Fußball

Warum auch hässliche Trikots Potenzial haben

Die Trikots der Fußballclubs polarisieren wie selten zuvor: Bei BVB und FCB laufen die Fans Sturm. Wie das ein Experte erklärt – und warum hässliche Trikots auch Potenzial haben.

Von 
Florian Eisele
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Die BVB-Fans zeigen am 3. Spieltag in Heidenheim lautstark ihre Meinung zum BVB-Auswärtstrikot. © picture alliance/dpa

Mannheim. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten – das Votum der Fans von Borussia Dortmund war aber dann doch recht eindeutig. Als der Verein das neue grau-gelbe Ausweichtrikot vorstellte, kristallisierte sich bei den BVB-Anhängern ein eindeutiges Stimmungsbild heraus. Beim ersten Spiel, bei dem das neue Shirt zum Einsatz kam, waren im Stehplatzbereich mehrere Banner zu sehen. „Das grausamste Trikot der Liga!“, oder „Borussia bleibt schwarzgelb“.

In ihrem Ärger sind die Fans der Dortmunder mit denen der Bayern vereint. Auch hier stoßen weder das rote Heimtrikot noch das grau-rote Auswärtsshirt auf große Gegenliebe bei den Fans. Beim letzten Heimspiel der vergangenen Saison, als das die neue Auswärtskluft zum ersten Mal zum Einsatz kam, war ein Banner in der Südkurve zu lesen: „Eure Trikotdesigns sind seit Jahren eine Schande für unseren Verein.“

Das Auswärtstrikot des FC Bayern kam am letzten Heimspieltag der Saison 2024/25 das erste Mal gegen Borussia Mönchengladbach zum Einsatz – gut an kam es trotz Meisterschaft bei den Fans jedoch nicht. © picture alliance/dpa

Trikots sind für die Fans mehr als ein Stück Stoff

Es sind zwei prominente Beispiele, die zeigen: Trikots sind mittlerweile viel mehr als nur ein Stück Stoff. Als die deutsche Nationalmannschaft vor einiger Zeit ihren Ausrüsterwechsel von Adidas zu Nike verkündete, war der Aufschrei groß.

Stefan Appenowitz hat großes Verständnis dafür, wenn es beim Thema Trikots emotional wird. Der 56-Jährige ist Trikot-Liebhaber und -Forscher, hat mehrere Bücher über die Kleidung geschrieben und auch die aktuellen Debatten bei FCB und BVB verfolgt.

„Das grausamste Trikot der Liga“: Das Auswärtstrikot von Borussia Dortmund für die laufende Bundesliga-Saison sorgt schon bei der Vorstellung für viel Gegenwind. © Harry Langer/dpa

Zum Konflikt sagt er: „Hier prallen zwei Welten aufeinander: die Traditionalisten bei den Fans und die Vereine, die mit den Trikots Geld verdienen wollen. Die Furcht der Anhänger lautet, sich von der klassischen Identität des Clubs zu entfernen.“ Diese hängt für viele eng mit dem Erscheinungsbild des Clubs zusammen – also den Trikots. Im ersten Paragraf der Vereinssatzung des FC Bayern ist etwa zu lesen: „Die Clubfarben sind Rot und Weiß.“

Ein starkes Marketing-Instrument für die Vereine

Tatsächlich dürfte der Rekordmeister aber – wie nahezu alle anderen Vereine auch – in den vergangenen Jahren das komplette Spektrum des Regenbogens abgebildet haben. Waren die Trikots bis in die 80er-Jahre nur Mittel zum Zweck, sind sie längst das wichtigste Marketing-Instrument der Vereine.

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Denn seit einiger Zeit veröffentlicht jeder Club pro Saison drei bis vier neue Trikotsätze: neben dem Heimshirt eines für Auswärts, dazu noch ein Ausweich- und stellenweise noch ein Sondertrikot. Das sind eben auch drei bis vier Möglichkeiten, dem Fan nochmals etwa 100 Euro aus der Geldbörse zu leiern.

Trikots mit Tradition begeistern

Aber wann ein Trikot als gelungen oder nicht gilt, liegt für Appenowitz nicht nur im Auge des Betrachters. „Wenn das Trikot die Geschichte oder die Identität des Vereins aufgreift, wird es auch stimmig.“ Ein Beispiel sei für ihn als Gladbach-Fan etwa das aktuelle Shirt seiner Borussia, in dem ein Camouflage-Muster zu sehen ist, das an das Design der Pokalsieger-Mannschaft vor 30 Jahren erinnern soll.

Auch das Römertrikot des FC Augsburg sei ein Beispiel dafür: „Das sieht einerseits richtig schön aus, greift aber auch die Geschichte der Stadt auf und holt die Fans so ab. Also zwei Dinge, die beim aktuellen BVB-Auswärtstrikot nicht der Fall sind.“

Im Zwiespalt befindet sich Appenowitz aber auch selbst: „Einerseits ist es für mich als Trikotliebhaber schön, diese Auswahl zu haben. Andererseits ist die Gefahr schon da, dass nun alles sehr verwässert wird.“ Stellenweise wird ein Trikot auch nur in einem einzigen Spiel von der jeweiligen Mannschaft getragen.

Das Heimtrikot der Eintracht Frankfurt beschreibt Experte Appenowitz als seinen persönlichen Favoriten – einfach gehalten in den Vereinsfarben Schwarz und Rot. © picture alliance/dpa

Appenowitz plädiert im Sinne der Traditionalisten an die Vereine: „Ich finde es schön, wenn es beim Heimtrikot keine großen Experimente gibt und das klassische Design durchgezogen wird. Raum für Experimente gibt es bei den anderen Shirts genug.“ Wobei hier die Frage kommt, was eigentlich traditionell ist. „Das Frankfurter Trikot ist mein persönlicher Favorit, weil es in Schwarz und Rot gehalten ist, ein klares Design hat. Aber Charly Körbel, der Rekordspieler der Eintracht, hat mir mal gesagt: ‚Weißes Trikot, schwarze Hose, weiße Stutzen. Das war mir am liebsten.‘“

Kultstatus: Je hässlicher, desto mehr Potenzial

Und die vermeintlich hässlichen Trikots aus Dortmund und München? Appenowitz hat da noch eine eigene Formel: Je hässlicher, desto mehr Potenzial. „Ein Sammler-Freund von mir hat mir gesagt: Wenn dein Verein ein richtig übles Trikot hat: Kaufe es und warte, bis die Zeit für dich spielt. In einigen Jahren ist das dann Kult.“

Ein Beispiel sind für ihn die legendären Trikots des VfL Bochum in Regenbogenfarben, die in den 90ern verdammt wurden. Heute ist das Trikot ebenso ein Sammlerstück wie das quietschgelbe Frankfurt-Trikot, in dem Werbung für Tetra Pak gemacht wurde oder das an Brasilien angelehnte gelb-grüne Trikot des FC Bayern. Das Hässliche von heute ist der Kultstoff von morgen?

Dann gibt es gewissermaßen doch noch gute Nachrichten für die Fans des FCB und BVB. Und zur Wahrheit gehört auch, so Appenowitz: „Egal ob hässlich oder nicht – beim ersten Spieltag haben sehr viele Fans das neue Trikot schon gekauft.“

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