Soziales

Unbekannte zerschneiden in Lampertheim Zelte von Obdachlosen

In Lampertheim wurden Zelte von Obdachlosen zerstört. Neue Lösungen wie Tiny Houses sollen nun helfen.

Von 
Daniela Hoffmann
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Ein Hund sitzt vor dem Zelt eines Obdachlosen. Unser Bild stammt aus Berlin. Einen Lagerplatz in Lampertheim wollen wir bewusst nicht zeigen. © picture alliance / Paul Zinken/dpa

Lampertheim. Die Hilfsbereitschaft war groß: Nach dem Spendenaufruf vor zwei Wochen konnte die lokale Hilfsorganisation Helping Hands Schlafsäcke und Isomatten für die sieben Obdachlosen kaufen, die momentan in Lampertheim unter freiem Himmel schlafen. Doch der Rückschlag folgte prompt. Jetzt wurden laut der Organisation zwei Zelte der Obdachlosen zerschnitten. Die Täter sind bislang unbekannt. Für Claudia Lamm, die sich zusammen mit Unterstützerinnen und Unterstützern ehrenamtlich um die Obdachlosen kümmert, ein Grund mehr, eine neue Idee weiterzuverfolgen: Wohnungslosen unkompliziert ein Dach über dem Kopf bieten. Städte wie Marburg oder Köln haben es vorgemacht.

Hürden für Obdachlose in Notunterkünften

Zwar gibt es in Lampertheim die Notunterkunft im Heideweg, wo derzeit zwölf Personen vorübergehend eine Bleibe gefunden haben. Weitere Plätze sind noch frei. Doch die Unterbringung ist an Bedingungen geknüpft, die in der Obdachlosensatzung der Stadt festgelegt sind.

Dazu gehört beispielsweise, dass dort weder Tiere erlaubt sind noch Alkohol oder Drogen. Bei vielen Obdachlosen gibt es allerdings eine Suchtproblematik und ihre Hunde sind für sie oft eine wichtige, wenn nicht gar die einzige Konstante in ihrem Alltag. „Also fallen sie für eine Bleibe in der Notunterkunft durchs Raster“, macht Claudia Lamm deutlich.

Unter den Obdachlosen herrscht Verunsicherung

Bei den Wohnungslosen, die sich in Lampertheim vor der winterlichen Witterung in Zelten schützen, herrscht nach den jüngsten Vorfällen tiefe Verunsicherung, erklärt André Geppert. Er war bis vor vier Jahren selbst eine Zeit lang obdachlos und hilft inzwischen aktiv bei den Helping Hands. „Die Schnitte in den beiden Zelten waren wie mit einem Messer gezogen“, schildert er. „Die Außenhaut der Zelte ist kaputt. Da pfeift jetzt der Wind rein und reißt alles weiter auf.“

Die Obdachlosen selbst wurden nicht angegriffen, stellt Geppert klar. „Sie waren glücklicherweise nicht da“, als sich der oder die Unbekannten an den Zelten zu schaffen machten. Als Alternativen zu den Notunterkünften der Stadt bleiben in Lampertheim ohne Zelt derzeit nur Hauseingänge, in die man sich kauern kann, oder der Boden unter Laderampen von Einkaufsmärkten, die zum Anliefern von Waren dienen. Doch Sicherheit oder auch nur den Hauch von Privatsphäre gibt es auch an solchen Plätzen nicht. „Deshalb müssen andere Lösungen her“, ist auch André Geppert überzeugt.

Ein Zuhause auf Rädern

Wie die aussehen könnten, zeigt der Verein Little Homes in Köln. Dessen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bauen zusammen mit Obdachlosen Tiny Houses. Die ersten Modelle hatten eine Grundfläche von 3,2 Quadratmetern und wurden auf Paletten gestellt. Neuere zählen acht Quadratmeter und stehen jeweils auf einem Autoanhänger. So sind die kleinen Häuschen mobil. Diese überlässt der Verein den Obdachlosen, eine zeitliche Befristung gibt es nicht.

