Städtebau

Protest gegen Baugebiet Nordweststadt II in Viernheim

Eine Bürgerinitiative wendet sich gegen das geplante Baugebiet Nordweststadt II in Viernheim. Die Stadtverordnetenversammlung hatte die Verwaltung beauftragt, Voruntersuchungen durchzuführen. Jetzt wird neu diskutiert

Von 
Sandra Usler
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Hier könnte das Baugebiet Nordweststadt II entstehen. © Sandra Usler

Viernheim.Viernheim braucht kein weiteres neues Baugebiet“. Die „Initiative Nordweststadt II - Lebensqualität Viernheim“ fordert, die Entscheidung für das Neubaugebiet zu überdenken. Ihre Argumentation: Es gehe ein großes Stück Lebensqualität verloren, wenn die Grünfläche bebaut wird. Stadtrat und Stadtverordnete verweisen auf die politischen Beschlüsse und den laufenden Prozess.

Vor einigen Wochen hatten sich die Bürger in einem offenen Brief an alle politischen Verantwortungsträger der Stadt Viernheim und an die Stadtverordneten mit der Aufforderung gewandt, die Entwicklung des Baugebiets Nordweststadt II nochmals kritisch zu hinterfragen. „Reaktion der Stadt und Politik? Fehlanzeige - Ignorieren und Aussitzen!“, ärgern sich die Bürger über die bisher fehlende Rückmeldung der Parlamentarier und bekräftigen ihre Forderung in einem zweiten Brief.

Lebensraum für Zauneidechsen, Fledermäuse und Nachtigallen

Zudem ist eine Online-Petition gestartet worden. Über 500 Personen unterstützen die Initiative und lehnen mit ihrer Unterschrift das Bauvorhaben Nordweststadt II ab. Alle Unterzeichner machen sich für den „Erhalt unserer Lebensqualität in Viernheim“ stark. Das 19 Hektar große Gebiet habe wertvolle Grün- und Ackerflächen und diene als Lebensraum für Pflanzen und für Tiere wie Zauneidechsen, Fledermäuse, Nachtigallen oder Feldhasen. Das ortsnahe Naherholungsgebiet sei für alle Generationen und biete Wohn- und Lebensqualität nicht nur für Bürger der Nordweststadt. Zudem sorge das Areal für Frischluftzufuhr für die ganze Stadt.

Gebiet Nordweststadt II

  • Das Gebiet Nordweststadt II ist im Regionalplan Südhessen und im Flächennutzungsplan der Stadt Viernheim seit Jahrzehnten als Wohnbaufläche dargestellt.
  • Das mögliche Baugebiet ist rund 19 Hektar groß und schließt im Norden und Westen an das Wohngebiet Nordweststadt an, erstreckt sich vom Waldfriedhof an der Autobahn entlang bis zur Wormser Straße.
  • Die Stadtverordnetenversammlung hat 2017 die Verwaltung beauftragt, die vorbereitenden Untersuchungen zur Baulandentwicklung des Baugebiets durchzuführen. 2020 wurde das städtebauliche Konzept vom Büro MVV Regioplan zur Abstimmung präsentiert.
  • Die Stadtverordneten leiteten im Februar 2021 die Aufstellung des Bebauungsplans „Nordweststadt II“ ein. Im Oktober 2023 startete die Bürgerbeteiligung mit einer Informationsveranstaltung zum städtebaulichen Konzept. In Workshops konnten sich Viernheimer Bürger aktiv einbringen.
  • Nach diesen Rückmeldungen wurde die Konzeption überarbeitet, kommende Woche beschäftigen sich die Stadtverordneten mit der Planung. Das aktualisierte Konzept soll dann bei einer weiteren Bürgerversammlung vorgestellt werden.

Die Initiative bezweifelt, dass die Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2018 noch aktuell ist. „Kann das eine Grundlage für so einen schwerwiegenden Eingriff für Mensch und Natur sein?“, fragen die Bürger. Die Konzeption erscheine „nicht nachhaltig und durchdacht“, zudem existierten viele Baulücken in Viernheim. Alle politischen Verantwortungsträger werden im Brief und in der Petition „dazu aufgefordert, unter dem Aspekt veränderter gesellschaftlicher wie umweltpolitischer Rahmenbedingungen die Studie zu lesen und die Situation neu zu bewerten“.

Der Erste Stadtrat Jörg Scheidel, als Baudezernent direkt von den Initiatoren angesprochen, erinnert an die Schritte des Verfahrens. „Die Stadtverordnetenversammlung hat die Verwaltung beauftragt, den Bebauungsplan aufzustellen“, sieht er diesen Auftrag umgesetzt. Die Bürger seien beteiligt, könnten ihre Ideen und ihre Bedenken einbringen. Die derzeitige Planung werde nun den Stadtverordneten zur Diskussion vorgelegt. Scheidel wiederholt, was er schon bei der Informationsveranstaltung gesagt hat: „Es liegt an den Stadtverordneten, die als Vertreter der Viernheimer gewählt sind, ob und wie das Bauprojekt weiter geht.“

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Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Volker Ergler, betont: „Der Beschluss ist getroffen.“ Allerdings wolle man sich den Anregungen der Viernheimer auch nicht verschließen. „Die Stadtverordneten haben kommende Woche den Workshop zum Planungsstand nach der Bürgerbeteiligung“, die Christdemokraten wollen diese Ergebnisse abwarten. Für die UBV-Fraktion zählt die aktuelle Lage: „Es gibt einen Beschluss, dieser Beschluss ist gültig“, erinnert der Vorsitzende Walter Benz. Die UBV werde das Ergebnis des Workshops abwarten und dann in der Fraktion beraten.

„Wir haben uns mit den Argumenten der Initiative auseinandergesetzt“ sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Daniel Schäfer. Die Sozialdemokraten wollen diese neben den aktuellen Informationen der Stadtverwaltung erörtern und prüfen, ob eine Neubewertung erforderlich ist.

Auch der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum wichtig

Die FDP-Fraktion sieht aktuell keine Veranlassung, an der Entscheidung für das Baugebiet etwas zu ändern. „Es sind verschiedene Interessen zu berücksichtigen“, führt Fraktionsvorsitzende Tobias Gieding aus, „neben den Belangen des Naturschutzes, der Landwirtschaft oder der Freizeitnutzung ist für uns vor allem auch der Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum wichtig“. Eine gute Konzeption mit Eigenheimen für junge Familien oder geeignete Wohnkonzepte für Senioren könne sich positiv auf die Stadtentwicklung auswirken.

Die damalige Fraktion der Grünen stimmte 2021 gegen den Bebauungsplan. „Eventuell ergeben sich aus den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung nochmals neue Aspekte“, erklärt Fraktionsvorsitzende Astrid Pfenning, dass man dies in die Positionsbestimmung einfließen lassen werde. „Wir suchen gern das Gespräch mit den Bürgern, allerdings lieber persönlich“, sagt Pfenning.

Gelegenheit dazu bietet sich: Am 10./11. Mai sollen Unterschriften gesammelt werden. Am Sonntag, 26. Mai, ist um 14 Uhr ein Spaziergang am Baugebiet geplant, mit Informationsaustausch und Ausklang bei „Gitta“. Treffpunkt ist am Ende der Wormser Straße vor der Autobahnbrücke.

Freie Autorin

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