Kassel. Wenn Mikael Appelgren in die Kasselaner Rothenbach-Halle zurückkehrt, fühlt sich das für den schwedischen Nationaltorhüter der Rhein-Neckar Löwen inzwischen etwas distanzierter an. Dass er bis 2015 drei Jahre lang für die MT Melsungen zwischen den Pfosten stand, ist schließlich auch schon acht Jahre her und von den damaligen Kollegen kennt der 33-Jährige nur noch Michael Allendorf - und der ist mittlerweile Sportdirektor der MT.
Alt fühlt sich der Schwede deshalb aber noch nicht. „Eher reif“, umschreibt es der Routinier mit einem Augenzwinkern. Doch auch im fortgeschrittenen Handballer-Alter lernt ein Profi wohl nie aus. Etwa wie man mit einem Negativlauf in der Bundesliga umgeht - und wie man beispielsweise wie die Löwen mit dem 34:25 bei der MT Melsungen wieder gestärkt aus so einer Phase herauskommen kann.
"Jetzt sind wir wieder da"
„Wir haben eine Mannschaft mit vielen jungen Spielern, aber auch wir Älteren können sicher daraus lernen“, blickte Appelgren nach dem Kantersieg bei den Nordhessen nochmals auf die lange Durststrecke von sieben Niederlagen in Folge zurück, die erst am vergangenen Sonntag mit dem 31:30 bei der TSV Hannover-Burgdorf zu Ende gegangen war. Diese - „nur“ vom Pokalsieg unterbrochene - Negativserie war in der jüngeren Löwen-Vergangenheit ein durchaus historisches Ereignis, das den Mannheimern sichtlich in den Kleidern steckte.
Für „Apfel“ war nach dem zweiten und nun auch souveränen Auswärtssieg aber klar: „Jetzt sind wir wieder da. Wir haben unsere alte Mentalität gezeigt und die Entspanntheit ist zurück“, so der Keeper zu den Faktoren für den spätestens in der zweiten Halbzeit ungefährdeten Sieg bei den Nordhessen.
Absolute Spitzenwerte
Manchmal scheint es eben wirklich „nur“ Kopfsache zu sein, ob man die zweifellos vorhandenen Stärken und sein System abrufen kann oder ob Verunsicherung und Fehlerketten das eigene Auftreten prägen - und wie man sich davon beeinflussen lässt. „Das jüngste Erfolgserlebnis hat uns da sicher geholfen“, blickte Uwe Gensheimer auf den Wendepunkt in Hannover. „Daran wollten wir anknüpfen. Wir wollten unser Spiel hier von Anfang an durchziehen und es irgendwann schaffen, den Melsungern den Glauben zu nehmen. Das haben wir hingekriegt und sind dann aber auch weiter konzentriert geblieben“, beschrieb der Linksaußen den souveränen Auftritt der Badener, der an die Glanzzeiten vor der Winterpause erinnerte.
So lag die Erfolgsquote der Löwen-Würfe bei starken 70 Prozent, Jannik Kohlbacher (7 Tore), Benjamin Helander (5) und Olle Forsell Schefvert (2) trafen sogar ohne jeglichen Fehlversuch und im Tor konnten sich die Löwen auf Appelgren verlassen, der bei 13 Paraden auf eine Fangquote von fast 40 Prozent kam. Absolute Spitzenwerte, die auch Kapitän Patrick Groetzki nicht zuletzt auf die befreiende Wirkung des Siegs von Hannover zurückführte.
„Das hat für die Seele schon enorm gutgetan und uns sicher ein anderes Gefühl für dieses Spiel gegeben“, beschrieb der Rechtsaußen seine Wahrnehmungen auf dem Parkett, wo die Löwen in der zweiten Halbzeit gegen die einmal mehr völlig enttäuschenden Melsunger vor allem in der Abwehr nochmals zulegen konnten und dann so richtig ins Laufen kamen.
„Wir haben schon gemerkt, dass Hannover eine Art Erlösung war - ohne das zu hoch hängen zu wollen. Das macht schließlich etwas mit einem, das man nicht immer ausblenden kann“, verwies Trainer Sebastian Hinze ebenfalls auf den Faktor Psychologie. „Das hat eben in der Summe gewirkt. Jetzt hat uns aber ausgezeichnet, dass wir die Hoheit über das Spiel nicht mehr hergegeben haben. Das war wieder so, wie wir das eine Zeit lang sehr gut gemacht haben“, erinnerte Hinze an den unbeschwerten Höhenflug, der wohl auch möglich war, weil die Erwartungen zunächst überschaubar waren. Erst mit dem zwischenzeitlichen Sturm an die Tabellenspitze kam es dann paradoxerweise zu einem kleinen Bruch.
Ohne Druck
„Als wir Tabellenführer waren, haben wir uns schon einigen Druck gemacht“, räumte Torhüter Appelgren ein, dass die Löwen neben Faktoren wie der Überbeanspruchung einiger Leistungsträger wohl auch damit zu kämpfen hatten, plötzlich etwas verlieren zu können.
Auf diesen Erfahrungswert werden die Löwen für den weiteren Weg zurückgreifen können. Den Rest der mehr als gelungenen Saison mit dem nun anstehenden Heimspiel-Doppelpack gegen den Bergischen HC (1. Juni) und den HC Erlangen (4. Juni) möchte der Pokalsieger nun aber ohne jeglichen Druck in erster Linie genießen - und seinen auch während der Durststrecke treuen Fans endlich ein Erfolgserlebnis in eigener Halle zukommen lassen. „Das wollen wir alle - und da wird es nun auch Zeit“, betonte Hinze.
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