Buchen. Eigentlich hatte die aus Buchen im Odenwald stammende Filmproduzentin Waltraud Ehrhardt-Obrist keinen engeren Bezug zu Ostafrika. Dass sie in Kenia gemeinsam mit ihrem Mann Peter Obrist die erste dort in Hochqualität produzierte TV-Serienproduktion initiierte, die derzeit bei Netflix läuft und auf Arte gezeigt wird, ist einem Zufall zu verdanken.
Frustration in Kreativbranche
Denn ihr Geschäftspartner hatte 2018 beruflich in dem ostafrikanischen Land zu tun. Das in Berlin wohnhafte Ehepaar besuchte ihn. Die beiden kamen mit Einheimischen aus der Kreativbranche ins Gespräch. „Bei den jungen kenianischen Kollegen trat eine riesige Frustration zutage“, erzählt Waltraud Ehrhardt-Obrist. „Sie verfügten über keine oder nur sporadische Arbeitsmöglichkeiten und wurden meist prekär bezahlt.“ Außerdem seien die Fernsehprogramme in Kenia von erschreckend schlechter Qualität.
Bei Netflix und Arte
- Netflix zeigt die Serie in mehr als 190 Ländern.
- Bei Arte ist sie in der Mediathek zu finden.
- Außerdem werden die Folgen vier bis sechs dort am Donnerstag, 29. Juni, ab 22.55 Uhr ausgestrahlt.
Im Vergleich zu Südafrika und Nigeria und in gewisser Weise auch zu Tansania steckt die Film- und TV-Industrie in Kenia noch in den Kinderschuhen. „Doch gerade der Bereich Medien hätte generell für junge Leute attraktive und interessante Jobs zu bieten“, stellt Ehrhardt-Obrist fest. Denn der Medienmarkt für kiswahili- sprechende Menschen ist groß. Rund 220 Millionen Menschen sprechen weltweit diese Sprache, die hauptsächlich in Ost- und Zentralafrika verbreitet ist.
„Es gibt viele Menschen, die sich nach originären Inhalten aus Afrika sehnen“
Diesen Markt, der etwa doppelt so groß ist wie der deutschsprachige, hatten die beiden Filmproduzenten im Blick. Die Idee, eine Fernsehserie in Kenia für Einheimische und ausgewanderte, kiswahili-sprechende Zuschauer zu produzieren, war rasch geboren. „Es gibt viele Menschen, die sich nach originären Inhalten aus Afrika sehnen“, stellt die gebürtige Odenwälderin fest.
Das bestätigte ihnen auch ein Kenianer, den sie bei einer Veranstaltung der GLZ-Bank in Berlin trafen. Die Kleinbauern in seinem Heimatland produzierten zwar 80 Prozent der Nahrungsmittel, würden aber in den Medien nur am Rande thematisiert. „Wir haben beschlossen, beide Situationen zu verbessern: die Landbevölkerung aus ihrer Randständigkeit herauszuholen und unseren jungen Kollegen Weiterbildung anzubieten und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt Ehrhardt-Obrist.
Das Ehepaar weist eine jahrzehntelange Erfahrung als Drehbuchautoren und Produzenten von TV-Filmen vor. Die beiden produzierten unter anderem Dokumentarfilme für die ARD-Sendung „Länder – Menschen – Abenteuer“. Sie schrieben Drehbücher für „Marienhof“, „Die Fallers“, „Tatort“ und „Soko München“ sowie für Fernsehspiele in der Schweiz und in Deutschland. Sie kreierten die ZDF-Krimireihe „Unter anderen Umständen“ sowie den Krimi „Der Tote im Watt“.
Mit ihrer Idee, eine afrikanische Serie mit Kreativen vor Ort herzustellen, überzeugten sie rasch Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Dieses unterstützte über die Akademie der Deutschen Welle alle zehn „Country Queen“-Workshops und die Produktion des Pilotfilms.Weitere Geldgeber für die gesamte erste Staffel von „Country Queen“ zu finden, sollte ein Jahr lang dauern.
Einheimische Schauspieler
Nach zehn Kreativ-Workshops, in denen 70 Kenianer aus der Filmbranche aus- und weitergebildet wurden, waren alle Beteiligten fit für den Dreh der ersten Serienstaffel. Wer Teil des Teams war – sei es vor oder hinter der Kamera – konnte sich besserer Arbeitsplätze in Zukunft sicher sein.
„So viel Coaching im Serienbereich ist bisher einmalig in Kenia“, sagt Ehrhardt-Obrist. „Entscheidend für uns war, dass wir keine europäische Geschichte nach Kenia bringen, sondern nur das Know-how, wie man eine Serie aufbauen und Handlung und Figuren gestalten muss.“ Das Narrativ sollte authentisch kenianisch und gleichzeitig auch für ein internationales Publikum interessant sein. Eine spannende, wirklichkeitsnahe Geschichte, die gleichzeitig emotional ist – das war das Ziel.
Mit „Country Queen“ wird Kenia als Filmland international sichtbar: Netflix zeigt „Country Queen“ in mehr als 190 Ländern. Und bei Arte sind alle Folgen bis Ende September in der Mediathek abrufbar. Außerdem werden die Folgen vier bis sechs dort am Donnerstag, 29. Juni, ab 22.55 Uhr ausgestrahlt.
Hauptperson der Serie ist Akisa, eine junge, ehrgeizige Event-Planerin aus Nairobi. Diese kehrt nach zehn Jahren in ihr Heimatdorf im kenianischen Hinterland zurück. Kurz nach ihrer Rückkehr stirbt ihr Vater. Ihre Jugendliebe protestiert gegen einen aggressiv expandierenden Goldminenkonzern, der die Existenz des gesamten Ortes bedroht. Akisa beschließt, für ihre Heimat zu kämpfen, auch wenn sie dabei immer wieder von dunklen Schatten der Vergangenheit heimgesucht wird.
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