrieben setzt Daimler Truck wie andere Hersteller auch auf Batteriefahrzeuge. „Der Umbau der Produktion für die Integration der neuen Modelle befindet sich bereits in vollem Gange, und die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion machen sich startklar“, berichtet der Standortverantwortliche Andreas Bachhofer.
Der E-Lastwagen schafft nach Unternehmensangaben 500 Kilometer ohne Zwischenladen. Wichtige Komponenten wie die Frontbox – dort sind unter anderem Steuergeräte und Hochvolt-Komponenten gebündelt – liefert das Mannheimer Werk.
Daimler Truck in Mannheim entwickelt sich Richtung E-Mobilität
Auch der „Benz“ in Mannheim entwickelt sich einen weiteren Schritt weg vom klassischen Motorenwerk in Richtung E-Mobilität. Denn das Battery Technology Center – ein neues Zentrum für Batterietechnologie – ist kürzlich offiziell eröffnet worden. Daimler Truck investiert 130 Millionen Euro.
Während das Lkw-Geschäft in Europa schwächelt, hat die Bussparte Daimler Buses im zweiten Quartal eine Rekord-Marge eingefahren. Unternehmenschef Till Oberwörder spricht von „einem sehr guten Ergebnis“ und fügt hinzu: „Auch für das Gesamtjahr sind wir optimistisch – alle Werke, auch unsere deutschen Standorte Mannheim und Neu-Ulm, sind sehr gut ausgelastet.“ Daimler Buses sei zurück. In Mannheim werden Busse für den öffentlichen Nahverkehr gebaut, in Neu-Ulm Reisebusse.
Daimler Truck jedenfalls muss die Jahresprognose für den gesamten Konzern kappen. Beim Umsatz wird jetzt mit einem Wert zwischen 53 und 55 Milliarden Euro gerechnet. Die bisherige Spanne hatte jeweils um zwei Milliarden Euro über der neuen gelegen. Für den Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) prognostiziert das Unternehmen jetzt einen deutlichen Rückgang. Bislang hatte Daimler Truck einen operativen Gewinn in Vorjahreshöhe in Aussicht gestellt. Deutlicher Rückgang heißt bei Daimler Truck ein Minus von mindestens 15 Prozent ausgehend vom Vorjahreswert 5,18 Milliarden Euro – bestenfalls dürften es also noch 4,4 Milliarden Euro werden.
Finanzchefin Eva Scherer hebt hervor, dass man auch vor schwierigen Entscheidungen nicht zurückschrecke. „Wir werden sicherstellen, dass unsere Aktionäre weiterhin mit einer attraktiven Dividende und durch das laufende Aktienrückkaufprogramm von den soliden Ergebnissen auf Konzernebene profitieren werden“, erklärt sie. Das große Sparen beginnt.
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