Ludwigshafen. Sinischa Horvat hat mehr als 20 Jahre Erfahrung als Betriebsratsmitglied. Aber so etwas hat er noch nie erlebt: Tag für Tag Sitzungen im Wirtschaftsausschuss, von morgens bis abends. Durch die Sparprogramme werden bei BASF am Stammsitz Hunderte Stellen gestrichen. Die betroffenen Beschäftigten hätten Sorge, spürten Angst, Wut und Verzweiflung, sagt Horvat.
Für den Arbeitnehmervertreter, der seit 2016 an der Spitze des Betriebsrats der BASF SE steht, sind die massiven Einschnitte keineswegs ein Mittel, um die Zukunft zu sichern. „Wir müssen in Ludwigshafen mehr in grüne Energie, grünen Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft investieren“, sagt Horvat stattdessen. Der Konzern solle eine Pionierrolle im Auf- und Ausbau von nachhaltigen Produkten einnehmen – „nicht in China, USA oder irgendwo auf der Welt“, sondern am Stammsitz. „Standortsicherung geht vor Gewinnmaximierung!“ Geld allein arbeite nicht, man brauche gut ausgebildetes Personal.
Auch die Chemiegewerkschaft IGBCE ist mit den Sparplänen des Konzerns unzufrieden. „Anlagen abbauen und Stellen streichen ist noch kein Konzept für eine erfolgreiche Zukunft des größten Chemieareals der Welt“, lässt Michael Vassiliadis ausrichten. Er ist Vorsitzender der IGBCE und Mitglied im Aufsichtsrat der BASF. „Dieser Standort steht vor seiner ganz eigenen Zeitenwende. Und die gestalten wir nur mit mutigen Innovationen und Investitionen – nicht mit dem Kostenhammer.“
Vier-Punkte-Papier
Gemeinsam haben Betriebsrat und Gewerkschaft ein Vier-Punkte-Papier vorgelegt. Die erste Forderung lautet: Keine pauschalen Kürzungen mit der Brechstange, sondern auf die Expertise der Beschäftigten achten. Die zweite Forderung: Am Stammsitz muss in Innovationen investiert werden und zudem in die Qualifizierung der Belegschaft. Die dritte Forderung: Bedingungen für moderne Arbeitsplätze schaffen; denn die Zeiten, in denen man allein mit dem Namen BASF punkte, seien vorbei. Die vierte Forderung beinhaltet das, was Horvat schon gesagt hat: Standortsicherung vor Gewinnmaximierung, „eine starke Chemieproduktion im Herzen Europas“.
Allein das Abschalten der relativ neuen TDI-Anlage wird nach Angaben der IGBCE rund 250 Beschäftigte betreffen. „Ein unfassbares Versagen von Management und Folge des Sparens an der falschen Stelle“, heißt es von der Gewerkschaft. Horvat denkt, dass das Herunterfahren der TDI-Anlage schlecht für den Ruf der BASF als Anlagenbauer ist.
Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!
Gunther Kollmuß, Bezirksleiter der IGBCE Ludwigshafen, hat Verständnis für die Zukunftssorgen der rund 34 000 Beschäftigten in Ludwigshafen. Der Gewerkschafter erklärt: „Wir stehen diesen Veränderungen nicht hilflos und untätig gegenüber. Klar ist, dass die Einsparungen und der Stellenabbau nicht auf den Schultern der Beschäftigten verteilt werden dürfen.“
Betriebsbedingte Kündigungen sind laut einer Standortvereinbarung in Ludwigshafen bis Ende 2025 ausgeschlossen. Das ist nun hauptsächlich für die betroffenen Beschäftigten in Unternehmens- und Service-Bereichen, in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie in der Konzernzentrale wichtig. Hier könnte es neben Weiterqualifizierungen auch Abfindungen geben.
Betriebsrat und Gewerkschaft stellen sich auf weitere Gespräche in den kommenden Wochen und Monaten ein. Viele Details sind noch nicht ausgehandelt. Vor allem erhofft sich die Arbeitnehmervertretung mehr Zeit. Die Geschwindigkeit der Sparprogramme sei schon sportlich, sagt Kollmuß.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-nicht-in-china-usa-oder-irgendwo-auf-der-welt-_arid,2054895.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/firmen_firma,-_firmaid,20.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/firmen_firma,-_firmaid,20.html