Olympia

Wie es Yemisi Ogunleye mit festem Glauben an die Spitze schaffte

Ihre Goldmedaille war ebenso überraschend wie historisch. Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye von der MTG Mannheim war voller Dankbarkeit nach ihrem Sensationstriumph von Paris. Vor ihrem entscheidenden Stoß hatte sie gebetet

Von 
Ewald Walker
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Yemisi Ogunleye trat vor einem Jahr bei der WM in Budapest erstmals international in Erscheinung. Nun gewann sie Olympia-Gold. © Michael Kappeler/dpa

Mannheim. Der Glaube kann Berge versetzen. Diesem biblischen Spruch folgend hat Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye tatsächlich Sporthistorisches geschaffen. Die 25-jährige Sportsoldatin von der MTG Mannheim holte sich sensationell die einzige Goldmedaille für das deutsche Leichtathletik-Team bei den Olympischen Spielen. Es war ein Sieg für die Geschichtsbücher. Ogunleye ist nach Margitta Gummel (1968), Ilona Slupianek (1980), Claudia Losch (1984) und Astrid Kumbernuss (1996) die fünfte deutsche Olympiasiegerin in ihrer Disziplin. „Der Auftritt von Yemisi war phänomenal. Ich konnte vor Aufregung die halbe Nacht nicht schlafen“, kommentierte Kumbernuss die Sensation von Paris.

Von Freudentränen übermannt fiel Ogunleye nach ihrem Siegesstoß in die Arme ihrer Trainerin Iris Manke-Reimers und ihrer Eltern, die in der ersten Reihe saßen. „Das ist unglaublich. Mir fehlen die Worte“, sagte die neue Olympiasiegerin zu ihrem Triumph und schlug dabei ihre gefalteten Hände vors Gesicht. „Ich habe ein ganz großes Gefühl der Dankbarkeit für meine Familie, meine Trainerin und alle, die mich auf diesem Weg unterstützt haben“, so die Studentin der Sozialpädagogik, die sich im Stade de France völlig losgelöst und doch geerdet zeigte.

Medaille soll kommende Generationen ermutigen

Die Kugelstoßerin berichtete auch von berührenden Nachrichten von ihrem Bruder und einer guten Freundin, die „wie eine große Schwester ist“. Deren Kinder fieberten am TV mit. „Als ich gesehen habe, dass mich die Kleinen angefeuert haben und so begeistert waren, wusste ich, dass diese Medaille auch für die kommende Generation ist und sie ermutigen soll, an ihren Träumen festzuhalten. Egal, was kommt“, sagte Ogunleye.

Mit Gottvertrauen in die Weltspitze - so lässt sich ihr Weg innerhalb und außerhalb des Kugelstoßrings beschreiben. Ogunleye ist eine gläubige Sportlerin. Vor ihrem sechsten und letzten Versuch - sie lag zu diesem Zeitpunkt mit 19,55 Meter an zweiter Stelle - blieb sie im Regen des Stade de France vor dem Ring stehen und betete. „Gott gehe mit mir in den Ring, gib mir die nötige Kraft“, sagte sie zu sich, um sich die Unterstützung einer höheren Macht zu sichern. „Ich habe noch nie so einen Glauben verspürt wie in diesem Augenblick“, beschrieb sie die Situation ihres mit Abstand größten sportlichen Erfolgs.

Erste Sensation bei der Hallen-WM in Glasgow mit Platz zwei

Dann stieß sie die Kugel auf exakt 20,00 Meter und ließ die Neuseeländerin Maddison-Lee Wesche (19,86 Meter), die Chinesin Song Jiayuan (19.36 Meter) und auch Olympiasiegerin Liao Gong als Fünfte hinter sich. „Yemisi ist ein außergewöhnlicher Mensch - absolut authentisch und eine Sympathieträgerin für die MTG Mannheim“, sagte MTG-Sportchef Rüdiger Harksen, der die Goldmedaille als Geschenk zum 125-jährigen Vereinsjubiläum wertete.

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Christian Rotter
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Ogunleye war vor einem Jahr bei der WM in Budapest erstmals international in Erscheinung getreten, als sie mit 19,44 Meter in die Weltspitze vordrang und Zehnte wurde. Anfang dieses Jahres sorgte sie bei der Hallen-WM in Glasgow für ihre erste große Sensation, als sie mit 20,19 Meter Vizeweltmeisterin wurde. „Ich habe immer davon geträumt, mit der deutschen Flagge über den Schultern auftreten zu dürfen." Paris brachte ihr jetzt zum zweiten Mal dieses Erlebnis.

Ogunleye - Tochter eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter - hatte in ihrem Leben auch Tiefen zu überwinden. Knieoperationen nach Bänder- und Knorpelverletzungen konnte sie mit der Umstellung von der Angleit- auf die Drehstoßtechnik überwinden. Rassisistische Anfeindungen in ihrer Kindheit teilte sie mit Weitsprung-Star Malaika Mihambo von der LG Kurpfalz. Mit Olympia-Gold ist sie nun auch endgültig in die Fußstapfen von Ex-Weltmeisterin Christina Schwanitz getreten, die über ein Jahrzehnt für das Kugelstoßen in Deutschland stand.

Ogunleye: Jugendleiterin und Alt-Stimme im Gospelchor

Vom Turnen war sie zur Leichtathletik gekommen und Trainerin Manke-Reimers vollzog eine behutsame Entwicklung mit ihr. Einmal die Woche fährt sie zu Drehstoß-Experte Arthur Hoppe nach Stuttgart. Die Zugehörigkeit zur Bundeswehr gibt ihr die notwendige Sicherheit, Ogunleyes fester Boden aber ist ihr Glaube. Sie ist in der Kirchengemeinde ihres pfälzischen Heimatorts Bellheim als Jugendleiterin tätig und singt im Gospelchor die Alt-Stimme.

Im Stade de France hat sie während des Wettkampfes durchgesungen, wie sie erzählte. Sie steht fest auf ihren inneren Werten. „Mein Leben hängt nicht von sportlichen Leistungen ab, sondern von dem Wissen: Ich bin gut, wie ich bin“, sagt sie. Der Glaube hat ihr bei der Frage nach dem Sinn des Lebens und der Identitätsfindung geholfen. Ihren zweistündigen Medien-Marathon beendet sie mit einem Bibelspruch: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht.“

Sprach sie und durfte wie alle anderen Olympiasieger im Stade de France die Glocke läuten, die nach dem Feuer aus Notre Dame hierher gebracht wurde und die bei der Wiedereröffnung der historischen Kirche an Weihnachten an ihre alte Stelle zurückkehrt. (mit dpa)

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