Owen Ansah hier, Owen Ansah da. Der 29. Juni 2024 wird als der Tag in die Biografie des 23-Jährigen eingehen, der sein Leben veränderte. Zuvor war er nur ein talentierter Sprinter, der zwar national zu den Besten zählte, international aber kaum wahrgenommen wurde. Bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig änderte sich das. Ansah gewann nicht nur den Titel, sondern durchbrach auch eine Schallmauer: Als erster Deutscher lief er die 100 Meter in unter zehn Sekunden: 9,99 Sekunden.
„Unmittelbar nach dem Zieleinlauf habe ich das alles noch nicht fassen können. Ich habe befürchtet, dass der Wind zu stark von hinten geblasen hat. Erst als diese Marke im grünen Bereich war, konnte ich mich richtig freuen“, sagt Ansah und ergänzt: „So richtig gesetzt hat es sich aber erst, als ich die Siegerurkunde in den Händen hielt und ich es schwarz auf weiß lesen konnte.“
Der Coup von Braunschweig war für ihn Ansporn. Bevor er am Dienstag nach Paris anreiste, bereitete er sich im Training optimal vor. Denn die 9,99 hatten noch einen weiteren positiven Effekt: Ansah knackte die Olympia-Norm und darf in Paris nun nicht nur mit der deutschen Staffel über 4 x 100 Meter starten, sondern auch im Einzel. Los geht es für ihn daher schon am Samstag, wenn um 10.35 Uhr die Vorläufe gestartet werden. Gerne wäre der 23-Jährige auch am Sonntag noch dabei, wenn es über die Halbfinalläufe ins Finale geht. „Mein Ziel ist es, mich einfach gut zu fühlen. Dafür habe ich in den vergangenen Wochen alles getan. Und ich will zeigen, dass ich kein One-Hit-Wonder bin. Ich möchte die 9,99 bestätigen.“
Ansah-Peprah läuft 10,00 - zu spät für eine Einzelqualifikation
Sein Trainingspartner muss sich dagegen noch ein bisschen in Geduld üben - und das wurmt Lucas Ansah-Peprah schon ein wenig. Denn beim Meeting in La Chaux-de-Fonds absolvierte der 24-Jährige die 100 Meter ebenfalls in der für Paris geforderten Zeit - allerdings war Mitte Juli die Nominierungsfrist abgelaufen.
„Wie sich jeder vorstellen kann, wäre ich die 10,00 gerne schon bei den Deutschen Meisterschaften gelaufen“, sagt Ansah-Peprah, der trotz dieser starken Leistung einen weiteren Makel erkannte: „Eine Hundertstelsekunde schneller hätte es schon auch noch sein können.“ Und das nicht unbedingt, weil er damit den Deutschen Rekord eingestellt hätte, sondern weil die 9 vor dem Komma gestanden wäre.
Ansah und Ansah-Peprah - diese deutschen Sprint-Asse haben so viele Gemeinsamkeiten. Da liegt es doch nicht nur wegen der Nachnamen nahe, dass es sich um ein Brüderpaar handelt. Sie sind jedoch weder verwandt noch verschwägert. Eines sind sie aber auf jeden Fall: ziemlich schnellste Freunde.
„Es ist schön, dass ich zusammen mit Lucas trainieren kann. Wir verfolgen dieselben Ziele, das spornt mich an“, betont Ansah. „Erst, wenn ich vor dem Wettkampf die Kopfhörer aufsetze und in den Tunnel gehe, wird Lucas zu meinem Konkurrenten. Ab diesem Zeitpunkt gibt es nur einen Sieger, und der will ich sein.“
Ansah-Peprah wurde in Stuttgart geboren, wuchs aber in Hamburg auf. Ansah ist ein echter Hamburger Jung. Der Weg von beiden führte zur Leichtathletik und zum HSV, für den das Duo noch heute startet. Ende 2019 wechselte ein junger Trainer in die Hansestadt, der den weiteren Werdegang der damaligen Sprinttalente maßgeblich beeinflussen sollte: Sebastian Bayer, Weitsprung-Europameister von 2012. Er nahm die beiden unter seine Fittiche, und als Bayer 2021 in seiner Funktion als Hürdensprint-Bundestrainer nach Mannheim wechselte, war es für Ansah und Ansah-Peprah keine Frage, den Coach zu begleiten. „Ich bereue diese Entscheidung nicht“, sagt Ansah-Peprah. „Wenn ich in Mannheim bin, vermisse ich Hamburg. Und wenn ich in Hamburg bin, vermisse ich Mannheim.“
Auf dem Gelände im Pfeifferswörth bleiben die Sprinter nicht unter sich, sondern arbeiten zum größten Teil in einer Trainingsgruppe an ihrer Form. Zu dieser gehören Hürdensprinterin Ricarda Lobe, die in Braunschweig den DM-Titel holte, sich danach aber verletzte, und Simon Batz. Auch der Weitspringer wird in Paris einen Karrierehöhepunkt erleben. „Beim Aufbau machen wir fast alles zusammen. Nur in den Technikeinheiten trainieren wir spezifisch“, sagt Ansah.
Und was geht in Paris? Nachdem die deutsche Sprintstaffel bei der EM in Rom im Juni die Bronzemedaille gewonnen hat, peilt das Quartett um Ansah und Ansah-Peprah bei Olympia den Finaleinzug an. „Das haben wir drauf. Dann schauen wir mal, was im Endlauf geht“, sagt Ansah, der nur noch wenige Tage ohne die anderen deutschen Sprinter in Paris auskommen muss. Am Montag reist auch Ansah-Peprah an.
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