Viernheim. Schon viel zu oft hat Jutta Behrendt von einem Sterbenden diesen Satz gehört: „Ich bedaure, das nicht gemacht zu haben.“ Sei es eine besondere Reise, ein Treffen mit alten Freunden oder ein wagemutiger Bungee-Sprung. Jedes Mal denkt die erste Vorsitzende des Viernheimer Hospizvereins dann: Dieser Satz müsste viel seltener gesagt werden, wenn die Menschen sich rechtzeitig und bewusst mit ihrem Tod auseinandersetzen würden. „Aber wir schieben den Gedanken daran lieber weg und schweigen unser Sterben tot, obwohl es jeden von uns treffen wird“, weiß sie aus langer Erfahrung. Akzeptieren wollen sie und alle anderen Mitglieder des Hospizvereins Viernheim dieses Tabu aber nicht so einfach. Sie wollen lieber aufrütteln.
Was will ich unbedingt noch erleben?
„Wie will ich sterben? Und was will ich vorher noch erleben?“ Mit diesen Fragen will der Hospizverein Menschen aus Viernheim und Umgebung zum Nachdenken anregen - und zwar dort, wo diese es am wenigsten erwarten, weil sie mit den Gedanken gerade beim Einkaufen sind: im Rhein-Neckar-Zentrum.
Vom 10. bis 12. Oktober wird dort die Ausstellung „Was ist gutes Sterben?“ zu sehen sein, passend zum Deutschen Hospiztag sowie dem Welthospiztag, die beide Anfang Oktober im Kalender stehen.
Entwickelt wurde die Ausstellung von Ehrenamtlichen der Hospizarbeit Wolfsburg. Weil auch sie immer wieder mit dem gesellschaftlich verbreiteten Tabu rund um den Tod konfrontiert wurden, erdachten sie einen Fragebogen rund um das Thema: „Was wünsche ich mir für mein Sterben?“ Die zum Teil verblüffenden Antworten, die sie von Menschen zwischen 17 und 102 Jahren erhielten, formten sie zu einer Ausstellung, die nun auch in Viernheim Station macht.
Entdeckt und nach Viernheim geholt hat die Ausstellung Claudia Möller, Koordinatorin beim Hospizverein. Sie hatte sich im Internet auf die Suche nach etwas gemacht, das die Arbeit des Viernheimer Vereins in der Öffentlichkeit bekannter machen könnte.
Denn noch wendeten sich viele Menschen gar nicht oder viel zu spät an den gemeinnützigen Verein, dessen Ziel die Beratung und Begleitung unheilbar kranker und sterbender Menschen und ihrer Angehörigen ist. Immer wieder suchten Angehörige den Kontakt zum Hospizverein erst, wenn etwa die Mutter oder der Vater schon endgültig im Sterben liege, oft nur noch wenige Tage oder Stunden zu leben habe. „Ich höre oft: Eure Arbeit ist gut, aber ich melde mich erst, wenn es wirklich zu Ende geht“, seufzt auch Vorsitzende Behrendt. „Aber dann haben unsere Hospizbegleiter keine Chance mehr, eine Verbindung zu dem sterbenden Menschen aufzubauen, dann ist keine echte Begleitung durch die letzte Zeit mehr möglich. Dabei will doch eigentlich niemand am Ende einen Fremden neben sich am Bett sitzen haben, oder?“
Seit 1996 gibt es den Viernheimer Hospizverein. Mittlerweile engagieren sich 39 ausgebildete, ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen, davon sechs Trauerbegleiterinnen, für den Verein - oder besser: für Viernheimer, die akut mit dem Tod konfrontiert sind. Zwei hauptamtliche Koordinatorinnen kommen dazu. Sie alle beraten und begleiten die Betroffenen so persönlich, sensibel und unbürokratisch wie möglich - und unterliegen dabei der Schweigepflicht.
Ohne Angst über ein Tabu-Thema sprechen
Die Hoffnung des Hospizvereins ist, dass die Ausstellung im Rhein-Neckar-Zentrum sich den Menschen quasi in den Weg stellt. „Darum freuen wir uns sehr, dass wir in den Fluren des Einkaufszentrums ausstellen dürfen und nicht wie zuerst geplant die Ausstellung nur vor oder in den Räumen des Hospizes aufstellen“, sagt die Koordinatorin.
Sich ohne Angst dem Thema Tod zu stellen - das ist aber nur eines von zwei Dingen, was die Ausstellung bewirken will. Eng damit verknüpft sie auch die Frage, was wir alle vor unserem Sterben eigentlich noch unbedingt tun möchten. „Provozierend gesagt, fragen wir jemanden, der sich gerade im RNZ eine neue Winterjacke gekauft hat: Das könnte Ihre letzte Jacke sein - was wollen Sie darin noch erleben?“, sagt Claudia Möller schmunzelnd.
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Betreut wird die Ausstellung an allen drei Tagen von ehren- und hauptamtlichen Mitgliedern des Hospizvereins, die dabei auch über die Hospizarbeit generell und weitere Angebote des Viernheimer Vereins wie etwa die Trauerbegleitung informieren.
„Wir freuen uns, wenn die Leute stehen bleiben, ein bisschen auf den Roll-Ups lesen und Fragen an uns haben“, betont Möller. „Auch wenn es mal schwierige Fragen sein sollten. Auf uns kann jeder einfach zukommen.“
Die Wanderausstellung „Was ist gutes Sterben?“ wird am 10. Oktober um 10 Uhr in den Fluren des Rhein-Neckar-Zentrums Viernheim eröffnet. Zu sehen ist sie dort bis zum 12. Oktober.
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