Betreuung

Rathaus-Anbau wird zur Kita

Die Stadt Viernheim bringt mehrere Projekte voran. Aktuell fehlen rund 200 Kindergartenplätze

Von 
Sandra Usler
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Noch viel zu tun gibt es im Anbau des Alten Rathauses: Im Frühjahr sollen dort zwei Kita-Gruppen einziehen. © Othmar Pietsch

Viernheim. „Da wird eine Kita als Ausweichort für den Notfall abgelehnt, weil dann kurzzeitig nicht genug Toiletten für alle Kinder vorhanden sind“, beschreibt Bürgermeister Matthias Baaß eine von vielen Hürden, vor der Viernheim beim Ausbau von Kitaplätzen steht. Dennoch kann die Stadt in den nächsten Monaten etwa 70 neue Betreuungsplätze für Kindergartenkinder anbieten: Zwei Gruppen ziehen in das alte Rathaus, eine Gruppe startet in der neuen Bauernhof-Kita.

Bürgermeister Matthias Baaß berichtet im Sozial- und Kulturausschuss über den aktuellen Stand des Ausbaus von Kitaplätzen. Die Stadt arbeitet derzeit an mehreren Projekten, um den Rechtsanspruch der Familien erfüllen zu können, denn es fehlen rund 200 Betreuungsplätze.

Am schnellsten wird es beim Umbau des Alten Rathauses und bei der Bauernhof-Kita gehen. Das naturnahe Projekt hätten Bürgermeister und Erster Stadtrat aber fast wegen der immer neuen Vorgaben der zuständigen Kreis-Behörden gekippt. Baaß nennt das jüngste Beispiel: Für die Kita werde ein Schutzraum benötigt, wenn das Wetter wirklich mal unzumutbar sein sollte. „Aber sowohl Räume im benachbarten Pferdestall als auch die Kita Entdeckerland – wegen fehlender Toiletten – wurden abgelehnt.“ Mittlerweile sei der Schutzraum festgelegt, vor kurzem sei auch die Genehmigung zum Aufstellen für den Bauwagen und sanitäre Anlagen sowie eines Zauns eingegangen. „Es gibt aber noch keinen Betriebsaufnahmetermin“, betont der Bürgermeister.

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Im seitlichen Anbau des alten Rathauses in der Stadt haben die Umbauarbeiten der ehemaligen Verwaltungsbüros begonnen. „Das ist umfangreicher, als wir zunächst angenommen haben“, berichtet der Bürgermeister den Ausschussmitgliedern. Bis Ende März 2025 sollen die Arbeiten aber beendet sein und zwei Gruppen ihren Betrieb aufnehmen. Für den Umbau des Vogelpark-Restaurants in eine Kita laufe die Entwurfsplanung, ein entsprechender Bauantrag soll noch dieses Jahr gestellt werden, so Baaß. Aber ein Baubeginn werde nicht vor 2026 erfolgen.

Umbau des Pfarrer-Volk-Hauses ab Februar geplant

Bereits im Februar 2025 dagegen soll der Umbau des Pfarrer-Volk-Hauses beginnen. Auch dort wurden für den Betrieb von Krippengruppen umfangreichere Maßnahmen gefordert, als die Stadt zunächst vorgesehen hatte. Die Fertigstellung der Krippen- und Personalräume ist für Ende 2025 geplant. Auch an der Kita Kapellenberg sollte der Anbau schon längst fertiggestellt sein, die Maßnahme verzögerte sich aber und ist nun ebenfalls für das Jahr 2025 vorgesehen.

Die Räumlichkeiten sind das eine, für den Betrieb von Kindertagesstätten braucht es aber auch Personal. Die Kommune hat dazu im vergangenen Jahr das Projekt „Fachkräfte für Viernheimer Kitas“ gestartet, bei dem Zugewanderte dabei unterstützt werden, eine Ausbildung im erzieherischen Bereich zu starten oder direkt in die Erwerbstätigkeit einzusteigen.

Die Gleichstellungsbeauftragte Maria Lauxen-Ulbrich als Verantwortliche stellt im Ausschuss den aktuellen Stand des Projekts vor und nennt Beispiele – aus ihrer Tätigkeit und für die Hürden beim Berufseinstieg. Eine Frau aus Marokko, die Englisch studiert habe, konnte nach ihrer Ankunft in Deutschland wegen ihrer Schwangerschaft den Sprachkurs nicht beenden – lernte aber Deutsch mit den drei Kindern. Trotz „fehlerfreier Sprache“ bekam sie keinen Ausbildungsplatz, weil sie zunächst keine Sprachprüfung vorweisen konnte. Heute arbeitet sie als schulische Erzieherin.

Die Gleichstellungsbeauftragte nannte weitere Beispiele aus der Praxis: Eine studierte Meeresbiologin aus Eritrea bekam keinen Kitaplatz für ihre zwei Kinder – erst mit der Vermittlung von Betreuung konnte sie den notwendigen Sprachkurs abschließen. Aus Syrien stammt eine Frau mit Abitur und abgeschlossenem Musikpädagogikstudium. Mehrere Wege zur Anerkennung ihres Bildungsabschlusses waren erfolglos, statt als pädagogische Zusatzkraft arbeiten zu können, ist sie nur Hilfskraft. Über die Initiative sind aktuell 14 Personen in eine Ausbildung oder in den Beruf vermittelt worden, weitere Geflüchtete besuchen noch den B2-Kurs oder warten auf Anerkennung.

Bürgermeister lobt Projekt „Rein in die Arbeit“

Ein weiteres Projekt zur beruflichen Integration von Zugewanderten ist „Rein in die Arbeit“ in Kooperation mit Neue Wege und dem Lernmobil. Entstanden ist die Maßnahme aus Gesprächen mit ehrenamtlichen Integrationslotsinnen, die ihre ursprünglichen Berufe nicht mehr ausüben. „Wir suchen schon während des Sprachkurses das Gespräch mit den Kursteilnehmern und schauen, mit welchen Qualifikationen sie in welche Richtung gehen wollen“, erläutert der Bürgermeister das Pilotprojekt.

Anhand eigens entwickelter Fragebögen werden Abschlüsse, Kenntnisse, Fähigkeiten und Interessen erarbeitet, und es wird besprochen, welche Voraussetzungen – wie beispielsweise Übersetzungen – für einen Berufseinstieg erfüllt werden müssen.

Bürgermeister Matthias Baaß sagt zu beiden Projekten: „Das gibt es nur bei uns im Ort und nur, weil wir sie gestartet haben, obwohl es nicht die Aufgabe einer Kommune ist.“ Für Baaß ist es unverständlich, dass die Bundesrepublik diese Personen „nicht sieht und das, was sie für das Gemeinwohl beitragen können. Das ist Staatsversagen!“

Freie Autorin

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