Im Inneren eines solchen Mini-Hauses befinden sich eine Matratze, ein Regal, ein Erste-Hilfe-Set, ein Feuerlöscher, eine Campingtoilette, ein Waschbecken sowie eine kleine Arbeitsfläche zum Kochen.

Die Helping Hands



  • Die Helping Hands sind eine lokale Hilfsaktion im Ried . Claudia Lamm hat sie vor etwas mehr als vier Jahren ins Leben gerufen.
  • Damals – im Dezember 2020 – hatte die engagierte Lampertheimerin einen obdachlosen Mann in der Lampertheimer Innenstadt angesprochen, der ihr dort immer wieder aufgefallen war. Sie fragte ihn einfach, womit sie ihm helfen könne und organisierte gemeinsam mit der Bürstädterin Antje Egle via Facebook unkompliziert für ihn Sachspenden .
  • Der Mann hat der Organisation ihren ursprünglichen Namen gegeben: Rudi’s Netzwerk .
  • Schon bald übernahm die Gruppierung, die sieben regelmäßige Helfer, aber noch viel mehr Unterstützer zählt, weitere Aufgaben – half beispielsweise nach der Flutkatastrophe im Ahrtal oder ist bis heute in der Ukraine-Hilfe sowie in der Flüchtlings-Hilfe vor Ort tätig.
  • Derzeit sucht sie nach Möglichkeiten, wie man Obdachlosen in Lampertheim unkompliziert ein Dach über dem Kopf verschaffen könnte. Möglich wären etwa, Tiny Houses aus Holz zu bauen oder Container anzuschaffen.
  • Für das Projekt suchen die Helping Hands Unterstützer . Wer Geld spenden oder gerne mitanpacken möchte, kann sich bei Claudia Lamm melden per Whatsapp an 0157/34 10 93 27 oder per E-Mail an rudisnetzwerk@gmail.com .

„Die sogenannten Wohnboxen fungieren als ein erster Schritt zurück in die Gesellschaft“, schreibt der Verein auf seiner Homepage. Sie seien „eine Art Probephase“ auf dem Weg zurück in einen üblichen Alltag. Die Materialkosten für so ein Häuschen belaufen sich – laut Little Homes – auf rund 9500 Euro. Der Preis variiert jedoch je nach Größe.

Eine andere Lösung, um Obdachlosen zu helfen, gibt es in Marburg. Dort hat das Diakonische Werk sechs Quadratmeter große Schutzcontainer angeschafft. Sie sind mit Bett, Tisch beziehungsweise Ablagemöglichkeit sowie einer externen sanitären Anlage ausgestattet. Die Bewohner wechseln während eines Winters mehrfach. „Einen kleinen gebrauchten Container bekommt man derzeit unter 5000 Euro“, sagt Claudia Lamm.

Suche nach Unterstützern für Tiny Houses

Nun sucht die engagierte Lampertheimerin nach Unterstützern – nach Sponsoren, aber auch nach Menschen, die sich vorstellen könnten, beim Bau eines Tiny Houses anzupacken. „Am besten wäre, wenn Schreiner helfen könnten“, meint sie. Und natürlich braucht es Orte, an denen die Container oder Tiny Houses stehen können.

Die Stadt muss ebenfalls mit ins Boot. Mit Ordnungs- und Sozial-Dezernent Marius Schmidt hat Claudia Lamm bereits kurz über ihre Idee gesprochen, will jetzt aber erstmal ein „richtiges Konzept“ erarbeiten, mit dem sie dann offiziell an die Verwaltung herantreten wird.

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Auf Anfrage zeigt sich Schmidt „grundsätzlich aufgeschlossen“. „Allerdings müssen wir das ganzheitlich sehen“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Zu Beachten seien etwa Fragen des Baurechts, der Erschließung und der Beaufsichtigung, so Schmidt.

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